Russisches Geld für die Ukraine – Erstes europäisches Land legt Gesetz vor
Westliche Länder haben Milliarden an russischen Einlagen eingefroren. Lange war nicht klar, was damit passiert. Jetzt zieht Estland Konsequenzen.
Tallinn – Nachdem Russland den Ukraine-Krieg begonnen hatte, fingen westliche Länder damit an, dem Land eine gewaltige Bandbreite von Sanktionen aufzuerlegen. Nebst vielerlei Handelsbeschränkungen gehörte dazu auch das Einfrieren von finanziellen Mitteln. Insgesamt sollen so nach Angaben des Europäischen Rats Mittel der russischen Zentralbank in Höhe von 300 Milliarden Euro innerhalb der EU und der G7-Länder eingefroren sein.
Parlament von Estland legt vor – russisches Geld soll der Ukraine gehören
Damit hatten die westlichen Länder zwar verhindert, dass Russland dieses Geld für seine Kriegswirtschaft einsetzen kann, aber mehr auch nicht. Die Meinungen waren geteilt – während einige Stimmen den Einsatz der Mittel für die Ukraine verlangten, warnten andere davor, dass die westlichen Länder damit ihre Glaubwürdigkeit als internationale Handelspartner aufs Spiel setzen würden.

Jetzt hat das estnische Parlament am 15. Mai ein Gesetz verabschiedet, das es ermöglicht, eingefrorene russische Vermögenswerte für Reparationszahlungen an die Ukraine zu nutzen. Die Summe der in Estland eingefrorenen russischen Mittel belief sich nach Schätzungen der estnischen Regierung auf rund 38 Millionen Euro. „Wir sind der Schaffung eines historischen Präzedenzfalls in Europa einen Schritt näher gekommen“, zitierte der Kyiv Independent die Premierministerin Kaja Kallas.
Das estnische Parlament ist das erste in Europa, das ein entsprechendes Gesetz verabschiedet hat. Ein Schritt steht dem Gesetz jedoch noch bevor: Der estnische Präsident Alar Karis muss es unterzeichnen. „Russland ist ein Aggressorstaat, und die Last, die durch ihn verursachten Kriegsschäden zu kompensieren, kann nicht der Ukraine und ihren Verbündeten überlassen werden“, erklärte der estnische Gesetzgeber Hendrik Johannes Terras. Russland müsse die Verantwortung für die verursachten Schäden tragen. Seit rund sechs Monaten hatten die estnischen Gesetzgeber den Entwurf diskutiert und immer weiter verfeinert.
Zögern im Westen – Scholz findet Konfiszierung „furchtbar kompliziert“
Die Europäische Union als Ganzes ist bei dem Thema eher zögerlich. Aktuell besteht noch die Sorge, dass sich der Westen bei einem direkten Einzug der Gelder angreifbar für russische Regressforderungen machen könnte. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte das Thema „furchtbar kompliziert“ genannt. Ein zweiter Punkt wären russische Gegenmaßnahmen – allerdings hatte Wladimir Putin bereits bewiesen, sich weniger Sorgen um die internationale Reputation zu machen, und ein Gesetz verabschiedet, dass es Russland erlaubt, westliche Mittel zu konfiszieren.
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Eine ähnliche Gesetzgebung könnte in den USA in Kraft treten. Ende April 2024 hatten die Vereinigten Staaten ein als REPO Act bekanntes Gesetz durchgebracht, das es der Regierung erlauben würde, die eingefrorenen russischen Mittel aus US-Banken abzuziehen und in die Ukraine zu überweisen, damit sie ihr Land wiederaufbauen kann. Innerhalb der USA sollen russische Einlagen im Wert von rund sechs Milliarden US-Dollar liegen. Das berichtete NBC News.
Auf eine Konfiszierung will die EU nach Möglichkeit verzichten – stattdessen hat sie einen Weg gefunden, um zwar das eingefrorene Geld nicht anzufassen, aber die aus ihm entstehenden Gewinne abschöpfen zu können. 90 Prozent der Gewinne aus eingefrorenem russischen Vermögen sollen in einen EU-Fonds fließen, der damit Waffenlieferungen in die Ukraine finanzieren soll. Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtete, sollen daraus innerhalb der nächsten vier Jahre rund 11,5 Milliarden Euro verfügbar werden. Russland hatte früh zugegeben, nicht mit einer Konfiszierung von EU-Mitteln mithalten zu können – dafür hat der Westen zu wenig Kapital dort gelagert – aber Moskau könnte stattdessen privates Vermögen einfrieren. Ob das mit den 300 Milliarden Euro gleichauf liegt, ist nicht bekannt, da Russland die Zahlen nicht preisgibt. (Laernie mit Reuters)