Sanktionen treffen Putins Nerv – Krise für Russlands Wirtschaft?
Der Westen hat Russland mit massiven Sanktionen belegt. Was heißt das für Russlands Wirtschaft? Es zeigen sich neue Effekte.
Moskau – Erst vor wenigen Tagen hatten die USA ein neues Sanktionspaket veröffentlicht, das direkt die Moskauer Börse, eine der wichtigsten russischen Finanzinstitutionen, angegriffen hatte. Außerdem sind neue Sanktionen für das Öltransportunternehmen Sovcomflot im Gespräch. Westliche Sanktionen wirken sich schon seit Monaten immer deutlicher auf Russlands Wirtschaft aus.
USA sanktionieren Moskauer Börse: „Schwerwiegendste Sanktionen seit Öl-Embargo“
Nachdem die USA in einem neuen Sanktionspaket auch die Moskauer Börse aufgeführt hatten, kämpfte diese mit den Konsequenzen der Sanktionen. Unter anderem hatten sie zu einem Aussetzen des Handels der Börse mit Euro und US-Dollar geführt. Das wiederum hatte eine große Zahl von Russen in Panik versetzt; viele hatten versucht, spontan Dollars vor Ort zu erwerben. Wie die Südtiroler Zeitung berichtet, hatte die Maßnahme außerdem zu einem „enormen Rückgang“ des Moskauer Aktienmarktes geführt, und zu einem Wertverlust beim „ohnehin schon schwachen Rubel“.

Die Moskauer Börse hatte schon vorher einen Einbruch erlebt, für den Experten die vom russischen Gaskonzern Gazprom veröffentlichten Zahlen verantwortlich gemacht hatten.
„Die Sanktionen gegen die Schlüssel-Institutionen im russischen Finanzsektor sind die schwerwiegendsten der letzten anderthalb Jahre, seit der Einführung des Öl-Embargos und des Ölpreisdeckels“, zitierte die Nachrichtenagentur Reuters Analysten von BCS World of Investments. Jetzt, wo der Handelsplatz fehle, würden Unternehmen und Banken direkt handeln, was automatisch dazu führe, dass Vorteile wie Liquidität und Übersicht ausblieben. „Die neuen Sanktionen dürften sich auf den Rubel mittelfristig nicht auswirken“, sagte dazu Yuri Popov, ein Stratege von SberCIB Investment Research. „Kurzfristig kann man womöglich hohe Volatilität beobachten.“
Sanktionen gegen Gazprom – Einnahmen aus Putins Gas brechen ein
Ein weiteres Problem für die russische Wirtschaft ist aktuell die Schwäche des Gasriesen Gazprom. Der russische Staat hält große Beteiligungen an dem Unternehmen, die Südtiroler Zeitung geht von einem nahenden Zusammenbruch aus. Ein Grund für die schlechten Zahlen war ein enormer Rückgang der Exportmenge. Dem Thinktank Atlantic Council zufolge hat sich Gazprom diese Entwicklung selbst zuzuschreiben – der Konzern hatte die Gaslieferungen selbst abgeschnitten. Nachdem er sie im Jahr 2021 bereits gedrosselt hatte, folgte 2022 dann eine fast völlige Einstellung aller Lieferungen.
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Angeblich hatten die Russen damals noch darauf gehofft, den EU-Staaten damit im Winter 2022/2023 gewaltige politische und wirtschaftliche Probleme zu bereiten. Das hatte sich am Ende als Fehlentscheidung herausgestellt: Trotz höherer Gaspreise hatte es die EU geschafft, mit genügend Gas durch den Winter zu kommen und gleichzeitig eine Langzeit-Lösung für die Gasimporte gefunden. Das hatte es dem Kontinent ermöglicht, sich weitestgehend von russischen Gasimporten zu lösen und den Staatskonzern Gazprom sogar mit Sanktionen zu belegen.
Erdgas gehört nach Zahlen der Weltbank zu den fünf wichtigsten Exportgütern Russlands. Nach Gazproms eigenen Zahlen sanken die Einnahmen schon in der ersten Jahreshälfte 2023 um rund 41 Prozent, der Profit ging um 71 Prozent zurück und die Gasproduktion um 25 Prozent. Im ersten Quartal 2024 hatte Gazprom, auf das ganze Jahr 2023 gerechnet, einen Nettoverlust von fast sieben Milliarden US-Dollar angezeigt. Während Europa auf andere Länder zurückgreifen kann, um Gas zu beziehen, fehlt Russland schlicht die Infrastruktur, um das jetzt überschüssige Gas zum Beispiel in China abzuliefern.
Rüstungsindustrie hält das Land am Laufen – aber nicht auf Dauer?
Und zuletzt kämpft Russland nach wie vor mit einer hohen Inflation. Im Mai stieg die Inflationsrate auf 8,3 Prozent, der höchste Wert seit Februar 2023. Die Zentralbank peilt eine Inflationsrate von 4,0 Prozent an – davon ist sie also noch weit entfernt. Durch den Preisanstieg ist die Zentralbank gezwungen, die Zinssätze weiter zu erhöhen, um mit der Inflation Schritt halten zu können.
Allgemein prognostizieren die meisten Experten eine eher düstere Zukunft für Russlands Wirtschaft. Zwar hatte Wladimir Putin es geschafft, das Wirtschaftswachstum durch eine rigorose Umstellung auf Kriegswirtschaft zu stützen, aber das zwingt ihn jetzt dazu, den Krieg am Laufen zu halten und gleichzeitig einen großen Teil der heimischen Erzeugnisse buchstäblich auf dem Schlachtfeld zu verfeuern. Auf lange Sicht halten Experten die russische Kriegswirtschaft für nicht nachhaltig. Bereits im Frühjahr hatten Experten eine Frühstufe des „wirtschaftlichen Verfalls“ gesehen, in die Russland eingetreten sein soll. (Laernie mit Material von Reuters)