So schlecht wie Venezuela: Lässt die Ampel Deutschlands Industrie abschmieren?
Deutschlands Wirtschaft büßt an Wettbewerbsfähigkeit ein. Das zeigt das neue IMD-Ranking. In einer Kategorie ist es auf einem ähnlichen Niveau wie Venezuela.
Lausanne – „Deutschland ist schwach darin, auf Veränderungen zu reagieren und sich flexibel anzupassen“, sagte Arturo Bris, Finanzprofessor an der privaten Schweizer Wirtschaftshochschule IMD in Lausanne, gegenüber der FAZ. In diesem Punkt sei das Land auf einem ähnlich schlechten Niveau wie Venezuela. Bris ist Leiter des World Competitiveness Centers (WCC) und verantwortet damit die jährliche Rangliste der wettbewerbsfähigsten Volkswirtschaften der Welt.
Allgemein haben die Schweizer Ökonomen kaum gute Nachrichten für Deutschland. Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft geht im internationalen Vergleich weiter zurück. Im Vergleich zum Vorjahr musste sie zwei Plätze einbüßen und liegt nur noch auf Platz 24. 2021 und 2022 lag Deutschland noch auf dem 15. Rang.
Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft nimmt ab – weit hinter den USA und China
Bei der Rangliste der Wettbewerbsfähigkeit liegt Deutschland damit hinter den USA, China, Saudi-Arabien, Island, Bahrain – und einen Platz vor Thailand. Immerhin: Mit Großbritannien als 28. und Frankreich als 31. liegen weitere große europäische Nationen sind einige europäische Nationen noch schlechter platziert. Die Spitzenpositionen in der IMD-Rangliste belegen Singapur, die Schweiz, Dänemark und Irland.
Platz | Land |
---|---|
1 | Singapur |
2 | Schweiz |
3 | Dänemark |
4 | Irland |
5 | Hongkong |
6 | Schweden |
7 | Vereinigte Arabische Emirate |
8 | Taiwan |
9 | Niederlande |
10 | Norwegen |
12 | USA |
14 | China |
24 | Deutschland |
28 | Großbritannien |
31 | Frankreich |
67 | Venezuela |
Zur Messung der Wettbewerbsfähigkeit haben die IMD-Forscher 164 statistische Indikatoren in den vier Bereichen Wirtschaftsleistung, Infrastruktur sowie Effizienz der Regierung und Unternehmen. Die Daten stammen unter anderem von der Weltbank, vom Internationalen Währungsfonds (IWF) und Euromonitor. Zusätzlich fließen Ergebnisse aus einer Umfrage von mehr als 6600 internationalen Führungskräften ein.
Deutschland verschlechtert sich in entscheidenden Kategorien des IMD-Rankings zur Wettbewerbsfähigkeit
In allen vier Kategorien hat sich Deutschland verschlechtert. Die beste Platzierung belegt das Land noch mit einem 13. Platz bei der Wirtschaftsleistung, hat aber einige Plätze eingebüßt. 2021 lag Deutschland auf dem dritten Rang. Besonders schlecht schätzen die Schweizer Ökonomen die Effizienz der Regierung und Unternehmen ein. Im Bereich der Wissenschaft steht Deutschland mit einem fünften Platz am besten da, auch wenn es im Vergleich zum Vorjahr um zwei Plätze nach unten ging.
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Kategorie | Deutsche Platzierung |
---|---|
Wirtschaftsleistung | 13 |
Effizienz der Regierung | 32 |
Effizienz der Unternehmen | 35 |
Infrastruktur | 20 |
Internationale Manager kritisieren Steuerlast in Deutschland, aber loben Fachkräfte
Auch die befragten Führungskräfte heben das Bildungsniveau und qualifizierte Fachkräfte als Standortvorteile Deutschlands hervor. Weitere von einer Mehrheit genannten positiven Faktoren sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen sowie die politische Stabilität, wobei das laut anderen Umfragen auch ein Kritikpunkt am Wirtschaftsstandort Deutschland war.
Faktoren | Zustimmung in Prozent |
Hohes Ausbildungsniveau | 68 |
Gesetzliche Rahmenbedingungen | 60 |
Gute Fachkräfte | 56 |
Politische Stabilität | 54 |
Funktionierende Infrastruktur | 45 |
Unternehmer-Freundlichkeit | 12 |
Offene und positive Einstellungen | 12 |
Wettbewerbsfähige Kostenstruktur | 11 |
Wettbewerbsfähiges Steuersystem | 10 |
Fähige Regierung | 5 |
Kritikpunkte sind laut der Umfrage hohe Steuern und das relativ hohe Preisniveau. Die Führungskräfte stellen auch der Ampel-Regierung ein schlechtes Zeugnis aus. Lediglich fünf Prozent gaben an, Deutschland habe eine fähige Regierung.
Ukraine-Krieg und träge Akteure als Ursachen für fehlende Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft
Passend dazu macht eben auch IMD-Professor Arturo Bris die Handelnden für die schlechtere Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft mitverantwortlich. Er sieht das Problem jedoch auch bei kleineren und mittleren Unternehmen, die häufig zu langsam agierten und sich schwer damit täten, neue produktivitätsfördernde digitale Technologien in ihre Geschäfte zu integrieren. „Die Firmen müssen viel schneller werden“, sagte Bris der FAZ, die zuerst über die Rangliste berichtet hatte.
Der Frust über die Regierungspolitik mische sich mit einem grundsätzlichen pessimistischen Blick auf die Zukunft. Durch den negativen Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung habe sich die Stimmung verschlechtert, erklärte Bris laut Welt. Das sei ein Grund, dass deutsche Unternehmen zu wenig investieren.
Auch die Folgen des Ukraine-Kriegs spielen laut Bris eine Rolle. Dieser habe die Wirtschaftsleistung gebremst, die Inflation befördert und einen politischen und sozialen Kollateralschaden verursacht. Eine ähnliche Entwicklung beobachten die Forscher auch in Polen, Lettland und Litauen. „Je enger die Beziehungen zu Russland sind, desto stärker hat sich die Wettbewerbsfähigkeit verschlechtert“, zitiert die Welt den Ökonomen. Für die Zeit danach zeigt er sich jedoch optimistisch: „Wenn der Krieg einmal vorbei ist, werden sich die europäischen Volkswirtschaften sofort erholen.“