Hüterin der Erinnerung: Nach Bundesverdienstkreuz-Auszeichnung - Dr. Sybille Krafft im Interview
Seit Jahrzehnten steckt Dr. Sybille Krafft viel Zeit und Herzblut in das Badehaus. Im Interview verrät die Ickingerin, was sie dazu motiviert – und welcher Moment ihr bis heute in Erinnerung geblieben ist.
Wolfratshausen – Ihr Name ist untrennbar mit dem Erinnerungsort Badehaus verbunden: Seit Jahrzehnten setzt sich die Ickingerin Dr. Sybille Krafft mit Nachdruck für den Erhalt von historisch wertvollen Gebäuden und Erinnerungskultur ein. Für ihr Engagement wurde die Historikerin und Journalistin nun wie berichtet mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
Im Gespräch mit Redakteurin Franziska Konrad verrät die 66-Jährige, was sie täglich motiviert, woher sie ihre Inspirationen nimmt – und welcher besondere Moment ihr bis heute in Erinnerung geblieben ist.
Erinnerungsort Badehaus: Chefin mit Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet
Frau Dr. Krafft, Glückwunsch noch einmal zum Bundesverdienstkreuz. Eine würdige Auszeichnung für Ihr Lebenswerk, den Erinnerungsort Badehaus?
Das stimmt. Darüber habe ich mich sehr gefreut. Ich sehe darin eine schöne Anerkennung für meine Arbeit, nicht nur für das Badehaus. Aber der Erinnerungsort spielt darin natürlich eine wichtige Rolle.
Können Sie sich eigentlich noch an Ihren allerersten Badehaus-Moment erinnern?
(lacht) Erinnern kann ich mich daran, als ich 2012 hörte, dass das Badehaus samt Kolpingplatz einem Neubauprojekt zum Opfer fallen sollte. Ich war sehr geschockt und dachte mir: Das darf doch nicht wahr sein, dass man so mit einer historischen Bausubstanz umgeht. Mir tut es in der Seele weh, wenn mit steinernen Zeugnissen der Geschichte bis zum heutigen Tag so unsensibel umgegangen wird.
Mit tut es in der Seele weh, wenn mit steinernen Zeugnissen der Geschichte bis zum heutigen Tag so unsensibel umgegangen wird.
Zumindest in Waldram konnten Sie das verhindern. Zusammen mit Ihren Mitstreitern gründeten Sie zur Rettung den Verein „Bürger fürs Badehaus Waldram-Föhrenwald“, dessen Vorsitzende sie heute sind.
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Zum Glück ist uns das gelungen. Denn es handelt sich um einen wirklich historischen Schatz, den wir hier haben. Diesen aus der Vergessenheit herauszuholen, zu bergen und zu bewahren – das war meine Hauptmotivation für das Projekt. Ich wusste: Wenn wir es als Bürger nicht selbst in die Hand nehmen, sondern warten, bis die Politik die Wichtigkeit dieses Ortes irgendwann begreift, dann sind alle Zeitzeugen tot – und das Gebäude abgerissen. Deshalb mussten wir handeln.
Hätten Sie damals gedacht, dass dieses Projekt so erfolgreich wird?
Nein. Dass es so erfolgreich wird, konnten wir uns vermutlich alle nicht vorstellen. Die historische Bedeutung ist dabei allerdings das eine, das außerordentliche Engagement vieler Bürgerinnen und Bürger das andere. Inzwischen können wir mehr als 55 555 ehrenamtlich geleistete Stunden nachweisen. Ohne diesen großen Einsatz wäre das Badehaus nicht zu dem geworden, was es heute ist.
Ich wusste: Wenn wir es als Bürger nicht selbst in die Hand nehmen, sondern warten, bis die Politik die Wichtigkeit dieses Ortes irgendwann begreift, dann sind alle Zeitzeugen tot - und das Gebäude abgerissen.
Stichwort Engagement: Was schätzen Sie, wie viele Stunden Sie bis heute in die Gedenkstätte investiert haben?
Mit dem Zählen habe ich aufgehört. Entweder man leistet so etwas aus voller Überzeugung, mit ganzem Einsatz, oder man macht es nicht.
Gab es Zeitpunkte, in denen Sie Ihren Einsatz bereuten? In denen Sie dachten: Ich mag nicht mehr.
Bereut habe ich mein Engagement nie. Aber es gab schwierige Phasen, gerade in der Anfangszeit, in der uns sehr viele Steine in den Weg gelegt wurden, etwa von der Politik. Immer wieder gab es Rückschläge bei der Finanzierung des Projekts. Da kann man ab und an schon verzweifeln. Das Gute daran: Wir sind ein wunderbares Team, das sich in solchen Situationen gegenseitig aufbaut. Und dann macht man danach wieder weiter.
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Woher nehmen Sie Ihre Inspirationen für das Badehaus? Gehen Ihnen nicht langsam die Idee aus?
(lacht) An Ideen hat es mir noch nie gemangelt. Eher an der Zeit für die Umsetzung oder am Geld für die Finanzierung. Wenn man sich mit allen Sinnen einem Projekt verschreibt, kommen einem die Themen fast automatisch.
Damals zur Eröffnung sagten Sie: „Unser Kind ist bereit für die Welt. Nun soll es laufen lernen.“ Ist das geglückt?
Heute steckt das Badehaus nicht mehr in den Kinderschuhen. Es wurden nicht nur die ersten Schritte gemacht, sondern ein paar mehr. Aber ausgewachsen ist es noch lange nicht, dieses Kind. Es braucht weiterhin Geleitschutz.
Badehaus in Waldram: Chefin wünscht sich für die Zukunft eine verlässliche Finanzierung
Wie schaut der aus?
Mein größter Wunsch wäre eine stabile, verlässliche Finanzierung, damit wir langfristig planen können. Das Badehaus hat sich inzwischen zu einem mittelständischen Betrieb entwickelt. Den kann man nicht mit Bettelgeldern führen. Da gilt es, eine gewisse Planungssicherheit zu schaffen. Das ist das Allerwichtigste.
Gab es in all den Jahren einen besonderen Augenblick, der Ihnen ganz fest im Gedächtnis geblieben ist?
Da gibt es viele. Der erste besondere Moment war, als wir beim Notar die Schlüssel zum Badehaus bekamen und wussten: „Jetzt gehört das uns.“ Und natürlich die Eröffnung. Über 60 Zeitzeugen aus der ganzen Welt kamen zu diesem Anlass nach Waldram. Als ich sah, was den Zeitzeugen dieser Ort bedeutet, wie gerührt sie waren – das fand ich sehr bemerkenswert. Aber letztendlich steckt das Badehaus für mich voller positiver, inspirierender, glücklicher und berührender Augenblicke. kof
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