Oberallgäu/Kempten: Wie traditionelle Landwirtschaft die Bergwiesen bewahrt

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Kathrin Schratt erklärt, dass die Vernetzung der Weidebereiche sowohl für das Vieh als auch für Schmetterlinge und das Birkhuhn notwendig sind. © Kevin Keiner

Bei einer Exkursion zeigte der Landschaftspflegeverband Oberallgäu-Kempten, warum artenreiche Wiesen nur durch landwirtschaftliche Nutzung erhalten bleiben.

Oberallgäu/Kempten – Vor Kurzem zeigte der Landschaftspflegeverband Oberallgäu-Kempten e. V. (LPV) zusammen mit der Biodiversitätsberaterin des Landkreises, Birgit Marzinzig, rund 20 Interessierten drei besondere Lebensräume rund um das Imberger Horn, die allesamt nur durch die traditionelle landwirtschaftliche Nutzung entstanden sind: artenreiche Streuwiesen, magere Bergweiden und extensive (Berg-)Mähwiesen.

Nach der gemeinsamen Bergfahrt auf das Imberger Horn offenbarte sich bald das charakteristische Allgäuer Landschaftsbild – ein stetiger Wechsel zwischen Wald und Offenland. Angekommen auf den Weideflächen der Strausbergalpe an der Südflanke des Imberger Horns erläuterte Kathrin Schratt vom LPV, dass ohne das menschliche Schaffen keine Mutterkühe hier grasen könnten – die potentielle natürliche Vegetation wäre größtenteils Wald.  

In den letzten 5000 Jahren hat der Mensch zunehmend Wälder in Offenland umgewandelt. Im 19. Jahrhundert erreichte die landwirtschaftliche Nutzung ihre maximale Ausdehnung – das Allgäu zeigte damals einen deutlich offeneren Landschaftscharakter als heute. Die bis heute erhaltenen, traditionell, extensiv genutzten Wiesen und Weiden besitzen eine enorme Artenvielfalt, weshalb sich der Landschaftspflegeverband für ihren Erhalt bzw. Wiederherstellung einsetzt.

Moor- und Artenschutz im Strausbergmoos

Auch das nahegelegene Strausbergmoos war ein Zwischenstopp bei der Tour, denn das Moorgebiet wird wegen seiner hohen ökologischen Wertigkeit gerne als Elitemoor der Bayerischen Alpen bezeichnet und ist gleichzeitig ein Paradebeispiel für die Wirksamkeit von Moor-, Klima- und Artenschutz.

Seit 2012 laufen hier Renaturierungsmaßnahmen – initiiert durch den Landschaftspflegeverband. Dazu zählen die Anhebung des eingetieften Löwenbachs, Anstau von Gräben, Gehölzentnahmen und Mahd von Streuwiesen. Ziel ist es, den Wasserhaushalt zu stabilisieren, wertvolle Streuwiesen zurückzugewinnen und einen funktionierenden Biotopverbund zu schaffen. Aktuell betreut der Verband 4,5 Hektar Streuwiesen im Strausbergmoos. Daneben bewirtschaften zahlreiche ortsansässige Landwirte die angrenzenden Flächen – von spätgemähten Streuwiesen bis hin zu extensiven Bergmähwiesen und Quellfluren.

Pflegeeinsatz am Strausbergsattel – arbeitsintensive Weiden

Die Weideflächen rund um den Strausbergsattel bieten durch ihre räumliche Lage und wechselnde Geologie eine besondere Vielfalt – so finden Arten wie Arnika, Silberdistel oder das Birkhuhn hier einen Lebensraum, erläuterte Kathrin Schratt. Zudem erfüllen sie eine wichtige Trittsteinfunktion zwischen dem Strausbergmoos und dem Retterschwanger Tal. Um diese Funktion weiterhin zu erfüllen, unterstützt der LPV seit 2024 gezielt bei der Schaffung von Korridoren und der Offenhaltung von 1,1 Hektar magerer Weideflächen, die zunehmend von Gehölzaufwuchs bedroht sind. Somit können langfristig die Weidetiere der Strausbergalpe und Schmetterlinge wie der Enzian-Ameisenbläuling von der einen zur anderen Weide wandern.

Wiederbelebung der Gehrenwiesen – Bergmähderarbeit am Steilhang

Als nächstes ging es ins Retterschwanger Tal, wo es ein besonderes Projekt zu sehen gab: die Reaktivierung von rund einem Hektar ehemaliger Bergmähwiese. Seit 2023 engagiert sich hier ein junger Landwirt mit seiner Familie für die Wiederherstellung der sogenannten Gehrenwiesen – ein früher regelmäßig gemähter Steilhang.

„Durch die einstige einschürige Mahd entstanden dort artenreiche Bergmähwiesen – ein heute europaweit geschützter Lebensraumtyp“, erklärte Birgit Marzinzig. Dieser Lebensraum gilt als einer der artenreichsten Pflanzenbestände im Alpenraum, im Allgäu sind viele dieser Flächen inzwischen durch Nutzungsaufgabe verloren gegangen.

Nach über 50 Jahren Brache wurden 2023 Gehölze entfernt und eine einfache Seilbahn für die Heubergung installiert. Im Frühjahr 2024 half eine Ziegenbeweidung, Brombeeren und andere Brachezeiger zurückzudrängen. Die Mahd im Juli und Oktober erfolgte mit Motormähern, Freischneidern und viel Handarbeit – eine echte Herausforderung. Finanzielle Unterstützung gab es dabei vom Landratsamt Oberallgäu und dem LPV.

Und der Einsatz zeigt Wirkung: Erste typische Pflanzenarten, wie die Perücken-Flockenblume, kehren zurück. Das Heu wird im eigenen Betrieb verwertet und langfristig soll die Nutzung über das Bayerische Vertragsnaturschutzprogramm gesichert werden – ein Gewinn für Artenvielfalt und Kulturlandschaft.

Alpwirtschaft mit Herz und Hand – Besuch auf der Sennalpe Mitterhaus

Im Anschluss führte die Exkursion zur Sennalpe Mitterhaus, wo Benedikt Besler seit über zehn Jahren als Pächter die Flächen rund um die Alpe bewirtschaftet und den Teilnehmenden seine Arbeitsweise näherbrachte. Die Milch seiner 20 behornten Kühe verarbeitet er direkt vor Ort zu einer Vielzahl schmackhafter Käsesorten.

Neben seiner eigenen Herde verbringen rund 50 Jungrinder als Pensionsvieh den Sommer auf der Alpe. Nach den interessanten Einblicken in die Geschichte der Alpe und den Alltag ließen sich die Exkursionsteilnehmenden die Brotzeit mit hofeigenen Produkten schmecken.

kb

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