Unstimmigkeiten und Verzögerungen: 15 Jahre Planung für 6,9 Kilometer Sanierung

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Seit 2009 ist geplant, die zwischen Schwabbruck und Schongau Strommasten aus dem Jahr 1956 zu ersetzen. Nächstes Jahr könnte es endlich losgehen. © Hans-Helmut Herold

„Grünes Licht für neue Hochspannungsleitung zwischen Schwabbruck und Umspannwerk Schongau“, lautet die Mitteilung der Regierung von Oberbayern. Was positiv klingen soll, ist eigentlich ein Armutszeugnis.

Wir mussten tief im Archiv graben, um den ersten Artikelt zu dem Thema zu finden. Am 10. November 2010 berichtete die Heimatzeitung, dass es in Schwabbruck, Schwabsoien und Schongau bald „Strommast adé“ heißen könnte. Denn die seit einem Jahr planenden Lechwerke (LEW) wollen zwischen Bidingen und Schongau die Freileitung erneuern und dabei dank veränderter Trassenführung die großen Masten zumindest größtenteils raus aus dem bebauten Gebiet verbannen. Von einem möglichen Baubeginn 2012 war die Rede.

Die damaligen Bürgermeister Erwin Sporrer (Schwabbruck) und Karl-Heinz Gerbl (Schongau) äußerten sich positiv, von „Riesen-Gewinn“ bis zu „weiter sichere Stromversorgung garantiert“ lauteten die Äußerungen. Denn das war der eigentliche Grund für die Pläne: Die 1956 errichtete Leitung sei am Ende und müsse erneuert werden, um weiter sicher und effizient den Strom transportieren zu können.

„Aktuell dauern vergleichbare Projekte in der Hochspannung etwa drei bis vier Jahre“

Wenn die Masten und Leitungen schon 2010 marode waren, was ist dann jetzt, 15 Jahre später? Das sei noch im Rahmen, sagt LEW-Sprecher Ingo Butters. Es gehe vor allem auch um höhere Anforderungen der Eislast. Allerdings sei das Projekt eines der langwierigsten des Unternehmens überhaupt. „Aktuell dauern vergleichbare Projekte in der Hochspannung etwa drei bis vier Jahre, und selbst diese Verfahrensdauer ist noch zu lang“, so Butters. Was um Himmels willen ist dann so schiefgelaufen, dass es für die Leitung im Schongauer Land so lange dauerte?

„Zunächst war geplant, den gesamten Leitungsabschnitt von Bidingen nach Schongau in einem Genehmigungsverfahren umzusetzen“, sagt Butters. Dafür fanden auch „intensive Abstimmungsgespräche“ mit den Gemeinden statt. Doch der Knackpunkt war die geplante neue Leitungstrasse außerhalb der Gemeinden: Als die LEW 2014 – da war schon fünf Jahre geplant worden – ins Planfeststellungsverfahren einstieg, wurde schnell klar, dass die Gemeinde Schwabbruck nicht wirklich begeistert war, dass die Masten nicht mehr im Ortsbereich stehen, aber dafür den Bergblick verschandeln.

„Es zeichnete sich ab, dass das so nicht umsetzbar war“, sagt Butters. Also wurde die Planung aufgeteilt und der unproblematische Bereich auf der Bestandstrasse Bidingen-Schwabbruck extra angegangen. Der ist seit 2020 abgeschlossen worden, also knapp fünf Jahre nach dem Planungs-Neustart.

Leitung sollte unter die Erde

Im anderen Bereich ging es dafür erst richtig los. Es gab Bürgerinformationen in Schwabbruck, Schwabsoien und Altenstadt, und schnell stellte sich heraus, dass sich die Verantwortlichen vor Ort Erdkabel statt der Freileitungen wünschen. Weil das natürlich deutlich teurer ist und die LEW laut Butters „zu einer möglichst sicheren und gleichzeitig preisgünstigen Stromversorgung“ verpflichtet sei, wurde lange gerungen und gefeilscht. Auch die Gemeinden gerieten bei dem Thema aneinander, denn sie sollten sich an den Mehrkosten beteiligen.

Letztlich zahlte nur Altenstadt 500 000 Euro, um die Kabel in die Erde zu bringen, die Entscheidung fiel 2019. „Das ist es uns wert“, hatte der damalige Bürgermeister Albert Hadersbeck gesagt. Obwohl die Preissteigerung in diesem fünf Jahren enorm war, muss die Gemeinde aber keine Angst haben: „Eine nachträgliche Erhöhung dieser Kostenbeteiligung ist nicht vorgesehen“, sagte Butters. Im Februar 2020 stimmte Schwabsoien als letzte Gemeinde der minimal geänderten Trassenführung zu, von einem frühestmöglichen Baubeginn im Septemnber 2021 war da die Rede.

Es sollte anders kommen. „In Gesprächen mit Behörden wurden die Planungen auch im Hinblick auf alle naturschutzfachlichen Belange sowie entsprechende Ausgleichsmaßnahmen ausgearbeitet“, sagt Butters. Erst im Mai 2023 hätten die Planungen für das Planfeststellungsverfahren eingereicht werden können, das jetzt nach rund eineinhalb Jahren abgeschlossen ist.

Übrigens: Noch kann gegen den Planfeststellungsbeschluss, der zwischen 6 und 19. November im Internet der VG Altenstadt und der Stadt Schongau veröffentlicht wird, Klage erhoben werden. Daran will Butters aber lieber nicht denken. Er rechnet mit einem Baubeginn 2025 – das ursprünglich angefügte „Frühjahr“ hat er lieber weggelassen.

„Zentrale Bedeutung“

Ingo Butters, Sprecher der Lechwerke, ist selbst nicht begeistert darüber, dass das so ewig gedauert hat. Denn die 110-kV-Leitung zwischen dem Umspannwerk Bidingen und dem Umspannwerk Schongau sei „von zentraler Bedeutung für die Stromversorgung der Region“: Hier gebe es besonders viel dezentrale Stromerzeugung (Wasserkraft am Lech, PV-Anlagen, Windkraft, auch dezentrale Erzeugung großer Unternehmen), die über die Leitung vor allem nach Bidingen geführt wird. „Dieses Umspannwerk verbindet das regionale Verteilnetz mit dem europäischen Übertragungsnetz. Überschüssiger Strom kann an dieser Stelle abtransportiert werden bzw. Strom aus dem Übertragungsnetz bezogen werden“, so Butters.

„Nur wenn wir die Stromnetze genauso schnell ausbauen wie die erneuerbaren Energien, können wir den wertvollen Strom aus regenerativer Erzeugung auch aufnehmen und weiter transportieren“, sagt Butters. Der Gesetzgeber habe bereits festgestellt, dass das im überragenden öffentlichen Interesse sei. „Dies muss jetzt übersetzt werden in weitere konkrete gesetzgeberische Maßnahmen zur Beschleunigung der Genehmigungsverfahren“, fordert Butters.

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