Die Schleusen am Isarkraftwerk in Bad Tölz waren zuletzt acht Wochen am Stück geöffnet. Die Stadtwerke schätzen den Verlust auf über 100.000 Euro. Und das Ökoystem wird Jahre brauchen, um sich zu regenerieren.
Bad Tölz – Es war ein Anblick, den man nicht alle Tage zu sehen bekommt: Knapp zwei Monate lang gab es in Bad Tölz zuletzt keinen Stausee. Stattdessen floss die Isar in dem Bereich ungehindert weiter, sie zeigte sich als der natürliche Fluss, der sie eigentlich ist. Seit der vorvergangenen Woche nun wird das Wasser am Isarkraftwerk wieder wie gewohnt aufgestaut. Die Stadtwerke als Kraftwerksbetreiber zeigen sich erleichtert. Die Fischer unterdessen werden noch eine Weile mit der Aufarbeitung beschäftigt sein.
Eine sogenannte Staulegung am Isarkraftwerk ist eigentlich nichts Ungewöhnliches. Das Wasserwirtschaftsamt ordnet diese Maßnahme je nach Witterungslage an, wie Stadtwerke-Geschäftsführer Wolfgang Stahl erläutert. „Dies ist in der Regel einmal im Jahr routinemäßig der Fall und hängt von verschiedenen Faktoren ab“, sagt er. Bei einem hohen Pegelstand der Isar werden die Wassermassen genutzt, um durch die geöffneten Kraftwerksschleusen Kies isarabwärts weiterzutransportieren. So werde „eine vermehrte Ablagerung im Stauseebereich vermieden“, sagt Stahl. In den vergangenen Jahren war auch schon zu beobachten, dass der Kies aus der Isar mit Lastwagen abtransportiert werden musste, wenn keine Staulegung möglich war.
Bad Tölz: Stromproduktion am Kraftwerk gestoppt
Normalerweise ist die Schleusenöffnung nach ein paar Tagen wieder vorbei. Heuer war es anders. Wie berichtet führte parallel ein Starkregenereignis zu einem Hangrutsch neben der Kreisstraße Töl7. „Um die unaufschiebbaren Reparaturarbeiten durchführen zu können, musste der Pegel am Stausee mittels Staulegung weiterhin niedrig gehalten werden“, so Stahl. Erst vor knapp zwei Wochen waren die Bauarbeiten so weit fortgeschritten, dass die Stadtwerke wieder aufstauen und „langsam die Turbinen am Kraftwerk anlaufen lassen dürfen“, so der Geschäftsführer. „Das heißt, es wurde anfangs rund ein Meter pro Stunde aufgestaut, wobei gleichzeitig die Mindestmenge an Wasser-Durchfluss nicht unterschritten werden durfte.“
Die Erleichterung bei den Stadtwerken über das Anlaufen der Turbinen sei nun „sehr groß“, sagt Stahl. „Denn in diesen knapp zwei Monaten konnte am Isarkraftwerk kein Strom produziert werden.“ Der finanzielle Verlust lasse sich noch nicht abschließend beziffern. Der Geschäftsführer schätzt ihn aber grob auf einen niedrigen sechsstelligen Euro-Betrag.
Auswirkungen auf den Strompreis, den die Stadtwerke-Kunden bezahlen, habe das Ganze aber nicht, versichert Stahl. „Der am Isarkraftwerk produzierte Strom wird nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz vermarktet, die Strommengen für unsere Kunden werden über langfristige Lieferverträge abgesichert. Es entstehen somit durch den Ausfall keine Mehrkosten für unsere Kunden.“ Die wochenlange Staulegung habe auch „keinerlei Einfluss auf die krisensichere Stromversorgung in Bad Tölz“ gehabt.
Absenkung des Stausees vermindert den Fischbestand
Durchaus Nachwirkungen verzeichnen unterdessen die Fischer. Der Stausee sei eine wichtige Brutstätte für viele Fische, erklärt Florian Bomhard, Kassier des Bezirksfischereivereins Bad Tölz. Sind nun die Schleusen des Isarkraftwerks länger geöffnet, treiben viele Fische mit dem Wasser flussabwärts Richtung München. „Umso länger die Staulegung dauert, umso schlechter ist es für uns, weil wir Fische verlieren“, sagt Vorsitzender Florian Herzinger. Dabei handle es sich neben dem natürlichen Aufkommen auch um Fische, die die Vereinsmitglieder vorher selbst in der Isar eingesetzt haben – und zwar nicht nur, um sie nachher wieder herausfischen zu können. „Es sind auch Arten dabei, die gar nicht gefangen werden dürfen, wie Äschen, Barben oder Nasen.
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Dazu komme, dass bei einer so langen Staulegung auch viele Kleinorganismen sterben, wenn Bereiche, die sonst unter Wasser liegen, trocken sind, wie Bomhard erklärt. „Der natürliche Bestand wird durcheinandergewürfelt“, sagt Herzinger. Auf die Dauer werde sich alles wieder einpendeln. Vom Sylvensteinsee her bringt die Isar neue Fische, sie finden neue Unterschlupfmöglichkeiten. Manche hätten sich auch in Gumpen unterhalb des Kraftwerks gesammelt und würden die Fischaufstiegshilfen nutzen, um am Kraftwerk vorbei wieder flussaufwärts zu kommen. Insgesamt aber, so schätzt Herzinger, werde es drei bis fünf Jahre dauern, bis sich das örtliche Ökosystem wieder regeneriert hat.
Fischer bemühen sich um neuen Besatz
Bis dahin heißt es für den Fischereiverein erst einmal: neue Fische einsetzen, zum Beispiel Regenbogenforellen. Das aber ist mit Kosten verbunden – zumal, wie Bomhard hinweist, die nötigen Tiere aufgrund erschwerter Zuchtbedingungen aktuell nicht einfach zu bekommen seien. „Das wird nicht ganz so schnell gehen.“ Ein verringertes Aufkommen bedeutet für den Verein in der Zwischenzeit auch geringere Einnahmen, da weniger Fischereikarten verkauft werden.
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Eine Regel für eine finanzielle Entschädigung gibt es nicht. „Natürlich wäre es schön, wenn wir einen Ausgleich bekämen“, sagt Herzinger. Vorwürfe machen die Fischer aber keinem. Es sei klar, dass der Stausee prinzipiell nicht natürlich sei, sondern zum Zweck der Energiegewinnung bestehe. „Da können wir nicht sagen, den darf man nicht ablassen“, sagt Bomhard. Herzinger lobt auch die gute Kommunikation durch das Wasserwirtschaftsamt.
Und schlussendlich kann er der Staulegung sogar etwas Positives abgewinnen. Es sei auch „spannend“ gewesen, die Isar einmal in diesem natürlichen Zustand zu sehen. Es seien Bereiche begehbar gewesen, die sonst unter Wasser liegen. „Da haben sich interessante Blickwinkel eröffnet.“ Unterm Strich aber, so Herzinger, „überwiegen aus Fischersicht die negativen Aspekte“. (ast)