Ärger mit der Deutschen Bahn: Kasseler war stundenlang unterwegs – am Ende auf eigene Kosten im Taxi

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Erinnert sich noch gut an seine Zugreise im Februar: Ingo Groß vor dem RE 30, mit dem er vor ein paar Monaten erst mit stundenlanger Verspätung am Bahnhof Wilhelmshöhe ankam. © Daria Neu

Stundenlang war Ingo Groß mit der Bahn von Frankfurt nach Kassel unterwegs. Nach langem Warten nahm er ein Taxi. Erstattet wurden ihm die Kosten dafür nicht.

Kassel – Die Bahnfahrt von Frankfurt nach Kassel im vergangenen Februar wird Ingo Groß wohl nicht mehr so schnell vergessen. Wenn man es überhaupt Bahnfahrt nennen kann. Denn einen erheblichen Teil der Reise hat der Kasseler Rechtsanwalt, der vor rund 20 Jahren auch Bürgermeister der Stadt war, eigentlich mit Warten oder im Taxi verbracht.

Dieses mussten der 76-Jährige und weitere Mitreisende am Ende sogar selbst bezahlen. Und das, obwohl die Deutsche Bahn zwischenzeitlich Ersatzbusse zugesichert habe, von denen es jedoch keine Spur gegeben habe, berichtet Groß.

Wegen eines Unfalls: Kurz vor Gießen kommt der Zug zum Stehen

Am Freitag, 9. Februar, gegen 17 Uhr war Groß noch zuversichtlich. „Ich hatte mir in Frankfurt eine Ausstellung angesehen. Nachmittags sollte es dann mit dem RE 30 zurück nach Kassel-Wilhelmshöhe gehen“, erzählt er. Pünktlich rollte der volle Zug dann auch los. „Alles prima“, erinnert sich Groß. Kurz vor Gießen dann aber der Beginn der Misere: „Wegen eines Unfalls kam die Durchsage, dass der Zug nicht mehr Richtung Marburg weiterfahren könne.“

Mit einem Ersatzbus sollten die Fahrgäste nun weiterfahren. Groß sagt: „Die meisten sind ausgestiegen. Ich und vereinzelt auch andere sind aber erst einmal sitzen geblieben.“

Ingo Groß: Versprochenen Ersatzbus „haben wir nie gesehen“

Und tatsächlich – nach etwa einer Stunde ging es weiter nach Lollar, eine Kleinstadt etwa 80 Kilometer von Frankfurt entfernt. „Da war dann aber endgültig Schluss.“ Wieder sollte ein Ersatzbus vor Ort Abhilfe schaffen. „Den haben wir nie gesehen“, sagt Groß. Mittlerweile war es Abend und stockdunkel. Mitten im Nirgendwo hätten Groß und knapp 20 weitere Fahrgäste dann erst einmal gewartet. Und gewartet. Und gewartet.

Als nach einiger Zeit trotz des Versprechens des Zugführers nach Angaben von Groß immer noch kein Bus um die Ecke bog, entschied sich die Gruppe dazu, ein Taxi zu rufen. Schließlich waren es noch gut eineinhalb Stunden bis nach Hause. „Nach der langen Wartezeit kam einem das Taxi dann wie Gottes Erleuchtung vor.“

Taxifahrt kostet 90 Euro – Keine Rückerstattung vonseiten der Bahn

Die Taxifahrt nach Marburg, von wo aus es dann nach weiteren Irritationen und Gleiswechseln wenigstens wieder mittels Zug nach Kassel ging, kostete die Gruppe 90 Euro. 50 Euro davon übernahm Groß. Die hat er bis heute nicht wiedergesehen.

Die Begründung der Bahn, die der Redaktion schriftlich vorliegt, und erst Wochen später zugesandt wurde, lautet wie folgt: „Die Kosten für die Nutzung eines alternativen Verkehrsmittels bis zum Zielbahnhof Ihrer Fahrkarte werden Ihnen erstattet, wenn Ihre planmäßige Ankunftszeit in den Zeitraum zwischen 0 und 5 Uhr fällt.“ In diesem Zeitraum müsse dann noch eine Verspätung von mindestens einer Stunde vorliegen.

Eine stundenlange Verspätung gab es in jedem Fall. Zwischen 0 und 5 Uhr lag sie nicht. Groß kann das Ganze trotzdem nicht fassen. „Die Bahn gibt Fehlinformationen während der Fahrt. Man muss sich selbst durchschlagen, rennt dem Zugführer hinterher.“ Und dann gebe es noch nicht mal eine Erstattung. „Mir geht es nicht um die 50 Euro“, sagt der 76-Jährige. Die Art der Kommunikation finde er aber katastrophal.

Bahn schildert Vorfall anders: Ersatzbusse seien im Einsatz gewesen

Die Deutsche Bahn schildert die eingeschränkte Zugfahrt von Frankfurt nach Kassel am 9. Februar auf Anfrage etwas anders als Ingo Groß aus Kassel. Eine Sprecherin bestätigt, dass der Störfall seinerzeit massive Auswirkungen auf den Bahnbetrieb gehabt habe. Es handelte sich um einen Personenunfall.

„Die Bundespolizei sperrt in solchen Fällen erst einmal die Gleise und erst nach den Ermittlungen werden diese wieder freigegeben.“ Der RE 30 habe in dieser Zeit in Gießen gestanden und die Station mit rund 80 Minuten Verspätung verlassen.

Eine Sprecherin der Deutschen Bahn erklärt: „Um möglichst viele Fahrgäste an ihr Ziel zu bringen, hielt der Zug zusätzlich um 19.31 Uhr in Lollar und fuhr dann weiter nach Marburg und Stadtallendorf, wo die Fahrt endete.“ Dort hätten die Kunden die Möglichkeit gehabt, auf den folgenden Zug umzusteigen, um gegen 21.30 Uhr in Richtung Kassel zu fahren.

Die Sprecherin betont: „Zusätzlich wurde ein Busnotverkehr zwischen Gießen und Marburg bestellt, wo auch auf alternative Verkehrsmittel und Verbindungen umgestiegen werden konnte.“ Nach nochmaliger Prüfung – da sowohl Groß als auch weitere Mitreisende nach eigenen Angaben keinen Bus gesehen haben – sichert sie zu: „Wir haben es nochmals prüfen lassen und es waren drei Busse im Einsatz.“

Bahnsprecherin: „Dauert, bis wir Busse und Fahrer vor Ort haben“

Die Sprecherin räumt insgesamt ein, dass die Informationslage in solchen Fällen meist leider etwas unübersichtlich sei – auch für die Kundenbetreuer. Außerdem: „Auch wenn wir ein großes Netz an Dienstleistern haben, dauert es natürlich immer, bis wir ad hoc Busse und auch Fahrer vor Ort haben.“

Stelle das Eisenbahnunternehmen ein anderes Verkehrsmittel zur Verfügung, so habe dessen Nutzung aber grundsätzlich Vorrang vor einer selbst organisierten Alternative. „Sollten Sie dennoch eine selbstorganisierte Alternative nutzen, können Sie keinen Ersatz der Kosten verlangen, soweit Sie sich nicht erfolglos um Kontaktaufnahme vor Ort mit der Informationsstelle des Eisenbahnunternehmens oder Personal des genutzten Zuges bemüht haben.“ Im Antwortschreiben an Groß selbst, in dem sie seinen Antrag ablehnte, nannte die Deutsche Bahn dieses Argument nicht. (Daria Neu)

Während der Fußball-EM in Deutschland erntet die Deutsche Bahn auch von internationalen Fahrgästen Hohn und Spott.

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