Personal kontrolliert mitgebrachte Tasche im Supermarkt - was erlaubt ist
Die 61-jährige Kabarettistin Karen Sharman sorgte jüngst in England für Furore - nicht wegen eines besonders gelungenen Gags, sondern aufgrund eines viral gegangenen Videos von ihrem Einkauf bei Aldi im Küstenort Brighton.
Sharman, die in der Szene als Dolly Rocket bekannt ist, berichtet der "Daily Mail", dass ein älterer Herr vor ihr noch problemlos hätte zahlen dürfen. Sie jedoch nicht. Die Kassiererin verlangte Sharman zufolge: "Ich muss in Ihre Tasche schauen."
"Wie bitte?", erwiderte Sharman nach eigener Aussage verblüfft. Die Antwort der Kassiererin: "Das ist Vorschrift." Sharman weigerte sich und betonte: "Ich möchte nur meine Einkäufe kaufen - es gibt keinen Grund, warum Sie in meine Tasche schauen sollten."
Taschenkontrolle im Aldi in Brighton schaukelt sich hoch
Die Situation eskalierte in der Folge, als Sharman den Filialleiter verlangte und begann, die Szenerie mit ihrem Handy zu filmen. Das resultierende Video verbreitete sich blitzschnell und erreichte Hunderttausende Aufrufe auf Facebook, Instagram und Co..
Mitarbeiter empfinden "schreckliches Gefühl", wenn sie Taschen kontrollieren
Laut der "Daily Mail" führte Aldi 2023 in einzelnen britischen Filialen Taschenkontrollen auf freiwilliger Basis ein. Ein Angestellter schrieb zu dem Prozedere laut dem Bericht in einer internen Facebook-Gruppe: "Es ist ein schreckliches Gefühl, die Kunden fragen zu müssen."
Aldi, wo jüngst massenweise die Preise in Deutschland purzelten, ist demnach aber nicht das einzige Unternehmen mit solchen Maßnahmen. Auch andere große Supermärkte auf der Insel setzen auf ähnliche Kontrollen, um sich vor Ladendiebstahl zu schützen.
Als private Einrichtungen können sie Kunden per Hausrecht auffordern, Taschen abzugeben oder eine Kontrolle zuzulassen. Aber ohne Zustimmung oder konkreten Diebstahlsverdacht ist nach nationalem Recht eine Durchsuchung unzulässig. Gleichzeitig kann die Verweigerung zu einem Zutrittsverbot führen.
Aldi Nord erklärt Vorgehen bei Taschenkontrolle in Deutschland
Doch wie ist die Lage in Deutschland? Darf Personal im Supermarkt oder Discounter Taschen ansatzlos kontrollieren? Aldi Nord teilt dazu auf Anfrage von FOCUS online mit: "Wir schulen unser Personal intensiv auf verschiedene Szenarien, die im Arbeitsalltag stattfinden können. Dazu gehört auch der der richtige Umgang in Konfliktsituationen. Unsere Mitarbeitenden dürfen aus rechtlichen Gründen keine Taschenkontrollen durchführen. Bei etwaigem Verdacht rufen wir die Polizei hinzu, die anschließend kontrollieren darf."
Diese Vorgehensweise bestätigt die Verbraucherzentrale. Kunden müssen dieser Aufforderung grundsätzlich nicht nachkommen, selbst wenn ein Schild im Geschäft darauf hinweist.
Fünf Fakten zu Taschenkontrollen in deutschen Supermärkten
- Ohne Verdacht unzulässig: Taschenkontrollen in Supermärkten sind grundsätzlich verboten, es sei denn, es liegt ein konkreter Diebstahlsverdacht vor, da sie sonst einen unzulässigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellen.
- Nur Polizei darf Taschen durchsuchen: Selbst bei Verdacht dürfen Supermarktmitarbeiter oder Ladendetektive die Tasche nicht durchsuchen. Dies ist allein der Polizei erlaubt, die bei begründetem Tatverdacht gerufen werden muss.
- Hinweisschilder unwirksam: Schilder wie „Wir behalten uns Taschenkontrollen vor“ rechtfertigen keine stichprobenartigen Kontrollen, da solche AGB-Klauseln gegen gesetzliche Grundsätze verstoßen und rechtlich unwirksam sind.
- Hausrecht erlaubt Abgabe: Supermärkte können Kunden per Hausrecht auffordern, Taschen am Eingang abzugeben, sofern diese bewacht oder in Schließfächern gesichert werden, aber eine Kontrolle bleibt ohne Verdacht untersagt.
- Folgen bei Verweigerung: Weigert sich ein Kunde bei unbegründeter Kontrolle, kann der Supermarkt ein Hausverbot aussprechen. Der Geschäftsinhaber hat das Recht, im Rahmen seines Hausrechts eigenständig zu bestimmen, wer Zutritt zu seinem Laden erhält und wer nicht.
Wenn Kunden ohne Grund festgehalten werden, handeln Geschäftsinhaber und deren Mitarbeitenden laut Verbraucherzentrale widerrechtlich. In solchen Fällen könnten Betroffene bei der Polizei sogar Strafanzeige erstatten.

Ladendiebstähle in deutschen Supermärkten: Zahlen für 2023 und 2024 erstaunen
Die Angst der Geschäftsinhaber vor Ladendiebstählen ist indes nicht unbegründet, wie ein Blick auf die Daten zeigt. Im Jahr 2023 erlebte Deutschland einen erheblichen Anstieg der polizeilich registrierten Ladendiebstähle um 23,6 Prozent auf insgesamt 426.096 Fälle. Besonders betroffen waren Supermärkte und Discounter, wie das EHI Retail Institute in seinem Bericht „Inventurdifferenzen 2023“ feststellte. Der dadurch entstandene Schaden belief sich auf 2,8 Milliarden Euro.
Für das Jahr 2024 weist die polizeiliche Kriminalstatistik jedoch einen Rückgang aus: Die gemeldeten Fälle von einfachem Ladendiebstahl sanken um 4,9 Prozent, und die von schwerem Diebstahl verringerten sich um 6,8 Prozent im Vergleich zu 2023. Trotz dieses Rückgangs blieb der Schaden im Handel laut dem Handelsverband Deutschland (HDE) weiterhin über 2 Milliarden Euro.
Zu den beliebtesten Diebesgütern in Supermärkten im Jahr 2023 gehörten laut EHI Retail Institute Spirituosen, Tabakwaren, Rasierklingen, Energydrinks, Babynahrung und Kaffee. Diese Zahlen verdeutlichen auch die hohe Dunkelziffer von etwa 24 Millionen unentdeckten Fällen – das bedeutet rund 100.000 pro Tag.