Trotz Abhör-Blamage: Großbritannien will Scholz weiterhin einen Ausweg aus dem Taurus-Dilemma bieten

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Olaf Scholz lehnt die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine weiter ab. (Collage aus Symbolbildern) © Collage: IMAGO / Westlight // IMAGO / photothek

Die Taurus-Debatte spaltet Deutschland, doch Großbritannien könnte eine Lösung bieten. Ein Ringtausch steht weiter im Raum – trotz des Abhör-Ärgers.

Berlin – Um das deutsch-britische Verhältnis war es in den vergangenen Tagen nicht zum besten bestellt. Schuld war ausgerechnet der deutsche Kanzler. Etwas zu freimütig hatte Olaf Scholz (SPD) nämlich darüber geplaudert, dass Großbritannien womöglich der Ukraine nicht nur Langstreckenraketen liefert, sondern auch gleich die Zielerfassungsdaten mitschickt.

Für den deutschen Regierungschef wäre das aber ein No-Go, weswegen er lieber keine deutschen Taurus-Raketen in das Kriegsland bringen lassen will. Die Plauderei des Kanzlers kam beim Nato-Partner gar nicht gut an. Doch trotz dieses diplomatischen Zwischenfalls wollen die Briten kooperativ bleiben.

Streit um Taurus-Lieferungen in die Ukraine: Großbritannien wiederholt Angebot für einen Ringtausch

Angesichts der Bedenken von Olaf Scholz (SPD) bei der Lieferung von Taurus-Raketen an die Ukraine hat Großbritannien dem Kanzler jetzt erneut einen Ausweg angeboten. So zeigte sich Außenminister David Cameron weiterhin entschlossen, „engstens mit unseren deutschen Partnern zusammenzuarbeiten, um der Ukraine zu helfen“, wie er der Süddeutschen Zeitung sagte. Vor diesem Hintergrund hält Cameron auch einen Ringtausch weiterhin für möglich, der die Bedenken von Scholz gegen die Waffenlieferungen zerstreuen könnte.

Bei einem solchen Tausch würde Deutschland Taurus-Marschflugkörper an Großbritannien abgeben – und London seinerseits weitere Flugkörper vom Typ Storm Shadow an die Ukraine liefern. Deutschland könnte die Ukraine damit indirekt unterstützen, ohne dass Taurus-Marschflugkörper mit ihrer hohen Reichweite ins Kriegsgebiet geliefert würden. „Wir sind bereit, uns alle Optionen anzuschauen, um den maximalen Effekt für die Ukraine zu erzielen“, sagte Cameron. Er werde aber „keine Details nennen und unseren Gegnern verraten, was wir vorhaben“.

Zu große Reichweite im Ukraine-Krieg: Scholz lehnt Lieferung der Taurus-Marschflugkörper ab

Scholz lehnt die Lieferung der Taurus-Raketen mit einer Reichweite von 500 Kilometern an die Ukraine ab, weil er befürchtet, dass Deutschland damit in den Krieg hineingezogen werden könnte. Deutschland könne „nicht tun, was an Zielsteuerung und Begleitung der Zielsteuerung vonseiten der Briten und Franzosen gemacht wird“, hatte er seine Ablehnung begründet – und damit einen internationalen Aufschrei produziert. Dies wurde von einigen als Zeichen dafür verstanden, Scholz traue den Ukrainern nicht, die Raketen verantwortungsvoll einzusetzen. 

Cameron wies die von Scholz geäußerte Sorge zurück, die Lieferung von Marschflugkörpern könne zu einer Eskalation des Krieges führen. Es sei „absolut möglich, Beschränkungen beim Einsatz dieser Waffen festzulegen, um sicherzustellen, dass sie in keiner Weise zu einer Eskalation beitragen. Und das tun sie auch nicht“, sagte er. Großbritannien vertraue entsprechenden Zusicherungen der Ukraine. Man sei zufrieden mit den Arrangements, die man getroffen habe. 

Über einen Taurus-Ringtausch wird schon länger nachgedacht. Schon im Januar gab es nach dpa-Informationen Überlegungen, Nato-Partnern wie Großbritannien oder Frankreich Taurus-Raketen der Bundeswehr zu liefern. Medienberichten zufolge bot Großbritannien bereits Wochen zuvor an, der Ukraine im Gegenzug weitere seiner Storm-Shadow-Raketen zu überlassen. Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter rief dazu auf, ein Ringtausch-Angebot anzunehmen. Die beste Lösung wäre eine direkte Taurus-Lieferung, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Aber bevor die Ukraine gar keine weiteren Marschflugkörper bekommt, ist der Ringtausch eine Möglichkeit.“ Scholz dürfe „dem nicht auch noch im Wege stehen“. 

Taurus-Streit: Unerwartete Rückendeckung von Laschet für den Kanzler

Damit bleibt die Taurus-Frage weiter umstritten in der Ampel-Koalition. Denn während Teile der Grünen und der FDP eine Lieferung für machbar halten, steht die SPD weiter auf der Bremse. In der kommenden Woche will die Union noch einmal einen Antrag in den Bundestag einbringen und über die Frage abstimmen lassen. Doch ob CDU und CSU wirklich geschlossen hinter dem Vorhaben stehen und zusammen mit Grünen und FDP eine Mehrheit erringen können, bleibt abzuwarten. Denn am Wochenende machten sich erstmals auch Bedenken in den Reihen der Opposition bemerkbar.

So zeigte der frühere Kanzlerkandidat Armin Laschet jedoch durchaus Verständnis für die Haltung von Scholz. „Die grundsätzliche Position des Bundeskanzlers, mit Bedacht und Besonnenheit zu handeln, um nicht Kriegspartei zu werden, finde ich richtig“, sagte Laschet dem Kölner Stadtanzeiger. Die Bedeutung von Taurus-Lieferungen für den Kriegsverlauf werde überhöht. „Ich halte es für viel wichtiger, dass wir der Ukraine die bereits zugesagten Waffen und Munition auch tatsächlich und schneller liefern. Darauf muss Verlass sein“, sagte Laschet.

Taurus-Leak bei der Bundeswehr: Russland mischt in der Debatte kräftig mit

Doch die Bundesregierung steht von allen Seiten unter Druck. Während die Ukraine vehement neue Waffen und Munition fordert, verschärft auch Russland die Attacken. Am vergangenen Wochenende war eine Besprechung von vier Bundeswehr-Generälen geleakt worden. Darin erörterten die Militärs die Möglichkeit einer Lieferung und mögliche Einsatzziele – für den Kreml war dies eine Steilvorlage. Seit dem vergeht kein Tag, an dem Russland nicht vor einer deutschen Einmischung in den Ukraine-Krieg warnt und mit Vergeltung droht. Für Scholz ist die Entscheidung für eine Lieferung nicht einfacher geworden. (jkf/mit Material der dpa)

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