Polen unterstützt Vorstoß zu Nato-Truppen in der Ukraine – Säbelrasseln an der Ostflanke?
Nato-Truppen in der Ukraine: Polen hat sich nun offen für den Gedanken gezeigt. Derweil werden im Baltikum neue Waffen gegen Russland installiert.
Warschau – Lange Zeit galt der Gedanke als Tabu. Doch nach zwei Jahren Ukraine-Krieg wird inzwischen laut über Nato-Truppen in der Ukraine nachgedacht. Nach dem Vorstoß von Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron und der deutlichen Absage des deutschen Bundeskanzlers positioniert sich nun ein weiteres EU-Land. „Die Präsenz von Nato-Truppen in der Ukraine ist nicht undenkbar. Ich begrüße die Initiative von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron“, schrieb der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski am Freitag auf X (vormals Twitter). Die Frage nach eigenen Bodentruppen in der Ukraine entzweit einmal mehr die Bündnispartner und könnte für weitere Spannungen sorgen.
Nato-Truppen in der Ukraine: Polen zeigt sich für Macrons Aussagen offen
Emmanuel Macrons Aussage zu Nato-Truppen in der Ukraine hatte im vergangenen Monat eine umfassende Debatte angestoßen. „Es gibt heute keinen Konsens darüber, offiziell Bodentruppen zu entsenden“, erklärte der französische Politiker am 26. Februar. „Aber in der Dynamik darf nichts ausgeschlossen werden. Wir werden alles tun, was nötig ist, damit Russland diesen Krieg nicht gewinnen kann.“ Viele Nato-Mitgliedsstaaten sprachen sich in der Folge deutlich gegen einen Nato-Einsatz im Ukraine-Krieg aus, aber für umfassende Waffenlieferungen. Trotz der Kritik hält Macron derweil an seinen Überlegungen fest. „Jedes Wort, das ich zu diesem Thema, sage, ist abgewogen, durchdacht und besonnen“, sagte er diese Woche dem Sender BFMTV.
Dass sich nun der polnische Außenminister offen für entsprechende Überlegungen zeigt, bringt eine neue Dynamik in die Debatte. Das Land, das seit 1999 Mitglieder der Nato ist, gilt inzwischen aufgrund seiner großen Militärausgaben, die zuletzt knapp vier Prozent des BIP ausmachten, als Schwergewicht im Verteidigungsbündnis. Hinzukommt, dass die Aussage von Sikorski offen den Dissens im Weimarer Dreieck bei einem der wichtigsten Themen der Nato zeigt.
Dissens beim Weimarer Dreieck wegen Debatte über Nato-Truppen in der Ukraine
Das Weimarer Dreieck hatte zwar in den vergangenen Jahren an Bedeutung verloren, doch durch den Ausbruch des Ukraine-Kriegs gewann die grenzübergreifende Zusammenarbeit zwischen Frankreich, Deutschland und Polen wieder an Bedeutung. Seit dem 28. August 1991 gilt das Bestreben, gemeinsame Grundinteressen für die Zukunft Europas zu identifizieren sowie die grenzüberschreitende Zusammenarbeit auszubauen. Das teilt das Auswärtige Amt auf seiner Webseite mit. Die wieder intensivierte Zusammenarbeit hat durch die Aussagen zu den Nato-Truppen in der Ukraine allerdings jetzt einen Dämpfer kassiert.
Wie der Spiegel schreibt, werfen sowohl Macron als auch Sikorski den Gegnern einer Bodentruppendebatte Kurzsicht und Feigheit vor. Und die schärfsten Kritiker dieses Truppen-Gedankens sitzen in Berlin: Bundeskanzler Scholz und Verteidigungsminister Pistorius haben in den vergangenen Tagen immer wieder betont, dass Nato-Truppen in der Ukraine dem Kerngedanken des Verteidigungsbündnisses widersprechen würden. „Niemand will wirklich Stiefel auf dem Boden in der Ukraine haben, es gibt jetzt eine Diskussion darüber, also sollten wir es an diesem Punkt stoppen“, sagte Pistorius am Freitag bei einem Besuch in Helsinki.
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Nato formiert sich gegen Russland: Säbelrasseln an der Ostflanke?
Während einige Staaten, wie etwa Tschechien oder Lettland, grundsätzlich den Gedanken an Nato-Truppen in der Ukraine nicht ausgeschlossen haben, gab Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg bereits zu Beginn der Debatte eine deutliche Absage. Befürchtet wird unter anderem eine eindeutige Reaktion von Russlands Präsidenten Wladimir Putin, wenn Nato-Truppen ins Kriegsgebiet verlegt werden. Der Kreml-Chef kündigte bereits „tragische Konsequenzen“ bei einem entsprechenden Vorgehen an.
Nach dem Nato-Beitritt von Schweden formiert sich das Bündnis derweil immer deutlicher gegen Russland. Inzwischen haben sich 32 Länder zusammengeschlossen. Die russische Propaganda greift die Nato-Erweiterungen regelmäßig auf und droht dem Westen sogar mit nuklearen Reaktionen. Doch das Säbelrasseln ist nicht einseitig: Jüngst wurde bekannt, dass die Verteidigungsallianz die eigene Luftverteidigung an der Grenze zu Russland weiter hochfährt.
Nato will Verteidigung an Ostflanke gegen Russland stärken: Luftverteidigung aufgerüstet
Als Reaktion auf die Forderungen der baltischen Staaten, Europas Verteidigungsfähigkeiten in der Region zu stärken, setzen die NATO-Staaten auf ein Luftverteidigungsmodell, das in Litauen stationiert ist. Wie Newsweek berichtet, werden laut dem litauischen Verteidigungsminister Arvydas Anušauskas die Verteidigungssysteme in seinem Land noch in diesem Jahr einsatzbereit sein. „Wir gehen davon aus, dass dieses Prinzip keine einmalige Sache für mehrere Monate sein wird, sondern alle unsere Kalendermonate abdecken und unsere Luftverteidigungsfähigkeiten erheblich verbessern wird“, sagte Anušauskas laut einem Zitat des Litauischen Nationalen Rundfunks und Fernsehens.
Mehrere europäische Länder haben Bedenken geäußert, dass der Ukraine-Krieg letztendlich zu einem größeren Konflikt führen könnte. Aus diesem Grund stärkt die Nato seit den vergangenen Monaten seine Verteidigungssysteme entlang der Ostgrenze. Regelmäßig werden zudem größere Militärmanöver abgehalten, die offiziell die Kampfkraft der Mitgliedsstaaten erhöhen sollen. Inoffiziell stellen sie aber auch eine Machtdemonstration gegenüber Russland dar. (fbu/dpa)