Den Opfern ein Gesicht geben: Schüler des Allgäu-Gymnasiums bringen digitale Stolpersteine in Kempten an

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Felix Meinel (v. l.), Moritz Missler, Katharina Bernhard vom P-Seminar „Stolpersteine digital“ und ihre Lehrerin Corinna Weber (r.) zeigen OB Thomas Kiechle die Inhalte auf der von ihnen erstellten Website. In der Mitte unten: der digitale Stolperstein von Edith Landauer und Julie und Samuel Walter. © Lüderitz

13 digitale Stolpersteine erinnern an das Leben und die Ermordung von jüdischen Familien in Kempten und bieten umfangreiche Informationen über jüdisches Leben in der Stadt.

Kempten – „Hier wohnten Edith Landauer, Julie und Samuel Walter“: Eine weiße Tafel aus Plexiglas, ein kurzer Text, ein QR-Code. Neben dem großen hölzernen Tor der Rathausstraße 5 hängen seit Kurzem nicht nur die Schilder der hier ansässigen Praxen, sondern auch ein digitaler Stolperstein, der an das Leben der dort einst wohnenden jüdischen Familie und ihre Ermordung in Ghettos erinnert. Aber das ist noch nicht alles.

Hinter dem schlichten Schild verbirgt sich eine ganze Fülle an Informationen, die 13 Familiengeschichten und jüdisches Leben in Kempten dokumentieren. Folgt man dem QR-Code, öffnet sich ein Fenster zu den Lebensgeschichten der jüdischen Opfer. Nicht nur Lebensläufe und Stammbäume sind dort hinterlegt, sondern auch historische Dokumente, Briefe, Fotos und Informationen zu Gedenkorten in Kempten.

Fenster in die Vergangenheit: Digitale Stolpersteine in Kempten

Ein Schuljahr lang haben die 13 Schülerinnen und Schüler des Allgäu-Gymnasiums im Projekt-Seminar „Stolpersteine digital“ an ihrem Beitrag zur Erinnerungskultur gearbeitet. Sie haben im Stadtarchiv recherchiert, Familienbögen und Deportationslisten studiert, Synagogen in Nordschwaben besucht, Stammbäume erstellt, sowie Texte und einen Rundgang durch das jüdische Kempten. All das ist zu finden über die QR-Code oder im Netz unter erinnerungskultur-kempten.de .

„Wir wollen den jüdischen Opfern ein Gesicht geben“ und „ein Zeichen setzen gegen Antisemitismus“, erklären die Schüler bei der Präsentation zweier digitaler Stolpersteine in der Rathausstraße. Ihnen ist wichtig, „nicht nur die Erinnerung an das NS-Unrecht wachzuhalten, sondern den Menschen vor Augen zu führen, in welch bedeutender Weise Juden und Jüdinnen dieses Land mitgeprägt haben“. So erfährt man etwa, dass Sigmund Ullmann als Magistrats- und Stadtrat sowie Finanzberater für Oberbürgermeister Otto Merkt tätig war. Man liest von dem besonderen Verhältnis des bekannten Viehhändlers Joseph Löw zu den Allgäuer Bauern oder von Elvira Stein, die sich als Weinhändlerin in einer Männerdomäne behauptete.

OB Thomas Kiechle zeigte sich begeistert von der Leistung der Schülerinnen und Schüler. Deren Arbeit liefere eine Antwort auf die Frage, wie man 80 Jahre danach einen Umgang mit den Verbrechen finden könne. Die Tafeln bringen Gästen und Einheimischen das Leben der Opfer näher. „Damit geben wir ihnen die Würde zurück, die ihnen 80 Jahre zuvor genommen wurde“, sagte er. Auch Martin Huss, der Vorsitzende der Initiative Stolpersteine zollte den Schülern Res­pekt. „Ihr zeigt uns, wie es heute geht und die Initiative in die Zukunft getragen werden kann“, sagte er.

In den kommenden Monaten werden die restlichen digitalen Stolpersteine an den einzelnen Stationen installiert.

Feste, Konzerte, Ausstellungen: Was man in Kempten und Umgebung unternehmen kann, lesen Sie im Veranstaltungskalender.

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