Weilheimer Paar zu Besuch in der Ukrainer: Bürger zwischen Kampfgeist und Erschöpfung

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Erinnerung an Gefallene in einer ukrainischen Kirche in Lviv. Das Grablicht steht in der kunstvoll hergerichteten Hülle eines Artillerie-Geschosses. © Felix Schimke-Klubuk

Vier Wochen lang haben der Weilheimer Felix Schimke-Klubuk und seine ukrainische Ehefrau Myroslava das kriegsgeschüttelte Land besucht. Sie haben nicht nur geschaut, wie ihre Hilfslieferungen ankommen, sondern auch mit vielen Bürgern gesprochen. Die Stimmung schwankt zwischen Kampfgeist, Erschöpfung und der Angst, wie es nach dem Krieg wird.

Weilheim - Seit dem Wochenende sind ein Waffenstillstand und Friedensverhandlungen zwischen Ukraine und Russland wieder näher gerückt. Felix Schimke-Klubuk und seine Frau Myroslava, die vergangene Woche von ihrem vierwöchigen Ukraine-Besuch zurückgekommen sind, haben davon noch nichts erlebt. Kein Tag sei ohne Luftalarm verlaufen, selbst in Kiew schlage immer mal wieder eine Rakete ein. „Obwohl die Luftverteidigung dort die modernste ist. In anderen Städten kommen viel mehr Drohnen oder Raketen durch“, sagt Schimke-Klubuk. Dementsprechend zerstört seien viele Städte abseits der Hauptstadt.

Das Osterfest haben Myroslava und Felix Schimke-Klubuk in der Ukraine gefeiert.
Das Osterfest haben Myroslava und Felix Schimke-Klubuk in der Ukraine gefeiert. © Myroslava Klubuk

Ziel ihrer ersten Reise in die Ukraine nach mehr als einem halben Jahr war zum einen der Besuch von Familie und Freunden, weil man im Krieg nie weiß, wann man sich zum letzten Mal sieht. Und zum anderen, ob die Hilfslieferungen passen und auch ankommen. „Tatsächlich haben wir null Prozent Schwund, das hat mich auch überrascht“, hat Schimke-Klubuk erfreut festgestellt. Man sei dank der guten Verbindungen und Kontakte vor Ort in einer guten Position und schicke wirklich nur Hilfe, die auch genutzt werden könne.

Gepanzertes Fahrzeug nutzlos ohne passende Ersatzteile

Dass es auch anders geht, zeigt das Beispiel eines gepanzerten Rettungsfahrzeugs, das aus England gespendet wurde, wie Myroslava von ihren beiden Cousinen, die beide als Ärztinnen arbeiten, erfahren hat. „Das ist seit mehr als einem Jahr vor Ort und theoretisch eine große Hilfe, wurde aber noch nie benutzt, weil Ersatzteile fehlen“, sagt sie.

Weil vielerorts die Wasserversorgung nicht mehr funktioniert, machen sich überall Menschen mit Autos auf den Weg zu öffentlichen Brunnen, um Kanister abzuzapfen. „Ein surreales Bild“, sagt Schimke-Klubuk, ebenso wie die Schrebergärten, die zur Selbstversorgung überall in den Gärten entstanden seien, oder große Häuser, in denen nur noch ein Zimmer mit Holz beheizt wird. Lebensmittel seien sehr teuer geworden und die Kliniken überfüllt, weil ja nicht nur Kriegsversehrte von der Front behandelt werden müssen, sondern das normale Leben weitergeht und Menschen einen Herzinfarkt erleiden oder bei einem Autounfall verletzt werden. „Da stehen dann fünf Betten im Zweibettzimmer“, sagt Schimke-Klubuk.

Überall Spenden für die Armee

Seine Frau Myroslava hat früher als Kinderärztin in Kiew gearbeitet, auch zwei ihrer Cousinen sind Ärztinnen zum Teil an der Front und leiden unter dem massiven Stress. „Die haben Depressionen und eine posttraumatische Belastungsstörung“, ist sich Schimke-Klubuk sicher. Wenn man sie mit früher vergleiche, seien sie völlig andere Menschen geworden. „Es ist, als ob ihre Seele schlafen würde. Die haben keine Vorstellung mehr, wie ein normales Leben ablaufen könnte.“

Dieses an Krebs erkrankte Mädchen wäre ohne eine Spende des Gymnasiums Weilheim „zu hundert Prozent gestorben“, sagt Felix Schimke-Klubuk.
Dieses an Krebs erkrankte Mädchen wäre ohne eine Spende des Gymnasiums Weilheim „zu hundert Prozent gestorben“, sagt Felix Schimke-Klubuk. © Privat

Und das treffe auf viele Leute zu. „Sie sind alle erschöpft, auch wenn die Unterstützung der Armee und der Soldaten bei 100 Prozent liegt“, sagt Schimke-Klubuk. Überall gebe es Spendenaktionen für die Soldaten – er kenne die Geschichte eines Schulkindes, das das Geld für die Rückfahrt mit dem Bus gespendet hat und lieber zu Fuß heimgegangen ist. Vor allem die ukrainische Jugend sei komplett europäisch orientiert, das sei vor dem Krieg nicht so gewesen.

Andererseits seien in Kiews Straßen eine Vielzahl Menschen mit Prothesen zu sehen – einige sogar in Uniform, weil sie weiterkämpfen. „Da hört man dann Sprüche wie ,mein Bein kann nicht zweimal getroffen werden‘“, sagt Schimke-Klubuk. Überhaupt sei die medizinische Versorgung vorbildlich: Er kenne Studien, die besagen, dass von verletzten Russen an der Front 40 bis 50 Prozent sterben, bei den Ukrainern seien es nur elf Prozent.

Viele glauben nicht an schnelles Kriegs-Ende

Ein schwerer Schlag war das Ende der Unterstützung durch USAid, sagt Myroslava Klubuk. Bisher hätten Ärzte kostenlos Zugriff auf neueste Studien gehabt. „Das ist wichtig, damit man von der Forschung profitiert. Jetzt sollten die Ärzte selber dafür bezahlen, was nicht möglich ist.“ Man werde versuchen, in dem bereich einzuspringen, damit die hohe medizinischer Versorgung in der Ukraine gewährleistet bleibe.

„Jeder will, dass der Krieg vorbeigeht, aber gleichzeitig herrscht Angst, wie es weitergeht“, so Schimke-Klubuk Und viele glaubten trotz Verhandlungen nicht, dass der Konflikt schnell vorbei ist, „weil Russland nicht aufhören wird. Putin betreibt Terrorismus gegen das ukrainische Volk.“

Krieg der Maschinen

Myroslava und Felix Schimke-Klubuk haben in Kiew einen Bekannten auf Fronturlaub getroffen. „Der war vor drei Jahren zur Ausbildung in Deutschland und hatte sich damals gewünscht, dass die ukrainische Armee auch so forstschrittlich ist.“ Jetzt sei er wieder in Deutschland gewesen – auf einem technologisch völlig anderen Niveau. „Die Deutschen sind der aktuellen Entwicklung, die die Ukrainer gemacht haben, 30 Jahre zurück. Es ist ein Krieg der Maschinen geworden.“ Ein Beispiel für die Entwicklung: Die Ukraine stellt ihren Soldaten ein stabiles, abhörsicheres Handy zur Verfügung, mit denen die Soldaten vor Ort selbst entscheiden könnten, was sie als Nachschub brauchen. „Das läuft wie bei Amazon: Der Soldat klickt an, dass er beispielsweise neue Drohnen oder Handschuhe braucht, und am nächsten Tag wird das geliefert“, berichtet Schimke-Klubuk.

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