„Grüne sind Bayern-unfreundlich“: Söder von Habecks Wasserstoffförderung benachteiligt?

  1. Startseite
  2. Politik

KommentareDrucken

Bayern will „Wasserstoffland Nummer eins“ werden, bekommt dafür aber kaum Bundesförderung. Das liegt aber nicht an einer Anti-Bayern-Agenda der Grünen, wie Markus Söder suggeriert.

Markus Söder sieht Bayern bei der Wasserstoffförderung unfair behandelt. „Wieder benachteiligt die Ampel Bayern“, schrieb der bayerische Ministerpräsident diese Woche in den sozialen Medien. „Das ist unfair und eine massive Ausgrenzung Bayerns.“ Was war passiert? Und ist die Söder'sche Kritik berechtigt?

Habecks Wasserstoffförderung: Ausgehandelt durch die Union

Im Kern geht es dem CSU-Chef um die Fördermittel für Wasserstoffprojekte, die Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) jüngst vorgestellt hat. Sie sollen dabei helfen, die deutsche Wirtschaft klimaneutral umzubauen. Insgesamt 4,6 Milliarden Euro Fördermittel stehen zu Buche. 70 Prozent davon übernimmt der Bund, 30 Prozent die Länder. Die Fördersumme verteilt sich auf 23 Wasserstoff-Infrastrukturprojekte, von denen tatsächlich nur eines in Bayern liegt: 72,5 Millionen Euro gingen nach Erlangen.

Die meisten der geförderten Projekte, nämlich elf, liegen in Niedersachsen. Söder stört das. „Die Ampel und dabei vor allem die Grünen sind Bayern-unfreundlich und wollen den Wohlstand in Deutschland massiv von Süd nach Nord verteilen“, schrieb der Ministerpräsident. „Das werden wir ab nächstem Jahr stoppen.“ Dass andernorts mehr gefördert wird, liegt aber weniger an einer vermeintlichen Anti-Bayern-Agenda in Berlin.

Denn das grün geführte Wirtschaftsministerium sei gar nicht für die Auswahl der Projekte verantwortlich, erklärt ein Sprecher auf Anfrage von IPPEN.MEDIA. Es handle sich um Projekte, „die sich 2021 beworben haben und dann noch von der Vorgängerregierung unter Führung der Union ausgewählt worden sind“. Damals war das Wirtschaftsministerium in CDU-Hand.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder mit Wirtschaftsminister Robert Habeck
Hat sich Habecks Wasserstoffförderung offenbar anders vorgestellt: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. © IMAGO/Frank Hoermann/SVEN SIMON (Archivfoto)

Wasserstoffförderung: „Klare Standortvorteile“ in Niedersachsen

Ein weiterer Grund für die Förderung sei der Standortfaktor. Die geförderten Projekte befänden sich insbesondere in Nähe großer Zentren der industriellen Wertschöpfung für Stahl und Chemie, etwa im Saarland oder in Nordrhein-Westfalen. Zudem gebe es „klare Standortvorteile“ in Norddeutschland, da dort „ein Großteil der erneuerbaren Energieerzeugung“ stattfinde.

Ähnlich äußert sich der Deutsche Wasserstoff-Verband (DWV). „Gerade in Norddeutschland schreitet der Ausbau der Erneuerbaren voran“, sagt Friedrike Lassen, Leiterin Politik und Regulierung beim DWV, zu IPPEN.MEDIA. Um die Klimaziele zu erreichen, brauche es einen starken Zubau von erneuerbaren Energien und die Bereitstellung von grünem Wasserstoff. Bayern hat den Ausbau lange verschlafen, holt laut aktuellen Zahlen der Bundesnetzagentur aber deutlich auf, vor allem wenn es um den Bestand an Solar-, Wind- und Biomasse-Anlagen geht.

Bei der weiteren Infrastruktur gebe es aber noch Verbesserungsbedarf. Ein Problem sei die Frage, wie Energie wie Wasserstoff von A nach B gelangen kann, also etwa von Norddeutschland nach Bayern. So „fehlen weiterhin die notwendigen Leitungskapazitäten, um die erneuerbaren Energien in die Verbrauchsschwerpunkte, wie zum Beispiel Bayern, zu transportieren“, sagt Lassen. „Daher brauchen wir ein Wasserstoffnetz in Bayern, Deutschland und Europa, das zuverlässig und kostengünstig große erneuerbare Energiemengen transportieren kann.“

Wasserstofftankstelle
Eine Wasserstofftankstelle, bald eine echte Alternative? Grüner Wasserstoff wird aus Ökostrom und damit CO₂-neutral hergestellt. Die sogenannte Elektrolyse teilt dabei das Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff. Das Produkt kann dann ins Netz eingespeist oder direkt vor Ort genutzt werden. Das Problem: Die Produktion ist aktuell noch sehr teuer. © IMAGO/Jochen Tack

Bayern ambitioniert: Freistaat soll „Wasserstoffdrehkreuz Europas“ werden

Die bayerische Staatsregierung aus Freien Wählen und CSU hat sich die Wasserstoffförderung in den Koalitionsvertrag geschrieben. „Wir wollen Bayern zum Wasserstoffland Nummer eins und Wasserstoffdrehkreuz in Europa entwickeln“, heißt es dort. Dafür angesetzt sind Eigeninvestitionen von rund 700 Millionen Euro. „Ein richtiger Schritt, aber noch nicht ausreichend“, meint Lassen vom DWV. „Aber Bayern hat das Potenzial, hier aufzuholen, wenn die richtigen politischen Rahmenbedingungen gesetzt und das Investitionsklima angereizt werden.“

Der Verband nimmt dabei auch den Bund in die Pflicht. „Damit Bayern, wie die Regierung Söder es plant, ein Wasserstoffdrehkreuz Europas wird, muss die Bundesregierung die entsprechenden Weichen stellen.“ So müsse man das europäische Wasserstoff-Importpotenzial anheben. Dabei könne man etwa auf Energie aus anderen europäischen Ländern wie Rumänien, Bulgarien oder Griechenland zurückgreifen. „Die Idee dahinter wäre, die guten Potenziale zur Erzeugung von erneuerbaren Energien in Süd- und Südosteuropa zu nutzen, vor Ort grünen Wasserstoff herzustellen und diesen per Pipeline nach Deutschland zu importieren.“

Die bayerische Vorstellung vom Wasserstoffdrehkreuz könnte so Konturen annehmen. Denn: „Das würde geografisch gesehen über Bayern erfolgen.“ Beschlossen ist das allerdings noch nicht, doch der Verband meint: „Die Umsetzung einer solchen Verordnung wäre noch in diesem Jahr möglich.“ (as)

Auch interessant

Kommentare