US-Kommandeur befürchtet „sehr, sehr großes Problem“ aus Russland nach Ende des Ukraine-Krieges
Ein Ende des Ukraine-Kriegs ist nicht in Sicht. Doch selbst danach könnte es mit der Bedrohung Putin weitergehen, mahnen hochrangige Sicherheitsexperten.
Kiew/Moskau – Russland gelangen in der Ukraine zuletzt erneute Gebietsgewinne – bei den ukrainischen Streitkräften wächst die Sorge vor einer neuen russischen Offensive in diesem Sommer. Doch Spitzendiplomaten und Sicherheitsexperten halten Wladimir Putins Aggression selbst bei einer Beendigung Ende des Ukraine-Kriegs nicht für abgeschlossen. Auch das Ende des seit Februar 2022 andauernden Kriegs dürfte laut einigen Experten vermutlich nicht ausreichen, um die Bedrohung Russlands für Europa oder sogar die Vereinigten Staaten zu beenden.
US-General warnt vor Putins Russland – Gefahr auch nach dem Ukraine-Krieg
Zu ihnen gehört auch der ranghöchste US-General in Europa, Christopher Cavoli, Leiter des US-Europakommandos und oberster US-amerikanischer NATO-Befehlshaber. Heraus kristallisierte sich dies am Donnerstag (18. Juli 2024) bei der Tagung des jährlichen Aspen Security Forums in Aspen, Colorado. Die Sicherheitsexperten, die in Aspen sprachen, bezeichneten den Krieg und die Unterstützung ihrer Länder für die Ukraine als „existenziell“.

Sie sagten aber auch, dass ein ukrainischer Sieg gegen die einmarschierenden russischen Truppen nur der Anfang sein würde. „Der Ausgang des Krieges ist sehr, sehr wichtig“, wird US-General Cavoli vom US-Medium Voice of America zitiert. Allerdings dürfe man sich keinen Illusionen hingeben: „Am Ende eines Konflikts in der Ukraine, wie auch immer er ausgeht, werden wir ein sehr, sehr großes Problem mit Russland haben“, fügte der oberste US-General in Europa hinzu.
Berlin rechnet durch Putins Wiederwahlö mit „langwierigen Konflikt“ mit Russland
Auch der deutsche Berater für Außen- und Sicherheitspolitik, Jens Plötner, äußerte sich in Colorado besorgt: „Durch die Wahl von Putin treten wir in eine Phase eines langen, langwierigen Konflikts mit Russland ein“, sagte Plötner vor den Anwesenden in Aspen.„Seine blutigste Ausprägung ist im Moment der Krieg in der Ukraine“, fügte Plöner hinzu. Das sei aber nicht die einzige.
„Hybride Aktivitäten“ Russlands habe man in ganz Europa gesehen und dazu in den Vereinigten Staaten. Dazu habe man gesehen, wie Putin „seine Hände auch nach Afrika“ hin ausstreckt. „Wir haben gesehen, wie Russland seine Beziehungen zu Teheran oder, noch schlimmer, zu Pjöngjang wieder aufleben ließ. Ich denke, all dies ist Teil eines größeren Ganzen, das wir zur Kenntnis nehmen müssen“, betonte er.
Plötner lehnte es ab, sich direkt zu einem russischen Komplott zu äußern, über das CNN Anfang des Monats erstmals berichtet hatte und das darauf abzielte, den Vorstandsvorsitzenden von Rheinmetall, einem der führenden Rüstungsunternehmen Deutschlands, zu töten. Er sagte jedoch, dass es Verhaftungen gegeben habe und dass die deutschen Sicherheitsbehörden in höchster Alarmbereitschaft seien. „Wir wissen, dass die [Anschläge], die wir vereiteln konnten, nicht die letzten waren“, fügte er hinzu.
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Nato-Chef Stoltenberg: „Europa muss sich auf ein Jahrzehnt Ukraine-Krieg einstellen“
Davor, dass Europa sich auf eine langwierige Konfrontation mit Putin einstellen kann, warnte nun auch NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg. In einem Gespräch mit der BBC bejahte Stoltenberg die Frage, ob die Nato-Verbündeten auf einen mehr als zehn Jahre andauernden Konflikt in der Ukraine vorbereitet sein müssten. „Aber die wichtigste Botschaft ist: Je stärker die Unterstützung für die Ukraine und je länger wir bereit sind, uns zu engagieren, desto eher kann dieser Krieg beendet werden“, fügte Stoltenberg hinzu.
Stoltenberg, dessen zehnjährige Amtszeit als NATO-Generalsekretär im Oktober endet, zielt mit seiner Forderung vor allem auf das Szenario ab, dass die US-Gelder gekürzt oder sogar gestoppt werden könnten, falls Donald Trump die US-Wahl im November gewinnt. Auch bezüglich Trumps Vize-Kandidaten J.D. Vance wurden Sorgen laut, er stehe Putin Positionen nahe.
„Das Paradoxe ist, dass Präsident Putin jetzt glaubt, dass er uns abwarten kann. Der Krieg geht also weiter.“ Stoltenberg machte aber auch deutlich: „Wenn wir ganz klar kommunizieren, dass wir langfristig hier sind, dass wir eine starke und dauerhafte Unterstützung für die Ukraine haben, dann haben wir die Voraussetzungen für eine Lösung, bei der die Ukraine als souveräner und unabhängiger Staat die Oberhand gewinnt.“
Stoltenberg über Ukraine: „Die Zeit, für Freiheit und Demokratie einzutreten, ist jetzt“
Gleichzeitig kündigte die NATO an, dass eine Kommandoeinheit zur Koordinierung der Unterstützung für die Ukraine ab September in Deutschland einsatzbereit sein wird. Das werde für mehr Vorhersehbarkeit, Rechenschaftspflicht und Unterstützung sorgen und das dauerhafte Engagement der NATO-Bündnispartner in der Ukraine demonstrieren. „Die Zeit, für Freiheit und Demokratie einzutreten, ist jetzt, und der Ort dafür ist die Ukraine.“
Die Äußerungen Stoltenbergs kommen zu einem Zeitpunkt, an dem Deutschland ankündigte, die Militärhilfe für die Ukraine im nächsten Jahr fast zu halbieren – von rund 8 Milliarden auf rund 4 Milliarden Euro. Anteil daran dürfte auch das Defizit im deutschen Bundeshaushalt sein. Ein weiterer Hintergrund dürfte aber auch die Hoffnung auf Zinsen aus eingefrorenen russischen Vermögen sein, die der Ukraine zur Verfügung gestellt werden sollen.
Diese hätten bereits vier Milliarden Euro eingebracht, berichtete der Spiegel unlängst und berief sich dabei auf Zahlen des Finanzinstituts Euroclear. Mitte Juni hatten sich die G7-Staaten darauf verständigt, der Ukraine über 50 Milliarden US-Dollar aus eingefrorenen russischen Vermögen zur Verfügung zu stellen. (fh)