Vom Badezimmer über den Supermarkt bis hin zu Computern und Kosmetika: Plastik ist allgegenwärtig. Riesige Abfallmengen sind die Folge, die Meere dienen als Müllhalde – mit gravierenden Folgen für Menschen, Tiere, Pflanzen und die Umwelt. Mehr als 400 Millionen Tonnen Plastik werden jährlich produziert, recycelt werden davon gerade mal neun Prozent.
Das Problem: Viele Kunststoffabfälle lassen sich nur schwer recyceln, sie zerfallen stattdessen mit der Zeit zu Mikroplastik. Herkömmliche Recyclingmethoden stoßen da schnell an ihre Grenzen, zu hoch fallen entweder Qualitätsverlust oder Kosten aus.
Hoffen auf Bestrahlung
Bei schwierigeren Kunststoffabfälle plädiert die Internationale Atomenergie-Behörde (IAEA) deshalb für eine neue Recyclingmethode: die nukleare Bestrahlung. Diese sei nicht nur umweltfreundlicher und effizienter, sondern komme auch ohne potenziell schädliche Zusatzstoffe aus.
„Bestrahlung kann auf zwei Arten zur Reduzierung der Kunststoffabfallmenge beitragen“, sagt Azillah Binti Othman, Strahlenschutzbeauftragte der IAEA. „Durch die verstärkte Wiederverwendung schwer recycelbarer Kunststoffe zu wertvollen Produkten und durch die Entwicklung biobasierter Kunststoffe, um die Abhängigkeit von erdölbasierten Kunststoffen zu verringern.“
Ein weiterer Vorteil: Die Bestrahlung könne herkömmliche Recyclingverfahren sinnvoll ergänzen. So lasse sich der recycelte Kunststoff gezielt nach Polymertypen sortieren, was seine Reinheit und damit seinen Wert erhöht. „Der Hauptvorteil der Bestrahlung beim Kunststoffrecycling liegt in ihrer Fähigkeit, die chemische Struktur von Kunststoffen auf molekularer Ebene zu verändern“, so Othman.
Ob die Strahlen-Technologie künftig für das Recycling von Plastik genutzt wird, bleibt abzuwarten. Bislang spielen die Gamma-Strahlungen weder in der Recycling-Forschung noch in der Praxis eine Rolle. Auf den Philippinen sollen bald erste Tests anlaufen, unterstützt von der IAEA. Eine Nutzung als Plastik-Killer würde der weltweiten Atomindustrie ein lukratives Geschäftsfeld verschaffen.
Bislang können Kunststoffe durch verschiedene Recyclingmethoden wiederverwertet werden, wobei die Wahl des Verfahrens von der Kunststoffart und dem Verschmutzungsgrad abhängt. Die wichtigsten Methoden im Überblick:
Mechanisches Recycling
- Ablauf: Kunststoffabfälle werden gesammelt, sortiert, zerkleinert (zu Flakes), gewaschen und anschließend eingeschmolzen, um Granulat (Rezyklat) herzustellen. Dieses dient als Rohstoff für neue Produkte, ohne dass die chemische Struktur verändert wird.
- Vorteile: Besonders klimafreundlich und effizient, insbesondere bei sauberen, sortenreinen Kunststoffen wie PET, HDPE oder LDPE.
- Herausforderungen: Verunreinigte oder gemischte Kunststoffe sind schwieriger zu verwerten, was die Qualität des recycelten Materials beeinträchtigen kann.
Chemisches Recycling
- Ablauf: Kunststoffe werden in ihre chemischen Grundbausteine zerlegt.
- Wichtige Verfahren sind: Depolymerisation, also die Zerlegung von Polymeren in ihre Monomere. Pyrolyse: Die Thermische Zersetzung ohne Sauerstoffzufuhr zur Gewinnung von Heizöl oder Chemikalien. Solvolyse: Die Aufspaltung von Polymeren mithilfe von Lösungsmitteln. Und die Vergasung, also die thermische Umwandlung in Synthesegas.
- Vorteile: Ermöglicht das Recycling stark verschmutzter oder gemischter Kunststoffe und die Herstellung hochwertiger neuer Materialien.
- Herausforderungen: Hoher Energieverbrauch und komplexe technische Prozesse machen es weniger nachhaltig als das mechanische Recycling.
Enzymatisches Recycling
- Ablauf: Spezielle Enzyme zerlegen Kunststoffe wie PET in ihre Ausgangsstoffe
- Vorteile: Umweltfreundlich, energieeffizient und ermöglicht eine schnelle Wiederverwertung.
- Herausforderungen: Noch nicht ausgereift und nicht für alle Kunststoffarten geeignet.
Energetisches Recycling
- Ablauf: Kunststoffabfälle werden verbrannt, um Energie zu gewinnen (thermische Verwertung).
- Vorteile: Kann auch stark verschmutzte Kunststoffe verwerten.
- Herausforderungen: Keine geschlossene Kreislaufwirtschaft, da die Materialien verloren gehen und CO2-Emissionen entstehen.
Das mechanische Recycling ist derzeit die bevorzugte Methode, während chemische und enzymatische Verfahren zunehmend an Bedeutung gewinnen. Energetisches Recycling bleibt eine Lösung für Fälle, in denen keine andere Verwertung möglich ist. Vielleicht lösen Gamma-Strahlen das Verbrennen von Plastikabfällen aber irgendwann ab.
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