In den USA: "Es ist alles weg": Milliarden Bienen sterben auf rätselhafte Weise
Es ist ein trauriger Rekord, der derzeit aus den USA gemeldet wird: Mehr als zwei Drittel der Bienenpopulation in den USA sind über den Winter verendet. Betroffen sind vor allem gewerbliche Imker, deren Lebensunterhalt auf die Bienen angewiesen ist.
Die Zahlen stammen von dem Forschungsprojekt Apis m., dem lateinischen Namen der Europäischen Honigbiene. "Project Apis m." (kurz: Pam) überwacht die Honigbienenpopulation in den USA. Die Organisation besteht aus Imkern und Interessensvertretern aus der Landwirtschaft. Pam schlägt nun Alarm – und warnt vor den Folgen für Ernten und Natur.
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Das rätselhafte Bienensterben
Das massenhafte Sterben amerikanischer Bienenvölker wurde den Wissenschaftlern bei Pam und an der Cornell University bewusst, nachdem in diesem Winter eine große Zahl der Bienen Richtung US-Bundesstaat Kalifornien migrierte. Dort befinden sich nämlich große Mandel-Plantagen. Die Pflanzen können ohne die Pollen-Bestäubung der Bienen nicht aufrechterhalten werden und die stetig wachsende Nachfrage stillen.
Dass bis zu ein Fünftel des Bienenvolkes über die Wintermonate stirbt, ist eigentlich normal – und wichtig, um die Kolonie am Leben zu erhalten. Doch die schiere Zahl an ganzen Bienenstöcken, die nun verstorben sind, schockiert auch erfahrene Beobachter. „Es ist alles weg“, zitiert der britische „Guardian“ einen Imker. „Das Eigenheimkapital ist weg, unsere Ersparnisse für die Rente sind weg, das Geld unserer Familie ist weg. Alles, was wir noch haben, sind leere Boxen. Wir haben nicht mal die toten Bienen. Die sind auch weg.“
Mittlerweile hat sich dazu sogar ein Begriff etabliert: "Colony Collapse Disorder", zu deutsch: "Koloniezusammenbruchstörung". Klassisch für diese Störung ist, dass die Sammelbienen, welche die Bienenkönigin und die Larven mit Nahrung versorgen, einfach nicht in den Bienenstock zurückkehren und verschwinden. Die Folge: Durchschnittlich die Hälfte aller Bienen je Kolonie stirbt. Das Forschungsprojekt untersuchte 1,8 Millionen Bienenvölker, mit jeweils 20.000 bis 80.000 Mitgliedern. Die Zahl der toten Bienen liegt also im zweistelligen Milliardenbereich.
Die Ursache für das Sterben ist unbekannt. Möglich ist ein Zusammenspiel aus mehreren Faktoren:
- Monokulturen in der Landwirtschaft, wodurch die Bienen nicht ausreichend Nahrung finden
- Einsatz von Pflanzenschutzmitteln
- Stress, beispielsweise durch nicht artgerechte Haltung
Der Klimawandel tut sein Übriges: Die Erderwärmung verkleinert die Lebensräume von Wildbienen, die dann bei der Nahrungssuche in Konkurrenz zu Honigbienen stehen. Die Honigbienen sind jedoch breiter aufgestellt und im Gegensatz zu Wildbienen nicht auf eine Pflanze spezialisiert. Die Folge: Wildbienen werden zunehmend verdrängt.
Forscherinnen und Forscher warnen schon seit Jahren davor, dass der Verlust der Biodiversität durch das Bienensterben befeuert wird – was wiederum die globale Nahrungsmittelproduktion bremst.

Krise in der Landwirtschaft: Etwas „richtig Schlimmes“
Europäische Honigbienen sind nicht nur bei uns, sondern auch in den USA überlebensnotwendig: Sie bestäuben mehr als die Hälfte der angebauten Früchte wie Äpfel, Beeren, Melonen und Kirschen sowie Kürbisse – und halten so die Pflanzen am Leben.
Der Ausfall macht sich bereits bei vielen Obstplantagen bemerkbar, erklärt ein Wissenschaftler der Cornell University gegenüber dem "Guardian". Etwas "richtig Schlimmes" sei dieses Jahr passiert, heißt es.
Honig-Schaden in Millionenhöhe
Das US-Landwirtschaftsministerium sollte mit seinen Forscherinnen und Forschern eigentlich dem rätselhaften Bienensterben nachgehen, eine Ursache sowie bestenfalls eine Lösung finden – doch dann entließ die Regierung von Präsident Trump eine große Zahl der Forscher. Deswegen musste die Cornell University einspringen; diese ist allerdings bei Null eingestiegen und muss sich jetzt erst einmal einarbeiten.
Auch die Honigernte erfährt durch das Bienensterben massive Einbußen. Nach Schätzung des Forschungsprojekts betrug der Schaden alleine in diesem Winter rund 139 Millionen Dollar, der Honigpreis in den USA stieg um etwa fünf Prozent. Schlechte Nachrichten für die Amerikanerinnen und Amerikaner, die zuletzt ohnehin stark steigende Lebensmittelpreise hinnehmen mussten.

So geht es den Bienen in Deutschland
Auch Deutschland kämpft mit dem Bienensterben. Honigbienen sind dabei weniger bedroht. So wird zwar befürchtet, dass über den vergangenen Winter auch etwa ein Viertel aller Bienen je Volk gestorben ist; das sind hohe Zahlen, liegt aber immer noch innerhalb der üblichen Schwankungen, heißt es im "Bienen Journal". Die größte Bedrohung für Honigbienen sind weiterhin Pestizide und Parasiten sowie invasive Arten wie die Asiatische Hornisse, die in Bienenstöcke einbrechen und die Larven fressen.
Für Wildbienen sieht die Situation hingegen sehr dramatisch aus: 40 der 520 Arten in Bayern sind bereits ausgestorben, 79 weitere Arten gelten als vom Aussterben bedroht. Insgesamt sind mehr als die Hälfte aller Wildbienenarten bedroht.
Um dagegen vorzugehen, hat die damalige Ampel-Regierung mehrere Maßnahmen ergriffen und fördert unter anderem Blühstreifen auf Äckern oder Straßen. Der Einsatz von Herbiziden auf geschützten Flächen ist außerdem seit einigen Jahren bereits verboten. Doch die Wirksamkeit der Maßnahmen ist umstritten:
- Viele Ansätze konzentrieren sich auf Honigbienen und lassen Wildbienen, die stärker bedroht sind, außer Acht.
- Die Wirksamkeit vieler Maßnahmen ist nicht hinreichend belegt.
- Trotz Pestizidverboten gibt es zahlreiche Ausnahmen, die weiterhin eingesetzt werden dürfen und schädigend für Bienen sind.
Das können Sie für Bienen tun
Neben Regierungsmaßnahmen kann auch jeder Einzelne etwas dafür tun, das Bienensterben zu verhindern. Ganz klassisch: Bio-Produkte kaufen, die eine regenerative Landwirtschaft unterstützen sowie Honig vom Imker kaufen statt aus dem Supermarkt.
Doch damit ist vor allem Honigbienen geholfen; wer stattdessen vom Aussterben bedrohte Wildbienen retten möchte, kann bei sich zuhause folgende Ansätze verfolgen:
- Bienenfreundliche Pflanzen auf dem Balkon oder im Garten anpflanzen - wichtig dabei ist, dass es sich um zur Region passendes Saatgut handeln muss, beispielsweise für das Alpenvorland.
- Insektenhotels bauen oder im Baumarkt kaufen
- Wasserstellen schaffen
- Verzicht auf Pestizide