Heizen, Energiewende, Pendlerpauschale - "Frontalangriff auf die Wärmewende": Klima-Pläne von Union und SPD in der Kritik

Zumindest am Ziel wird nicht gerüttelt: „Wir stehen zu den deutschen und europäischen Klimazielen“, lautet der erste Satz im Ergebnispapier der Koalitionsarbeitsgruppe Klima und Energie. Doch wie diese erreicht werden sollen, ist vollkommen unklar, wenn man sich die weiteren Ankündigungen aus dieser und den weiteren klimarelevanten Arbeitsgruppen Verkehr/Infrastruktur/Bauen/Wohnen, Ländliche Räume/Landwirtschaft/Ernährung/Umwelt und Wirtschaft/Industrie/Tourismus anschaut.

Denn um die Klimaziele zu erreichen, reichen schon die derzeit geltenden Vorgaben nicht aus – das haben sowohl das Umweltbundesamt als auch der Expertenrat für Klimafragen kürzlich in ausführlichen Berichten dargestellt. Doch statt der eigentlich notwendigen Verschärfung finden sich in den Papieren vor allem Ankündigungen, wo die von der Ampel-Koalition vereinbarten Maßnahmen aufgeweicht werden können, bemängeln viele Expertinnen und Experten.

Heizen: „Frontalangriff auf die Wärmewende“

Auf besonders scharfe Kritik stoßen die Ankündigungen zum Heizen. Die Union will die jüngste Novelle des Gebäudeenergiegesetzes, die für neue Heizungen einen Erneuerbaren-Anteil von mindestens 65 Prozent vorschreibt, komplett zurücknehmen; die SPD will das Gesetz „technologieoffener“ gestalten.

Beides dürfte darauf hinauslaufen, dass der CO₂-Ausstoß des Gebäudesektors noch langsamer sinkt als ohnehin schon. „Ein solcher Schritt wäre ein Frontalangriff auf die eben erst angelaufene Wärmewende und den Klimaschutz in Gebäuden“, warnen nicht nur sieben große Umweltverbände in einem gemeinsamen Schreiben an die Verhandlungsführer.

Zustimmung für Strompreis-Senkung 

Auch aus der Wirtschaft kommt Kritik. „Der größte Wunsch von Hausbesitzer*innen und Unternehmen an die Regierung ist Planungssicherheit“, erklärte Bastian Gierull, CEO des Energieanbieters Octopus Energy. Und auch der Verband der Gas- und Wasserwirtschaft, der die Energiepläne insgesamt begrüßt, warnt vor einem „Rückschritt zum Zustand vor Einführung der aktuellen Heizungsregelungen“.

Auf allgemeine Zustimmung stößt dagegen der Plan, den Strompreis durch die Senkung von Stromsteuer und Netzentgelten um mindestens 5 Cent pro Kilowattstunde zu reduzieren; dadurch werden sowohl Wärmepumpen als auch Elektroautos wirtschaftlicher.

Emissionen: Der umstrittene Unions-Plan

Weitreichende Auswirkungen hätte die Forderung, auch Emissionsreduzierungen außerhalb Europas auf die Klimaziele anrechnen zu können. Diese findet sich im Papier der Energie-AG, wo die Union verlangt, dass sogenannte Credits nach Artikel 6 des Paris-Abkommens im ETS 1 berücksichtigt werden. Das würde ein „Abschwächen der Klimaziele durch die Hintertür“ bedeuten, warnt der grüne Europaabgeordnete Michael Bloss.

Auch Germanwatch-Vorstand Christoph Bals sieht diesen Vorstoß extrem kritisch: „Damit würden wir in Deutschland und der EU vom Ziel abrücken, unsere Klimaschutzziele zu Hause zu erfüllen“, erklärte er. „Eine Abwälzung der eigenen Verantwortung wäre ungerecht.“ Dass die Forderung umgesetzt wird, ist allerdings eher unwahrscheinlich: Die SPD lehnt sie ab, und auch in der EU ist bisher vorgesehen, die Klimaziele komplett durch heimische Reduktionen zu erfüllen.

Energiewende könnte ausgebremst werden

Mehrere Forderungen könnten eine Verlangsamung der Energiewende bewirken. So will die Union vom Ziel abrücken, dass alle Bundesländer zwei Prozent der verfügbaren Fläche für Windkraft zur Verfügung stellen müssen. Zudem sollen die im EEG vorgegebenen Ausbauziele anhand des erwarteten Strombedarfs und des Netzausbaus überprüft werden.

Beim Kohleausstieg wollen sich Union und SPD vom Ampel-Ziel verabschieden, diesen nach Möglichkeit auf 2030 vorzuziehen; im Papier findet sich nur die Forderung, dass er „bis spätestens 2038“ erfolgen soll. Brigitte Knopf, stellvertretende Vorsitzende des Expertenrats für Klimafragen, hält das für unrealistisch. Sofern an den Klimazielen festgehalten wird, werde der EU-Emissionshandel ein deutlich früheres Aus für die Kohlekraftwerke erzwingen.

Rätsel um Gaskraftwerke

Problematisch für die Einhaltung der Klimaziele kann auch der Bau neuer Gaskraftwerke sein. Dass diese in gewissem Umfang benötigt werden, um auch im Fall von längeren Dunkelflauten die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, ist zwar unstrittig. Doch während die bisherigen BMWK-Pläne vorsahen, dass zumindest die Hälfte der auszuschreibenden neuen Gaskraftwerke verbindlich auf Wasserstoff umgerüstet werden muss, ist im Papier der Energie-AG davon bisher keine Rede. Mit bis zu 20 Gigawatt fällt die geplante Leistung zudem deutlich höher aus.

Ob sie tatsächlich in diesem Umfang realisiert werden sollen, bleibt aber unklar, denn gleichzeitig ist im Papier von „technologieoffenen“ Ausschreibungen die Rede; das könnte bedeuten, dass die erforderliche gesicherte Leistung zum Teil auch durch Speicher und Flexibilitäten sichergestellt werden könnte. Der Bundesverband Erneuerbare Energien drängt darauf, den Bedarf an Gaskraftwerken zu überprüfen.

Fliegen wird billiger, Nahverkehr teurer

Auch im Verkehrssektor, der die Ziele bisher besonders stark verfehlt, sind kaum zusätzliche Maßnahmen geplant. Ein Tempolimit von 130 Kilometern pro Stunde auf Autobahnen, das schnell und preiswert Emissionen einsparen würde, wird von der SPD gefordert, von der Union bisher aber abgelehnt. Das Deutschlandticket soll erhalten werden, aber ab 2027 schrittweise teurer werden – in welchem Umfang, bleibt bisher offen.

Die Pendlerpauschale, die vor allem lange Autofahrten vergünstigt, soll erhöht werden; Details dazu stehen noch nicht fest. Der Flugverkehr soll wieder günstiger werden, indem die Erhöhung der Luftverkehrssteuer aus dem Jahr 2024 zurückgenommen wird. Diese Forderung ist in der Verkehrs-AG bereits geeint, in der Finanz-AG dagegen noch strittig.

Förder-Offensive fürs E-Auto

Ausgeweitet werden soll die Förderung von E-Autos. Einigkeit besteht in der Wirtschafts-AG darüber, die steuerliche Begünstigung von Dienstwagen auf Fahrzeuge bis zu einem Preis von 100.000 Euro auszuweiten. Daneben soll eine Sonder-AfA für E-Fahrzeuge eingeführt und die Steuerbefreiung für Elektroautos bis zum Jahr 2035 verlängert werden. Emissionsfreie Lkw sollen über das Jahr 2026 hinaus von der Mautpflicht befreit, der Ausbau eines flächendeckenden Ladenetzes soll beschleunigt werden.

Keine Einigung gibt es bisher über eine neue Kaufprämie für E-Autos und für ein Social-Leasing-Programm für Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen, was beides die SPD wünscht. Verlangsamt werden könnte der Hochlauf der E-Mobilität im Gegenzug dadurch, dass die Union das Verbot neuer Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor ab 2035 rückgängig machen will; die SPD lehnt das ab.

Von Malte Kreutzfeldt

Das Original zu diesem Beitrag "Koalitionspapiere zum Klima: Viel Kritik und viele offene Fragen" stammt von Table.Briefings.