Missbrauchs-Doku: Oberhaching schaltet Anwalt ein
Der WDR-Beitrag „Unter Missbrauchsverdacht“ über einen ehemals in Oberhaching tätigen Erzieher, der am Donnerstag in der ARD ausgestrahlt wurde, schlägt hohe Wellen. Die Kommune hat jetzt einen Medienrechtsanwalt beauftragt, rechtliche Schritte gegen den WDR zu prüfen.
Oberhaching - Der Bericht enthält nach Angaben der Gemeinde eine Reihe falscher Tatsachenbehauptungen, wie es in einer Pressemitteilung heißt. Der Vorwurf, die Mitarbeiter der Gemeinde oder der Bürgermeister persönlich hätten jahrzehntelang weggeschaut, verharmlost oder gar vertuscht, sei nicht wahr.
Besucher ohne ihr Wissen gefilmt
Eine Rechtsverletzung könnten auch die Aufnahmen von Besuchern der 1275-Jahr-Feier darstellen. Mehr als 200 Personen haben sich laut Rathaus bei der Gemeinde gemeldet und sich darüber beschwert, dass sie ohne ihre Zustimmung gefilmt worden seien und ohne zu wissen, in welchem Zusammenhang die Bilder verwendet werden sollten.
Verdächtigungen intensiv aufgearbeitet
Die Gemeinde hatte nach der Ausstrahlung eines ersten Beitrags im Juli 2023 über Vorwürfe gegen den Erzieher an dessen früherem Arbeitsplatz in Norddeutschland mit Unterstützung einer Rechtsanwaltskanzlei sämtliche Verdächtigungen und Gerüchte in der Vergangenheit noch einmal intensiv aufgearbeitet. Zusätzlich hat auf Bitte der Gemeinde die Fachaufsicht im Jugendamt des Landkreises München gemeinsam mit Elternvertretern und den Leiterinnen der Einrichtungen alle Einsatzzeiten von 2018 bis 2023 mit den Dienstplänen und den Daten der elektronischen Zeiterfassung abgeglichen. Darüber hinaus wurden die Schutzkonzepte überprüft. Das Kreisjugendamt kam zu dem Ergebnis, dass zu keinem Zeitpunkt eine Gefährdung von Kindern durch den Mitarbeiter gegeben war. Die Behörde bestätigt auch, dass die Gemeinde Mutmaßungen oder Gerüchten immer sorgfältig nachging, ohne dass dies jemals zu Erkenntnissen über konkrete Tatsachen geführt hätte.
„Es ist sehr bedauerlich, dass wir aufgrund von Datenschutz und dem Schutz der Persönlichkeitsrechte nicht vollumfänglich informieren konnten, auch nicht zu den persönlichen Hintergründen oder Motivlagen der vom WDR interviewten Personen. Kein einziger der im Beitrag genannten Fälle war für uns neu, alle waren Gegenstand unserer Aufarbeitung“, sagte Bürgermeister Stefan Schelle. Die Gemeinde habe über Monate das Gespräch mit der Journalistin gesucht. Dies habe sie abgelehnt. Es sei bedauerlich, dass der WDR das wichtige Thema Kindesmissbrauch für, laut Gemeinde, „eine Skandalisierung und Personalisierung instrumentalisiert“.
Szenen, die nicht den Tatsachen entsprechen
In der Folge enthält der Beitrag nachgestellte Szenen, die von beteiligten Kolleginnen und Kollegen aus den Kindertageseinrichtungen gänzlich anders bewertet würden. Nachweislich wurde der im Beitrag gezeigten Kinderpflegerin nicht gekündigt, so die Gemeinde. Ein Wechsel der Einrichtung sei Praxis, wenn Kinder oder Eltern sich dort nicht wohlfühlen, unabhängig vom Grund dafür. Auf keinen Fall aber, um Verdachtsfälle zu vertuschen, wie im Beitrag behauptet. Bei den Ermittlungen 2018 wiederum gab es zwei Erzieher mit dem gleichen Vornamen. Der im Fokus stehende Erzieher war jedoch zum fraglichen Zeitpunkt gar nicht in der Einrichtung.
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Verdacht rechtfertigt keine Kündigung
Allein auf der Basis von Gerüchten oder Mutmaßungen sind keine arbeitsrechtlichen Maßnahmen oder gar eine Kündigung rechtswirksam möglich. Das bestätige ein aktuelles juristisches Gutachten auf der Basis der Personalakte. Bis heute gab es und gibt es nach Angaben der Gemeinde keinen einzigen belastbaren Verdachtsfall, wonach es zu Missbrauchshandlungen des Erziehers in einer Betreuungseinrichtung der Gemeinde Oberhaching gekommen ist. „Etwaige Verdachtsfälle sind nicht geeignet, die Beendigung eines langjährigen Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen“, heißt es etwa in dem Gutachten. (mm)