London führt neuen Geheimdienst gegen Putin ein: „Der Schatten des Krieges klopft an der Tür“

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Großbritannien reagiert auf Putins Drohungen. Ein neuer Geheimdienst soll dem Militär unter die Arme greifen. Sogar ein Mobilisierungsplan wird erarbeitet.

London – Großbritannien unternimmt drastische Schritte im Kampf gegen die hybride Kriegsführung von Wladimir Putin. So soll ein neuer Geheimdienst die britischen Streitkräfte unterstützen – und auch die russischen Geheimdienste in die Schranken weisen. Dies berichten Politico und die britische Tageszeitung The Times. Premierminister Keir Starmers Regierung reagiert damit auf die dramatische Zunahme feindlicher Aktivitäten, die britische Ermittler vor allem Russland zuschreiben.

Der britische Premierminister Keir Starmer spricht während eines Besuchs einer britischen Militärbasis im Westen Englands mit Angehörigen der Streitkräfte.
Der britische Premierminister Keir Starmer spricht während eines Besuchs einer britischen Militärbasis im Westen Englands mit Angehörigen der Streitkräfte. (Archivfoto) © Finnbarr Webster/AFP

Wie Politico und The Times berichten, haben sich Spionage und Sabotageversuche gegen Soldaten, Zivilangestellte und militärische Anlagen im vergangenen Jahr um rund 50  Prozent erhöht. Russische, aber auch chinesische und iranische Akteure hätten versucht, über Cyberangriffe, verdeckte Beobachtung und gezielte Kontaktaufnahmen sensible Daten über die britische Verteidigung zu gewinnen. Damit soll nun Schluss sein.

Großbritanniens neuer Geheimdienst soll Putin das Handwerk legen – mithilfe von Sci-Fi-Büro

Adrian Bird, Chef der Defence Intelligence, sprach in der Times von einem „signifikanten Wandel im Tempo der Bedrohung“. Saboteure hätten versucht, militärische Standorte zu fotografieren oder Soldaten über soziale Netzwerke zu kontaktieren – ein deutlicher Hinweis, dass die Spionageaktivitäten seit Beginn des Ukraine-Kriegs nochmals an Intensität gewonnen haben. Zuletzt häuften sich auch Berichte über russische Spionageschiffe vor Großbritanniens Küsten.

Der neue Geheimdienst, laut Politico stationiert auf einer Anlage der Royal Air Force in Cambridgeshire, bündelt erstmals alle militärischen Nachrichtendienste Großbritanniens. Es soll Informationen in Echtzeit verknüpfen – von Satellitenbildern über Drohnendaten bis zu Agentenberichten. Innerhalb der Behörde entsteht zudem eine eigene Defence Counter‑Intelligence Unit, spezialisiert auf das Aufspüren ausländischer Spione und das Absichern sensibler Programme wie das britische Nukleararsenal und High‑Tech‑Rüstungsprojekte.

Im Untergrund der Geheimdienstbasis hielten Techniker derweil eine Neuheit bereit: ein mobiles, abgeschirmtes Kommunikationszentrum mit dem Codenamen Tardis, eine Art fliegendes Datencamp – „ein Büro, das man in den Laderaum eines Flugzeugs werfen und überall in Betrieb nehmen kann“, zitiert die Times. Der Name ist eine Anspielung auf eine Raum-Zeit-Maschine aus der britischen Science-Fiction-Fernsehserie „Doctor Who“.

Großbritannien stellt neuen Geheimdienst vor: „Jede lebende Seele“ gegen Putins Russland verteidigen

„Der Schatten des Krieges klopft an Europas Tür“, warnte Al Carns bei der Eröffnungsveranstaltung für den neuen Geheimdienst. Europa stehe nicht mehr vor freiwilligen Einsätzen, sondern vor „Kriegen der Notwendigkeit“. Putins imperialer Kurs, so der Staatsminister für die britischen Streitkräfte, zwinge das westliche Bündnis zum Umdenken. Dass es Carns ernst ist, zeigte sich in seiner Wortwahl: Die Armee schütze künftig „jede lebende Seele im Königreich“.

Carns machte außerdem deutlich, dass sich die britische Bevölkerung auf eine sicherheitspolitische Zeitenwende einstellen müsse. Die Regierung erarbeite wegen Russlands Bedrohung einen Mobilisierungsplan, der auch zivile Strukturen einbezieht – von kritischer Infrastruktur bis hin zu Kommunikations- und Energieversorgung.

Seine Warnungen spiegeln die des NATO-Chefs Mark Rutte wider, der am Donnerstag in einer Rede in Berlin sagte: „Russland hat den Krieg nach Europa zurückgebracht, und wir müssen auf ein Ausmaß des Krieges vorbereitet sein, wie es unsere Großeltern und Urgroßeltern erlebt haben.“

Kampf gegen Putin: Großbritannien will Europas Sicherheitsanker werden

Der Aufbau des Geheimdienstes ist auch ein politisches Signal: London will sich nach Jahren der Sparpolitik wieder als Sicherheitsanker Europas positionieren – in enger Abstimmung mit der NATO, aber mit klar eigenständigem Profil. Schon im Zweiten Weltkrieg prägte das Königreich den Kampf der Alliierten gegen Nazi-Deutschland mit essenzieller Spionage.

Im Ukraine-Krieg zählt Großbritannien zu der sogenannten Koalition der Willigen. Zu der Unterstützergruppe gegen Russland zählen Staaten wie Deutschland, Frankreich sowie Italien und Norwegen. Mehr als 30 Staaten dieser Koalition arbeiteten mit Kiew für die Sicherheit an Land, in der Luft und auf See, betonte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erst am Donnerstag. (Quellen: The Times, Politico, dpa) (nak)