AfD-Mann marschbereit Richtung Bundestag: Kreis Ebersberg wohl mit zweitem Abgeordneten in Berlin
Christoph Birghan, AfD-Kreisvorsitzender aus Steinhöring, wird voraussichtlich zweiter Bundestagsabgeordneter im Landkreis Ebersberg. Von Rechtsextremismus in seiner Partei will er nichts wissen. Seine politischen Schwerpunkte setzt er abseits der Migration.
Steinhöring - Christoph Birghan aus Steinhöring wird sich am Montag nach der Wahl wohl auf den Weg nach Berlin machen. Die Chancen stehen hoch, dass der AfD-Kreisvorsitzende am Sonntag zum zweiten Bundestagsabgeordneten aus dem Landkreis Ebersberg gewählt wird. Faustformel: Ein Prozent für die AfD bedeutet ein bayerisches Mandat. Über die Landesliste werden also nach aktuellem Umfragestand um die 20 Abgeordnete ins Berliner Parlament einziehen. Damit müsste sich einiges verschieben, damit Birghan, Listenplatz 17, hinten runterfällt.
In Steinhöring will er bleiben – Gespräche mit potenziellen Büromitarbeitern laufen schon
Vermutlich werde erst am Montag Bescheid aus der Landeswahlleitung kommen. „Dann muss ich mich in Richtung Berlin in Marsch setzen“, sagt Birghan der EZ am Telefon. Noch am selben Tag konstituiere sich voraussichtlich die Landesgruppe. Ab dann ist das Leben des freiberuflichen Patentanwalts, passionierten Jägers und Vaters dreier Töchter wohl ein anderes. Seinen Beruf könne er zurückstellen, erzählt er. Sein Wohnsitz bleibe Steinhöring, üblich ist dazu eine Wohnung in Berlin. Zudem führe er Einstellungsgespräche. „Mit der Maßgabe, dass ich nichts versprechen kann. Aber die guten Leute sind als Erstes weg.“
Schließlich muss Birghan zwei, vielleicht sogar drei Büros mit Mitarbeitenden besetzen. Eins im Bundestag, eins im Wahlkreis 224, Traunstein, wo er als Direktkandidat antritt. „Ich strebe es an, wenn es sich finanziell ausgeht“, sagt er über ein drittes Büro im Kreis Ebersberg. Neben der monatlichen Abgeordnetendiät von 11 227,20 Euro bekommen Bundestagsabgeordnete eine Mitarbeiterpauschale von 25 874 Euro sowie eine steuerfreie „Aufwandspauschale“ von 5349,58 Euro. Doch Mieten und Lebenskosten im Münchner Raum seien hoch.
AfD-Mann aus Steinhöring will Betreuungsabgeordneter für den Landkreis Ebersberg werden
So oder so will Birghan im Landkreis präsent sein. „Ich gehe fest davon aus“, sagt Birghan über seine voraussichtliche Aufgabe als Betreuungsabgeordneter – solche benennen Parteien, die keinen Mandatsträger vor Ort haben.
FDP darf hoffen: Baldhamer bald im Bundestag?
Sollte die FDP bundesweit die Fünf-Prozent-Hürde schaffen, wäre der Landkreis Ebersberg sogar mit drei Abgeordneten im Bundestag vertreten: Martin Hagen, Bayern-Chef der Liberalen aus Baldham, ist nicht nur Direktkandidat im Landkreis Ebersberg. Er steht auf Platz eins der Landesliste und würde damit sicher mit seiner Partei in den Bundestag einziehen. Die jüngsten Umfragen lassen die FDP wieder hoffen: Nachdem es lange wenig rosig für sie ausgesehen hatte, schwanken die neuesten Vorhersagen zwischen 4 und 5 Prozent. Hagen, 43-jähriger Familienvater und Geschäftsführer, setzt sich für Bürokratieabbau und gesteuerte Migration ein. Parlamentserfahrung hat Hagen, Mitglied des Parteibundesvorstands: Hagen war ab 2018 zudem Fraktionsvorsitzender der FDP im Landtag, bis diese 2023 aus dem bayerischen Parlament gewählt wurde.
Die bayerische AfD überholt die Bundespartei etwa beim Thema Migration immer wieder rechts, wird vom Verfassungsschutz beobachtet und gilt als der radikalste Landesverband in Westdeutschland, manche mit kurzen Drähten in rechtsextreme Gruppen wie die Identitäre Bewegung. Die Landtagsfraktion fiel durch besonders starke Kreml-Nähe auf und geriet wegen des Festhaltens am wegen Volksverhetzung angeklagten Abgeordneten Daniel Halemba auch beim AfD-Bundesvorstand um Alice Weidel in die Kritik.
Intellektueller im Lodenjanker statt Wadlbeißer
Birghan gibt sich lieber als Intellektueller im Lodenjanker denn als Wadlbeißer; bleibt in seiner Wortwahl zurückhaltender als seine bayerischen Parteifreunde. Problematisch scheint er sie nicht zu finden. „Mir ist kein Rechtsextremist in der AfD bekannt“, sagt er. Was Parteiausschlussverfahren wegen Extremismus angehe, lege die AfD die „striktesten Vorgaben aller Parteien an, aber nicht so willkürliche wie der Verfassungsschutz“. Die „Brandmauer“ sei ein Problem der Union, nicht der AfD, die „bewusst falsch“ als rechtsextrem etikettiert werde.
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Zu Migration zitiert der Steinhöringer Horst Seehofer mit dem Begriff „Mutter aller Probleme“, sieht eigene Schwerpunkte im Bereich „Forschung, Bildung, Technik-Folgenabschätzung“. Er wolle sich für den ländlichen Raum, speziell Oberbayern, einsetzen. Deutschland müsse „den wirtschaftlichen Niedergang aufhalten und wieder zu einem innovativen Land werden“.
Gegen Windkraft - Forderung nach Corona-Untersuchung
Er stehe für die Krankenhauslandschaft, gegen das Wirtshaussterben. Bei der Energiepolitik trage er den Anti-Windkraft-Kurs seiner Partei mit, besonders im Ebersberger Forst. Als promovierter Virologe wolle er einen „Corona-Untersuchungsausschuss“, um die Rechtmäßigkeit und Wirksamkeit damaliger Maßnahmen zu untersuchen. Präsenz zeigte er bei den unangemeldeten Grafinger „Corona-Spaziergängen“ in der Lockdown-Phase oder jüngst als Redner bei der aus dem Coronaleugner-Milieu organisierten Anti-Windkraft-Demo in Ebersberg. Immer wieder sah man Birghan zuletzt am Wahlkampfstand, mangels Mandat ist der AfD-Kreisvorsitzende ansonsten im Landkreis Ebersberg abseits von Parteiveranstaltungen bislang wenig präsent.
In Bezug auf das künftige Verhältnis zum voraussichtlich weiterhin amtierenden Direktkandidaten des Wahlkreises Erding-Ebersberg, Andreas Lenz (CSU) aus Frauenneuharting, formuliert Christoph Birghan den Anspruch: „Dass ich dem Herrn Lenz ein bisschen auf die Finger schaue – und er mir.“