- Trumps Nahost-Vision: Abraham Accords statt Zwei-Staaten-Lösung

Gut zwei Wochen nach seiner Rückkehr ins Weiße Haus hat Donald Trump seinen ersten internationalen Besucher empfangen: den israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu. Die beiden haben während Trumps erster Amtszeit als US-Präsident bereits vertrauensvoll zusammengearbeitet.

In der Zwischenzeit hat sich im Nahen Osten viel getan: Die Hamas, die unter anderem von den USA, der EU und Deutschland als Terrororganisation eingestuft wird, hat am 7. Oktober 2023 Israel überfallen, rund 1.200 Menschen getötet und etwa 250 Menschen als Geiseln verschleppt. Israel hat mit einem beispiellosen Bombardement des Gazastreifens geantwortet. Die Vereinten Nationen halten palästinensische Angaben für realistisch, wonach mehr als 47.000 Palästinenser dort ums Leben gekommen sind. Mitte Januar war nach fast eineinhalb Jahren Krieg eine Waffenruhe in Kraft getreten.

Der Gazastreifen steht nun im Zentrum eines kontroversen Vorschlags, den Trump im Beisein von Netanjahu präsentierte.

Auch nach der Einigung auf einen Waffenstillstand gab es noch immer keine langfristige Vision für die Zukunft des Gazastreifens. In dieses Vakuum stößt Trumps Vorstoß: Er bringt den Einsatz der USA für den Wiederaufbau und die wirtschaftliche Entwicklung des weitgehend in Trümmern liegenden palästinensischen Küstengebiets ins Gespräch. Trump verknüpft dies jedoch mit der Absicht, auch politisch die Kontrolle dort auszuüben. Er sehe die USA in einer "langfristigen Eigentümerposition", sagte er bei der Pressekonferenz im Weißen Haus - und sehe dadurch die Chance, den Gazastreifen zur "Riviera des Nahen Ostens" zu entwickeln.

Die Wortwahl erinnert an einen Satz, den sein Schwiegersohn und früherer Nahost-Berater Jared Kushner Anfang 2024 in einem Interview gesagt hatte: Im Gazastreifen könne man "sehr wertvolle Anwesen entlang der Küstenlinie" entwickeln, wenn sich die Menschen auf den Aufbau einer lebenswerten Umgebung konzentrierten.

In Trumps Vorstellung wird die "Riviera" künftig von "Menschen aus aller Welt" bewohnt - allerdings nicht von Palästinensern. "Alle" sollten umgesiedelt werden, präzisierte er auf die Frage eines Reporters: "Ich denke, sie werden in Gebiete umgesiedelt, wo sie ein schönes Leben führen können und sich nicht jeden Tag Sorgen machen müssen, getötet zu werden."

Eine erzwungene Umsiedlung würde wohl gegen das sogenannte Völkergewohnheitsrecht verstoßen. Darin werden erzwungene Umsiedlungen grundsätzlich für unrechtmäßig erklärt, "es sei denn, die Sicherheit der beteiligten Zivilisten oder unerlässliche militärische Gründe machen dies zwingend erforderlich".

Trumps Aussagen lassen den Schluss zu, dass er von einem freiwilligen Umzug aller rund zwei Millionen Palästinenser aus dem Gazastreifen ausgeht: "Der einzige Grund, warum die Palästinenser nach Gaza zurück wollen, ist, dass sie keine Alternative haben", sagte Trump in der Pressekonferenz. Er schlug vor, dass die Nachbarstaaten Ägypten oder Jordanien sie aufnehmen sollten, was diese bereits vehement ablehnten.

Donald Trump hat bereits in seiner ersten Amtszeit weitreichende Entscheidungen mit Blick auf den Nahen Osten getroffen: Er veranlasste, dass die USA die von Israel annektierten Gebiete Ostjerusalems und in den Golanhöhen als israelisches Staatsgebiet anerkennen. Jerusalem wurde als Hauptstadt anerkannt, die US-Botschaft dorthin verlegt.

Zugleich bemühte sich Trump, Israel in seiner unmittelbaren Nachbarschaft diplomatisch aufzuwerten. Mit Ägypten und Jordanien hatte Israel bereits 1979 beziehungsweise 1994 Friedensverträge geschlossen; jeweils unter Vermittlung der damaligen US-Präsidenten Jimmy Carter und Bill Clinton. Trump brachte verbleibende Länder an den Tisch, die formell das 1948 gegründete Israel bis dahin noch nicht einmal anerkannten. In einem ersten Schritt erklärten Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate in den sogenannten Abraham Accords, den Staat Israel anzuerkennen und diplomatische Beziehungen aufzubauen. Wenig später folgten Marokko und der Sudan.

Das noch fehlende Herzstück der Abraham Accords wäre Saudi-Arabien - der größte und mächtigste Staat der arabischen Halbinsel, dessen Staatsgebiet bis auf wenige Kilometer an Israels Süden heranreicht. 2023, unter US-Präsident Joe Biden, schien eine Einigung in greifbare Nähe zu rücken. Erst der Terrorangriff der Hamas und die darauffolgende israelische Militäroperation ließen die Normalisierung wieder in weite Ferne rücken.

Insgesamt will Trump Israel also stärker inmitten seiner sunnitischen Nachbarn verankern. In seiner ersten Amtszeit ging es dafür unter anderem auch um eine "arabische NATO" - also eine sunnitisch-amerikanisch-israelische Verteidigungsachse als Bollwerk gegen den Iran. Daran hätte wohl auch Saudi-Arabien ein Interesse. Doch seit dem 7. Oktober hat die saudische Staatsführung unter König Salman mehrfach klargestellt, dass eine Normalisierung mit Israel erst infrage komme, wenn eine Zwei-Staaten-Lösung Realität sei.

Die Zwei-Staaten-Lösung ist das Konzept, hinter dem sich viele ausländische Mächte nach wie vor versammeln - darunter Deutschland und zahlreiche weitere EU-Mitglieder. So sprachen Irland, Spanien und Norwegen von einem Bekenntnis zur Zwei-Staaten-Lösung, als sie im Mai 2024 die Anerkennung eines palästinensischen Staates in die Wege leiteten.

Der Begriff beschreibt die Vision, in der ein vollwertiger Palästinenserstaat und Israel in gegenseitig anerkannten Grenzen als Nachbarn koexistieren. Vorstöße dafür gab es seit Israels Staatsgründung 1948 immer wieder. Im Rahmen des Oslo-Friedensprozesses der 1990er-Jahre wurden sogar konkrete Schritte für mehr palästinensische Autonomie beschlossen. So wurde das besetzte Westjordanland teilweise unter von Israel akzeptierte Selbstverwaltung gestellt.

Trump rückte in seiner ersten Amtszeit zeitweise von einer Zwei-Staaten-Lösung ab, bevor er 2020 mit Netanjahu einen neuen Plan für deren Umsetzung vorstellte. Dieser wurde bereits als einseitig zugunsten Israels kritisiert, das in den Jahren zuvor den Siedlungsbau im Westjordanland verstärkt hatte. Durch die weiter wachsenden, völkerrechtlich illegalen Siedlungen und Außenposten wird eine Zwei-Staaten-Lösung immer weiter erschwert, weil sie wie miteinander verbundene Inseln im Westjordanland liegen und somit den territorialen Zusammenhalt schwächen.

Seit dem 7. Oktober hat sich Netanjahus rechts-religiöse Regierung mit zunehmender Vehemenz gegen eine Zwei-Staaten-Lösung ausgesprochen. Im Juli 2024 verabschiedete die Knesset eine Resolution gegen die Anerkennung Palästinas. Staatspräsident Itzchak Herzog sagte auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2024, eine Zwei-Staaten-Lösung erscheine derzeit wie eine Belohnung für die Hamas.

Mitarbeit: Jennifer Holleis

Von David Ehl

Das Original zu diesem Beitrag "Trumps Nahost-Vision: Abraham Accords statt Zwei-Staaten-Lösung" stammt von Deutsche Welle.