Anekdoten aus 125 Jahren Trachtenverein Ettal-Graswang – Gottschalk-Besuch und ein kurioser Polizeieinsatz
Der Volkstrachtenverein „Ettaler Manndl“ wird 125 Jahre alt. Die große Feier steigt vom 27. bis 30. Juni. Kurz zuvor plaudert ein Urgestein aus dem Nähkästchen.
Graswang – Es ist kurz vor Mitternacht. 13 Graswanger Trachtler steuern die Ettaler Mühle an. Die wird in dieser Nacht, am 20. August 1977, zum Tatort. Kurz zuvor gab es Streit mit den Musikern. Mal wieder. Die zwei Vereine mögen sich nicht besonders. Ein ungeschriebenes Gesetz lautet: Graswanger gehen zum Trachten-, Ettaler zum Musikverein. Als es im Vorfeld eines Heimatabends wieder Differenzen gibt, hecken die Trachtler einen Plan aus.
Immer wieder Differenzen zwischen Trachten- und Musikverein – Höhepunkt im Jahr 1977
An der alten Mühle findet am nächsten Tag das jährliche Gartenfest statt. Mit einem Auftritt der Musiker. Für sie steht schon eine Bühne bereit – aufgebaut von den Trachtlern. Das wollen sie nun rückgängig machen. Mit Traktor und Anhänger rücken die jungen Männer im Schutz der Dunkelheit an. Mittendrin: Helmut Schalch. Der 83-Jährige sitzt auf seiner Terrasse in Graswang und schmunzelt.
Sofort weiß er, welche Geschichte er erzählen soll, wenn man ihn nach einer besonderen Anekdote fragt. Viel hat der pensionierte Malermeister erlebt mit seinem Trachtenverein, der jetzt sein 125-jähriges Jubiläum feiert. Seit 1959 ist Schalch Mitglied. „Ja, das war damals eine richtige Rivalität“, sagt er über das Verhältnis zu den Musikern. Oft ging es um die Höhe der Auftrittsgagen. Die Trachtler empfanden die Forderung der Musikanten immer wieder als zu hoch.

Trachtler wollen den Musikern einen Streich spielen – Dann kommt sogar die Polizei
Es hat sich Ärger aufgestaut bei den Trachtlern. Dem lassen sie in der Nacht auf den 21. August 1977 freien Lauf. Sie beginnen mit dem Abbau der Bühne, entfernen Brett für Brett. Doch das Treiben bleibt nicht unbemerkt. Neben der Mühle wohnt eine Familie, die Mutter ist an diesem Abend zuhause. Und alarmiert die Polizei. Wenige Minuten später stellen die Beamten die Graswanger an der Ettaler Mühle zur Rede.
„Wir haben das alles ein bisschen relativiert“, erinnert sich Schalch. Offenbar mit Erfolg. Die Polizisten fahren zurück nach Oberammergau, die Trachtler setzen ihre Mission fort. Die Bühnenteile bringen sie nach Graswang. Am nächsten Morgen trauen die Musikanten ihren Augen nicht. „Da war richtig was los“, sagt Schalch. „Eine Mordsgaudi war’s trotzdem.“ Damals hält der Chronist des Musikvereins fest: „Das wird noch Folgen haben.“
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Mittlerweile kommen beide Ortsverein wieder gut miteinander aus
Der Vorfall aber blieb der Höhepunkt der Auseinandersetzungen. Mittlerweile arbeiten der Musik- und Trachtenverein miteinander statt gegeneinander. Auch beim großen Fest zum Jubiläum am kommenden Wochenende in Graswang treten die Musikanten auf – und nicht nur sie (siehe Kasten). „So gehört es sich doch“, sagt der 83-Jährige, der sich auch der Musik verbunden fühlt. Mit seinem Akkordeon begleitete Schalch zahllose Plattlerproben. Mit zwei Freunden zog er als „lustige Vagabunden“ durch das Ammertal.
Die Nacht auf den 21. August 1977 hat sich in das Gedächtnis der Dorfbewohner eingebrannt. Korbinian Albrecht erinnert sich ebenfalls noch gut an die Aktion, auch wenn er selbst nicht dabei war. Dafür sorgte er für einen anderen unvergessenen Höhepunkt in der Vereinsgeschichte. Und zwar auf einer der größten Bühnen, die das Deutsche Fernsehen viele Jahre zu bieten hatte.

Großer Auftritt bei „Wetten, dass?“ - Gegenbesuch von Thomas Gottschalk
Zusammen mit Hans Utzschneider nahm er 1982 an der TV-Show „Wetten, dass?“ teil. Damals noch mit Moderator Frank Elstner. Als Wettpate der Graswanger trat kein Geringerer auf als Thomas Gottschalk – das Gesicht der Show in der Ära nach Elstner. Einen 50 Zentimeter dicken Baumstamm wollten die beiden Oberbayern – gekommen waren sie natürlich in Lederhose, Joppe und Hut – mit einer Wiagsog schneller durchschneiden als ihr Gegner mit der elektrischen Motorsäge. „Mit ganz schön viel Strom“, sagt Albrecht lachend. Nur ein paar Sekunden war sie am Ende schneller als die zwei Trachtler.
Ein Gutes hatte die verlorene Wette. Weil Gottschalk an die Graswanger geglaubt hatte, musste er seine Schuld begleichen. Dafür kam der legendäre Moderator nach Ettal, wo er am Benediktinergymnasium eine Unterrichtsstunde hielt. Am selben Abend besuchte er die Trachtler in der Klostertenne, wo er sich noch einmal live vom Können der Männer im Wiagsogschneiden überzeugte.

Gründung im Jahr 1899 - Nun folgt die große Feier
Es sind nur zwei kleine Episoden in der 125-jährigen Geschichte des Trachtenvereins, die mit der Gründung im Jahr 1899 durch Konstantin Reichenbach und sieben weitere Mitglieder im alten Ettaler Klosterbräustübl begann. Sie zeigen jedoch, wie viel Erzählstoff so ein Ortsverein bietet.
125 Jahre Volkstrachtenverein „Ettaler Manndl“ – große Feier steigt in Graswang
Donnerstag, 27. Juni: Brettl-Spitzen ab 20 Uhr live im Graswanger Bierzelt (Schattenwaldweg). Einlass 18.30 Uhr.
Freitag, 28. Juni: Kapelle Josef Menzl spielt im Festzelt auf. Beginn 20 Uhr, Einlass 18.30 Uhr.
Sonntag, 30. Juni: Festsonntag mit Gottesdienst, Fahnenweihe und großem Umzug. Beginn 9 Uhr.
Tickets für die beiden Festzelt-Abende sind noch erhältlich. Verkaufsorte: Schaukäserei Ettal, VR-Bank Oberammergau und Bad-Kohlgrub oder online unter: https://vtv-ettaler-manndl-125.cortex-tickets.de.
18 Vorsitzende führten ihn und seine Mitglieder – 117 zählt er heute – in die Gegenwart. Stille Zeugin ungezählter Erlebnisse ist die Vereinsfahne. Über 123 Jahre begleitete sie die Trachtler bei zahlreichen Gaufesten und Festzügen. Sie geht nun in den Ruhestand. Am Festsonntag, 30. Juni, bekommen die Trachtler eine neue, dann geweihte Fahne. Auch sie wird in den nächsten Jahrzehnten wieder viel erleben mit den Kindern, Frauen und Männern vom Trachtenverein Ettaler Manndl. (tsch)