Erneute Patzer setzten Biden vor US-Wahl zu – Darum ist Trump jetzt die beste Waffe der Demokraten

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Während der Fokus im US-Wahlkampf auf der Gesundheit von Joe Biden liegt, bleibt Donald Trump überraschend ruhig. Ein Problem für die Demokraten und die Gesundheit der USA.

Kaum jemanden kann die USA, ihre Politik und die kommenden Präsidentschaftswahlen besser analysieren als er: der amerikanische Politikwissenschaftler James W. Davis. Er ist ausgewiesener Experte für US-Politik und Internationale Beziehungen, lehrt seit Jahrzehnten im deutschsprachigen Raum. Für IPPEN.MEDIA schreibt er regelmäßig über die Lage der USA und die kommende Präsidentschaftswahl.

Seit zwei Wochen gibt es in der amerikanischen Innenpolitik nur ein einziges Thema: Wird sich Joe Biden aus dem Rennen zurückziehen? Ausgelöst durch den katastrophalen Auftritt des amtierenden Präsidenten bei der ersten Präsidentschaftsdebatte, sind die Zweifel an der Fähigkeit des 81-Jährigen, nur Donald Trump zu schlagen, sondern auch das Land weitere vier Jahre kompetent zu führen, nicht geringer geworden.

Demokraten vor US-Wahl 2024 im Krisenmodus – Zweifel an Bidens Gesundheit wachsen

Ein gerade so passables Fernsehinterview zur Hauptsendezeit, gefolgt von einem nicht gerade überragenden Auftritt auf der Pressekonferenz nach dem Washingtoner NATO-Gipfel, hat bei denjenigen zu noch mehr Sorgen geführt, die befürchteten, dass der Präsident völlig den Faden verloren habe. Gleichzeitig aber haben diese Auftritte bei denjenigen, die einen weiteren großen Fauxpas befürchteten, zu noch mehr Bedenken geführt.

Zwar hat der Präsident sich gefangen, nachdem er den Präsidenten der Ukraine als Wladimir Putin vorgestellt hatte (er hat ähnliches getan, nachdem er bei einer Antwort seine Vizepräsidentin Donald Trump nannte), aber die Tatsache, dass es offensichtlich eine Diskrepanz gibt zwischen dem, was er denkt, und dem, was aus seinem Mund kommt, lässt berechtigte Fragen über seine neurologische Gesundheit aufkommen.

Donald Trump ist für seine Verhältnisse überraschend ruhig im US-Wahlkampf. Das könnte für die Demokraten zum Problem werden, analysiert der Politikwissenschaftler James Warren Davies. © Montage: Steve Helber/dpa/fkn

Trumps Pläne werfen Fragen über Gesundheit der USA auf – Bidens Aussetzer vor US-Wahl lenken davon ab

Die tragische Ironie des Ganzen ist, dass sein Kontrahent genau das sagt, was er denkt und höchstwahrscheinlich auch tun würde, sollte er eine zweite Amtszeit bekommen. Und diese Aussagen sollten Anlass zu berechtigten Fragen über die künftige Gesundheit unserer Demokratie und Wirtschaft sein! Das Justizministerium? Es sollte dazu benutzt werden, Trumps politische Gegner zu verfolgen. Und das von einem Mann, der selbst mit zahlreichen Anklagen wegen politischer und persönlicher Korruption und konfrontiert ist.

Die Krise an der Grenze zu Mexiko? Der ehemalige Oberbefehlshaber der Streitkräfte will die Nationalgarde mobilisieren, um 10 bis 20 Millionen Menschen aufzuspüren, festzunehmen und ohne Prozess anschließend abzuschieben. Unfaire Handelspraktiken von China? Zusätzlich zu einem pauschalen Zoll von 10 % auf alle importierten Waren will Trump einen weiteren Zoll von 60 % auf alle chinesischen Importe erheben. Das würde Produkte wie Smartphones und Medikamente betreffen, die unter den meist importierten Gütern aus China zählen. Ich kann mir kaum vorstellen, dass die Durchschnittsamerikaner zu Preiserhöhungen bei Dingen bereit sind, die für ihr tägliches Leben inzwischen unerlässlich sind.

Jeder Tag, an dem wir über Bidens Gesundheit sprechen, ist ein Tag, an dem wir nicht über die zukünftige Gesundheit Amerikas sprechen!

Trump vor US-Wahl 2024 ungewöhnlich ruhig – Vize-Entscheidung fällt in der kommenden Woche

Trump seinerseits hat sich seit den Debatten untypisch ruhig verhalten. Er hat nur wenige Wahlkampfveranstaltungen durchgeführt und nur eine Handvoll Medienauftritte absolviert. Man fragt sich, woher er die Selbstdisziplin nimmt. Schließlich wird es einem Narzissten immer extrem schwerfallen, nicht im Mittelpunkt zu stehen.

Ganz zum Glück der Demokraten wird sich das bald ändern. Kommende Woche treffen sich die Republikaner in der Stadt Milwaukee im Mittleren Westen zu ihrem Parteitag. Die große Frage ist, wen Trump als seinen Vize auswählen wird. Wird er sich für ein Mitglied des populistischen MAGA-Flügels («Make America Great Again») der Partei entscheiden? Oder wird er sich für jemanden aus der Gruppe der traditionelleren Konservativen entscheiden, um die Partei zu vereinen und ein Zeichen für eine neu gefundene Mäßigung zu setzen?

Zur Person

► James W. Davis, US-Amerikaner, ist einer der renommiertesten Experten für US-Politik und internationale Beziehungen.

► Er studierte Internationale Beziehungen an der Michigan State University, promovierte 1995 in Politikwissenschaft an der Columbia University und habilitierte an der Ludwig-Maximilians-Universität München, wo er bis 2005 lehrte.

► Seit 2005 ist er Professor für Internationale Beziehungen und Direktor des Instituts für Politikwissenschaft an der Universität St. Gallen.

►Davis ist Autor mehrerer Bücher und hat zahlreiche wissenschaftliche Ehrungen erhalten, darunter Gastprofessuren und Fellowships an renommierten Institutionen.

Biden schwächelt vor US-Wahl – Trump ist die beste Waffe der Demokraten

Letzteres wäre sinnvoll, wenn er versuchen will, die Stimmen der Frauen in den Vorstädten zurückzugewinnen, die durch die Aufhebung eines 50 Jahre alten Urteils des Obersten Gerichtshofs, welches das Recht der Frau auf Abtreibung garantierte, verunsichert wurden. Aber die Wahl wäre auch riskant, denn seine eigene Basis fordert ein Bundesgesetz, dass Abtreibungen vollständig verbieten würde.

Doch für wen auch immer er sich entscheidet, Trump wird wieder im Rampenlicht stehen. Gut so! Denn so seltsam es auch klingen mag, ist Trump im Moment die beste Waffe der Demokraten!

„Projekt 2025“ nach der US-Wahl: Trumps dystopische Visionen für eine zweite Amtszeit

Da sie nicht in der Lage sind, das Gespräch auf ihre eigenen Pläne für eine zweite Amtszeit zu lenken, können die Demokraten nur davon profitieren, dass die Medien verstärkt Trumps dystopische Visionen in den Mittelpunkt stellen. Einige der beängstigendsten davon finden sich im „Projekt 2025“, einem Aktionsplan, der von der Heritage Foundation, einer konservativen Denkfabrik in Washington, entworfen wurde. Trump behauptet, keine Kenntnis von dessen Inhalt zu haben. Doch lässt die Tatsache, dass es mit Unterstützung zahlreicher hochrangiger Mitglieder seiner Regierung, darunter viele ehemalige Minister, ausgearbeitet wurde, vermuten, dass er wie gewohnt nicht ganz ehrlich ist.

Einige der durch das Projekt 2025 geförderten Maßnahmen?

  • Das Beenden der Ausbau des Stromnetzes für Wind- und Solarenergie.
  • Die Abschaffung des Bildungsministeriums.
  • Die offizielle Anerkennung des Sabbats.
  • Die Einstellung aller Bundesgesundheitsprogramme für LGBTQ+ Personen. Gleichzeitig soll die Regierung erklären, dass heterosexuelle Paare die bessere Familienstruktur stellen. Der Begriff „sexuelle Orientierung“ soll aus der Bundesgesetzgebung verbannt werden.
  • Die Säuberung des öffentlichen Dienstes von unparteiischen Beamten und die Einsetzung von Trump-Loyalisten, die bei der Verwirklichung der anderen Pläne helfen sollen.

USA braucht vor US-Wahl 2024 wieder „tägliche Dosis Trump“

Keiner dieser Pläne wird die Unterstützung einer Mehrheit der Amerikaner erhalten. Sie erleben gerade in diesem Sommer eine beispiellose Serie von Hitzewellen und Dürren, machen sich Sorgen über das sinkende Bildungsniveau im weiten Teilen des Landes, schätzen die Trennung von Kirche und Staat, sehen die LGBTQ+-Rechte als eine Frage der Fairness und der individuellen Freiheit und erwarten, dass sie in ihrem Umgang mit dem Staat auf professionelle Staatsdiener und nicht auf eine Truppe von skrupellosen Partei-Bonzen treffen.

Auch wenn viele von uns die zweiwöchige Pause genossen haben, erfordert die zukünftige Gesundheit des Landes leider eine Rückkehr zu unserer täglichen Dosis Trump. (James Warren Davies)

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