Treffer auf gut Glück: Russland nimmt F-16-Flugplatz ins Visier
Russland nimmt einen der wichtigsten Flugplätze der Ukraine unter Dauerfeuer und hofft darauf, zufällig eine F-16 zu erwischen.
Starokostjantyniw – Auf einen „Glückstreffer“ würden sie hoffen, sagt Oleksandr Musienko. Der Wissenschaftler des Kiewer Zentrums für militärisch-rechtliche Studien soll das in einem Fernseh-Interview gesagt haben über die Bemühungen Russlands, den Boden für die erwarteten F-16 zerbomben zu lassen. Das berichtet die Kyiv Post. Wladimir Putin soll sich eingeschossen haben auf den Flugplatz nahe der Stadt Starokostjantyniw.
Laut der Kyiv Post habe ein erneuter Angriff, möglicherweise mit Kh-101-Marschflugkörpern, zwar keinen Schaden angerichtet. Russland bombardiere aber den Stützpunkt seit einiger Zeit wiederholt – seit mehr als einem Jahr liegt die dortige Luftwaffenbasis unter Feuer. Dort soll aber die Zukunft der Ukraine aufblühen, aus Schutt und Asche womöglich.
Musienko erklärte laut der Kyiv Post, dass Putins Truppen darauf spekulierten, Piloten zu töten oder geparkte Maschinen zu zerstören – wie das der Ukraine jüngst mit Putins Prestigebomber Su-57 auf dem in Russland gelegenen Flugplatz Achtubinsk
gelungen war. Da den ukrainischen Piloten jedoch normalerweise genügend Vorwarnzeit bliebe, um die Flugzeuge vor einem Raketeneinschlag zu evakuieren oder in Deckung zu bringen, bestehe das Hauptziel der russischen Angriffe auf Starokostjantyniw darin, die Infrastruktur des Luftwaffenstützpunkts zu zerstören, schreibt das Portal.
Zivilisten unbeugsam gegen Putin: „Das war immer ein Zentrum des Widerstandes“
Die Menschen in dem rund 35.000 Köpfe zählenden Ort hätten sich beinahe schon an den Krieg gewöhnt, schreibt die Nachrichtenagentur Reuters über eine Bombennacht Anfang Juli. „Stunden nach dem Angriff war in den sauberen Straßen von Starokostjantyniw ein Anschein von Normalität zurückgekehrt“, notiert Autor Dan Peleschuk und zitiert Vasyl Muliar: Der Stadtbeamte und lokale Kulturexperte erzählte der Agentur von der Geschichte der Stadt „als Verteidigungsbastion im 16. Jahrhundert und als wichtiges Nervenzentrum für die Unabhängigkeitskämpfer der jungen Ukrainischen Volksrepublik nach dem Ersten Weltkrieg“; „das war immer ein Zentrum des Widerstandes“, sagte Muliar.
„Jede bodengestützte Luftverteidigung kann gesättigt werden, wenn die Russen genügend Wert darauf legen, genügend Raketen auf ein Ziel abzufeuern.“
Möglicherweise werden dort die westlichen F-16 stationiert werden, insofern ist der Flughafen für den Verlauf des Ukraine-Krieges wichtig. Die Kyiv Post berichtet von neuerlichen nächtlichen Angriffen der russischen Langstreckenbomber Tu-95, die fünf Kh-101-Marschflugkörper auf „den wichtigsten Bomberstützpunkt der ukrainischen Luftwaffe“ abgefeuert hätten. Die ukrainische Luftwaffe spricht demnach davon, dass sämtliche Raketen eliminiert worden wären; dazu noch 19 Shahed-Kamikaze-Drohnen, die aus dem russischen Verwaltungsbezirk Kursk heraus gestartet sein sollen, um die Marschflugkörper zu begleiten und die Luftabwehr der Ukraine auszutricksen. Die gesamte Infrastruktur zur Stationierung der westlichen F-16-Kampfjets sei intakt geblieben.

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Putins Terror lauert überall: Die F-16 ist in der Luft und am Boden in Gefahr
Heikel ist dieses Thema allemal, denn die Flieger sind in der Luft genauso in Gefahr wie am Boden: „Geplant ist, die F-16 in der Ukraine zu stationieren“, sagte jüngst Jake Sullivan dem amerikanischen Sender PBS. „Das bilaterale Sicherheitsabkommen, das der (US-)Präsident und Präsident Selenskyj unterzeichnet haben, untermauert diesen Punkt: Wir wollen der Ukraine helfen, diese Fähigkeit zu erlangen. Es sollte eine Fähigkeit sein, die in der Ukraine angesiedelt ist“, äußerte der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden.
Der Einsatz der Flieger von den Territorien der Nato-Partner Polen und Rumänien aus scheint damit vom Tisch zu sein. Während also die künftigen Piloten den Umgang mit dem Kampfjet lernen, müssen parallel die Boden-Crews den Vögeln ihren Horst bereiten, wie das Magazin Politico schreibt. Justin Bronk bleibt kritisch bezüglich des Zeitpunkts für den ersten Einsatz der Maschinen, wie er in einem Youtube-Podcast geäußert hat. Der Analyst des britischen Royal United Services Institute for Defence and Security Studies (RUSI) erwarte eine „Entscheidung unter Berücksichtigung von Risiko und Zeitrahmen“, wie ihn der Guardian zitiert. „Ich hoffe, die Entscheidung wird getroffen, wenn Piloten und Bodenpersonal taktisch und operativ einsatzbereit sind, und nicht auf der Grundlage, dass ‚die Dinge schlecht aussehen und wir einen politischen Sieg brauchen‘“.
US-Bomber landen 2018 erstmals in der Ukraine
Im Fokus eines erneut aufflammenden Kalten Krieges nach der russischen Annexion der Krim 2014 stand der Flughafen Starokostjantyniw bereits im Jahr 2018 – von ihrem „historischen ersten Einsatz in der Ukraine“ berichtete damals der Blog Aviationist, als erstmals mit F-15C-Jets der US-Luftwaffe Nato-Flieger auf dem Gelände ein- und ausflogen. „Die US-amerikanischen F-15 nehmen an ,Clear Sky 2018‘ teil, einer multinationalen Übung, an der sich 950 Militärangehörige aus neun Ländern beteiligen, deren Einsatzmittel auf mehrere Stützpunkte sowohl in der Ukraine als auch in Polen verteilt sind“, schrieb der Aviationist damals.
„Clear Sky 2018“ war Teil der speziell in Norwegen angesiedelten Nato-Großübung „Trident Juncture 18“ und geplant als Botschaft an Russland: „Wir sind bereit, alle Bündnispartner gegen jegliche Gefahr zu verteidigen“, wie Zeit Online den Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg zitierte. Laut dem Aviationist seien Luft-Boden-Angriffe geübt worden, taktische Luftunterstützung und Abfangeinsätze, dazu Lufttransporte, Rettungsflüge und Pilotenbergungen. Der Einsatz in Polen und der westlichen Ukraine sollte Flagge zeigen für den seit Mitte der 1990er-Jahre näher an die Seite der Nato gerückten ehemaligen Teil der Sowjetunion.
Für Putin ein Dorn im Auge: Starokostjantyniw ist wichtiger Luftwaffenstützpunkt der Ukraine
Starokostjantyniw liegt im Westen der Ukraine, 300 Kilometer entfernt von Kiew und etwas mehr als 400 Kilometer von der grenznahen polnischen Stadt Lublin. Der zur Stadt gehörige Flugplatz gilt seit der russischen Invasion 2022 als wichtigster Luftwaffenstützpunkt der ukrainischen 7. Taktischen Flugbrigade mit ihren Su-24M-Bombern. Die ukrainische Luftwaffe habe von dort mehrere erfolgreiche Luftschläge mit Storm Shadow-Marschflugkörpern auf russische Munitionslager auf der annektierten Schwarzmeerhalbinsel Krim geführt, schreibt der Spiegel.
Auch der mit einer SCALP-Schiffsabwehrrakete geführte Angriff auf das U-Boot Rostow am Don und das Hauptquartier der russischen Schwarzmeerflotte in der Krim-Hafenstadt Sewastopol soll durch Su-24M-Bomber von Starokostjantyniw aus geführt worden sein. Einer der Scharfmacher der russischen Angriffsbemühungen ist der russische Militärblogger „Fighterbomber“, ein vermeintlich ehemaliger Pilot der russischen Luftwaffe. Laut der Kyiv Post beschwört er auf seinem Telegram-Kanal das wiederholte Bombardement der Air Base. Er bezweifelt die Kraft der russischen Waffen, die Starokostjantyniw erreichen könnten, die Hangars unbrauchbar zu machen oder untergebrachte Flugzeuge direkt zu zerstören.
Putins Plan: Die Luftabwehr der Ukraine bis zur Erschöpfung beschäftigen
Dort sollen Hangars aus Stahlbeton stehen und geschützte Radaranlagen. „Fighterbomber“, so die Kyiv Post, spräche sich aus für wiederholtes Bombardieren in der Hoffnung, dass irgendwann einmal Hangartüren offenstünden und Splitter Flugzeuge beschädigten. Oder die Piste. Der Nachteil der multifunktionalen F-16 liegt schließlich in deren hohem Anspruch an die Bodenbeschaffenheit – diese Schwäche wird Wladimir Putin nutzen wollen. „Einige westliche Kampfflugzeuge, wie die weit verbreiteten F-16, kommen am besten auf langen, makellosen Landebahnen zurecht. Auf den holprigeren ehemaligen sowjetischen Pisten, die über die ganze Ukraine verstreut sind, könnten sie jedoch Schwierigkeiten haben“, schreiben John Hoehn und William Courtney.
Die Analysten des kalifornischen Thinktanks RAND sehen darin die aktuelle Herausforderung der Ukraine. Die Kh-101 könnte insofern alle Bemühungen der Verteidiger im Keim ersticken. Das Portal Defense Express sieht deshalb die Luftabwehr der Ukraine in der Verantwortung: „Angesichts der Ankunft der F-16-Flugzeuge in der Ukraine in diesem Jahr ist es daher äußerst wichtig, solche Raketen im Voraus abzuschießen.“
Was wahrscheinlich eine zusätzliche Herausforderung werden wird: Das ukrainische Militär, das nur über wenig Munition zur Flugabwehr verfügt, werde vermutlich auch gezwungen sein, die wertvollen Flugzeuge auf anderen Flugplätzen zu verlegen, sagte Justin Bronk gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters Anfang Juli angesichts eines vorherigen Angriffs auf den Flugplatz Starokostjantyniw. Der RUSI-Analyst sieht einen Erfolg des russischen Luft-Terrors heraufziehen: „Jede bodengestützte Luftverteidigung kann gesättigt werden, wenn die Russen genügend Wert darauf legen, genügend Raketen auf ein Ziel abzufeuern.“