„Der Staat hat versagt, wir übernehmen“ – Jugendbande bedroht deutschen Ort

Ein Dorf schlägt Alarm. Die Polizei ist machtlos, eine Jugendgang dominiert Straßen und Plätze, Eltern fürchten um ihre Kinder. Was passiert mit einem Ort, wenn Vertrauen in die Sicherheit schwindet? Und warum nutzen extreme Gruppen genau solche Lücken für ihre Propaganda?

Was geschieht, wenn die Angst in den Alltag einzieht?

Wenn Eltern ihre Kinder nicht mehr allein zur Bushaltestelle lassen. Wenn Menschen Umwege gehen, um Auseinandersetzungen zu meiden. 

Wenn Blicke misstrauisch werden, Gesprächspartner schweigen und sich nachts die Rollläden früher schließen. Dann ist nicht nur die öffentliche Ordnung gestört – sondern auch das psychische Sicherheitsgefühl.

Der Ort ist kein Einzelfall. Es ist das Protokoll eines Vertrauensverlustes in Echtzeit. Menschen wollen Sicherheit. Kein Luxus, kein Bonus, sondern ein Grundbedürfnis, tief verankert in unserem limbischen System. 

Wird dieses Bedürfnis verletzt, kippt etwas im inneren Kompass. Erst kommt die Angst, dann das Misstrauen – und schließlich der Wunsch nach „Selbstschutz“, der oft in Aktionismus mündet.

Warum Bürgerwehren nicht nur ein Hilfeschrei, sondern ein Alarmsignal sind

Psychologisch gesehen sind Bürgerwehren ein Versuch, Kontrolle zurückzuerlangen – über das eigene Leben, den eigenen Wohnort, das eigene Gefühl von Ordnung. Das ist nachvollziehbar. 

Doch gleichzeitig öffnen sie ein Tor: für Willkür, für das Recht des Stärkeren und – oft unbeabsichtigt – für Menschen, die ganz andere Interessen verfolgen.

Über Christoph Maria Michalski

Christoph Maria Michalski ist „Der Konfliktnavigator“ – renommierter Streitexperte, Autor des neuen Buches „Streiten mit System – Wie du lernst, Konflikte zu lieben“ und gefragter Redner. Seine praxiserprobten Methoden helfen Führungskräften und Teams, auch knifflige Situationen souverän zu meistern. Mit einem ungewöhnlichen Dreiklang aus Musikpädagoge, Erwachsenenbildner und IT-Profi bringt er Verstand, Gefühl und System in Einklang. Sein Versprechen: weniger Stress, mehr Erfolg, mehr Leichtigkeit. Privat ist er Zauberer, Marathonläufer und Motorradfan – ein lebendiger Beweis dafür, dass Energie und Kreativität keine Gegensätze sind.

Wenn sich Bürger zusammenschließen, um „für Ruhe zu sorgen“, kann das schnell zum Nährboden werden. Für Übergriffe. Für Drohungen. Für Parallelstrukturen. 

Und damit beginnt eine gefährliche Grauzone zwischen Schutzbedürfnis und Selbstjustiz. Genau diese Grauzone nutzen extremistische Gruppen gezielt aus.

Warum extreme Gruppen in solchen Momenten so gefährlich überzeugend wirken

„Wir schützen euch.“ „Wir bringen Ordnung zurück.“ „Der Staat hat versagt, wir übernehmen.“ – Das ist die Rhetorik populistischer und extremistischer Bewegungen. In Momenten der Unsicherheit klingt sie wie eine verlockende Antwort auf echte Sorgen. Sie versprechen einfache Lösungen für komplexe Probleme – und treffen damit den Nerv der Verängstigten.

Soziale Isolation, gefühlte Ungleichbehandlung, Frust über Behördenversagen – das sind ideale Nährböden für radikale Narrative. 

Die Angst wird zur Währung, mit der Meinung gemacht wird. Und in ländlichen Regionen, wo die soziale Kontrolle sinkt und staatliche Präsenz abnimmt, breitet sich dieses Gift besonders schnell aus.

Was das mit der Gesellschaft macht – und warum Schweigen keine Lösung ist

Der Effekt: Es spaltet. In „wir gegen die“ – Bürger gegen Jugendliche, Alteingesessene gegen Zugezogene, Sicherheitsliebende gegen „Gutmenschen“. Die Kommunikationslinien reißen ab. 

Der öffentliche Raum wird zum Schlachtfeld der Erzählungen. Wer sich sorgt, wird schnell zum „rechten Hetzer“ abgestempelt. Wer mahnt, gilt als „naiv“.

Dabei ist gerade jetzt differenzierter Dialog gefragt. Einer, der sowohl das Versagen von Polizei und Politik klar benennt, als auch die Gefahren von Selbstjustiz und Extremismus ernst nimmt. Es ist keine Schande, Angst zu haben. Aber es ist gefährlich, daraus Hass zu machen.

Was müsste jetzt konkret passieren?

Jetzt braucht es drei Dinge: mehr Polizei, mehr Prävention, mehr Ehrlichkeit.

  1. Die Polizei muss personell aufgestockt und sichtbar vor Ort sein – sofort, nicht irgendwann.
  2. Sozialarbeit mit auffälligen Jugendlichen muss professionell aufgestellt werden – Streetworker statt hilfloser Appelle.
  3. Behörden müssen ehrlich kommunizieren – keine Beschwichtigungen, keine Panikmache, sondern Klartext.

Und schließlich: Bürgerengagement ja – aber in Form von Dialog, Mediation und Verantwortung, nicht als selbsternannte Ordnungsmacht. Sicherheit ist keine Einbahnstraße – sie entsteht durch Vertrauen, nicht durch Schlagstöcke in Privatbesitz.

Die Frage ist nicht, ob der Staat versagt – sondern was wir daraus machen

Wenn Bürger zur Selbsthilfe greifen, weil der Staat versagt, ist das ein Weckruf – aber kein Untergangsszenario. Es zeigt: Menschen wollen Verantwortung übernehmen. Genau das kann der Anfang von etwas Gutem sein – wenn wir es klug lenken.

Jetzt ist die Chance, Vertrauen zurückzugewinnen: durch klare Regeln, ehrliche Kommunikation und echte Beteiligung. Wer Sicherheit ernst nimmt, darf die Probleme nicht verdrängen – aber auch nicht denen überlassen, die Demokratie missbrauchen.

Die Lösung liegt nicht im Rückzug, sondern im gemeinsamen Handeln.

Lesetipp (Anzeige)

"Streiten mit System: Wie du lernst, Konflikte zu lieben" von Christoph Maria Michalski

Dieser Beitrag stammt aus dem EXPERTS Circle – einem Netzwerk ausgewählter Fachleute mit fundiertem Wissen und langjähriger Erfahrung. Die Inhalte basieren auf individuellen Einschätzungen und orientieren sich am aktuellen Stand von Wissenschaft und Praxis.