Billionenschulden im Bundestag: Eine wortbrüchige Regierung – oder gar keine

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In seiner letzten Sitzung entscheidet der Bundestag über die XXL-Schulden und darüber, ob Merz Kanzler wird. Ein Kommentar von Georg Anastasiadis.

Berlin – „Sie hier vorne in der ersten Reihe. Wer sind Sie? Was haben Sie mit Friedrich Merz gemacht?“ Es waren Sätze gleichermaßen fürs Kabarett wie für die Geschichtsbücher, die Noch-FDP-Chef Christian Lindner dem Noch-nicht-Kanzler Friedrich Merz in der vorletzten Sitzung des alten Bundestags zurief. Die Antwort kam drei Tage später per Bild-Zeitung. Immerhin so viel weiß der designierte Regierungschef also doch noch über sich: „Ein Grüner werde ich als Kanzler sicher nicht.“ Dass selbst daran zuletzt Zweifel aufkamen, zeigt, wie sehr der Merz, der Sparkommissar außer Dienst, mit seinen historischen Schuldenpaketen an diesem Dienstag ins Obligo geht.

Wenn es doch nur die Billionenkredite wären! Die ließen sich trotz ihrer beträchtlichen Nebenwirkungen mit der Abwehr des Trump-Putin-Zangengriffs auf Europa und der Beseitigung des Infrastrukturstaus mehr als rechtfertigen – jedenfalls dann, wenn die Staatsinvestitionen das Wirtschaftswachstum auf dauerhaft über zwei Prozent anheben würden. Doch tun sie das? Schaudern lässt viele Ökonomen die Summe der Zugeständnisse, die Merz sich von SPD und Grünen und leider auch der CSU im Gegenzug für seine Kanzlerschaft abhandeln lassen musste.

Regierung unter Merz: Experten warnen vor „teuerstem Sozialgesetz des Jahrhunderts“

Sie reichen vom vorgezogenen Staatsziel „Klimaneutralität 2045“ mitsamt drohenden NGO-Klagen über einen sprunghaft höheren Mindestlohn bis zu einem neuen Bürokratieungetüm namens „Tariftreuegesetz“ und zusätzlichen Rentenversprechen, deren Kosten sich in den nächsten 20 Jahren auf weitere 500 Milliarden Euro summieren. Ab 2030 könnte der Beitragssatz zur Rentenversicherung von aktuell 18,6 Prozent auf über 22 Prozent steigen, warnen Experten. Der Arbeitgeberpräsident spricht sogar vom „teuersten Sozialgesetz des Jahrhunderts“.

Wo Unternehmen angesichts dieses Marsches in die Planwirtschaft die Zuversicht hernehmen sollen, selbst beherzt zu investieren, bleibt schleierhaft. Dass die angehende schwarz-rote Schuldenkoalition von Gnaden der Grünen zusätzlich noch großzügig Wohltaten an Lobbys aller Art verteilen zu können glaubt, hat die Zweifel nicht kleiner werden lassen, seitdem die Parteichefs vor zehn Tagen die Ergebnisse ihrer Sondierung präsentierten. In atemloser Hast wurden die gigantischen Sonderschulden seither durchs parlamentarische Verfahren gepeitscht, weil es dafür im neuen Bundestag keine Mehrheit mehr gibt.

Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz spricht im Bundestag während einer Fraktionssitzung von CDU/CSU. © Michael Kappeler

XXL-Schulden als Bürgerpflicht – Finanzpaket soll mit altem Bundestag durchgedrückt werden

Trotz aller verfassungsrechtlichen und inhaltlichen Bedenken erklären Union, SPD und Grüne Zustimmung zu den XXL-Schulden zur ersten Bürgerpflicht, wenn das alte Parlament an diesem Dienstag zu seiner letzten Sitzung zusammentritt. Doch vielen Abgeordneten des Bundestags und auch der Landtage, deren Vertreter wie Hubert Aiwanger das Paket im Bundesrat mittragen sollen, wird schwindelig beim Blick in den Schuldenschlund.

Man kann es ihnen nicht verdenken. Mit den Billionen bürden sie dem Land enorme Risiken auf. Doch auch ein Nein hätte einen Preis: Mitten in der Zeitenwende bekäme Deutschland dann statt einer wortbrüchigen Regierung vielleicht gar keine. Traurig genug, dass dies Merz‘ wichtigstes Argument ist, um seine eigenen zweifelnden Abgeordneten zu überzeugen.

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