Kampfjet-Knatsch: EU-Land droht mit Storno nach Trump-Eklat

Portugal steht kurz davor, die F-35 abzubestellen – „wegen Trump“. Frankreich scheint die EU-Mitglieder drängen zu wollen, massiv bei ihnen zu bestellen.
Lissabon – „Washington hegt ‚Bedenken‘ hinsichtlich der Bestrebungen der EU, dem Kauf europäischer Waffen Priorität einzuräumen“, schrieb Stuart Lau im Oktober vergangenen Jahres. Der Autor des Magazins Politico nahm Anstoß an der Äußerung der damals scheidenden US-Botschafterin bei der Nato: Julianne Smith habe gemeint, dass der Protektionismus der EU nicht der richtige Weg sei, um große Mengen guter Waffen schnell in Krisengebiete zu bringen. Aber unter Donald Trump kommt Europas Rüstungs-Autonomie wohl erst richtig in Fahrt. Portugal misstraut den USA mittlerweile und will wohl den Kauf der F-35-Kampfjets stornieren.
„Der ‚Kill Switch‘ in der F-35 ist mehr als nur ein Gerücht. Viel einfacher geht’s aber über das Missionsplanungssystem, dann bleibt der Flieger gleich am Boden“, sagt Joachim Schranzhofer gegenüber der Bild. Das Blatt zitiert den Kommunikationschef des deutschen Rüstungskonzerns Hensoldt wegen der Befürchtung, US-Präsident Donald Trump könne die künftigen deutschen F-35-Kampfjets einfach abschalten, wenn er wollte. Genau das befürchtet der Nato-Partner Portugal wohl auch. Gegenüber dem portugiesischen Medium PÚBLICO/Renascença hat Verteidigungsminister Nuno Melo den Kauf von F-35-Kampfjets jetzt ausgeschlossen – „wegen Trump“, wie das Blatt den Politiker der konservativen Partei CDS-PP zitiert.
Nato im F-35-Kaufrausch: Der „Kampfjet, den jeder will“
Weil offenbar die 28 F-16 der portugiesischen Luftwaffe am Ende ihrer Tauglichkeit angelangt seien, hatte sich das Militär Mitte vergangenen Jahres zum Kauf der F-35-Kampfjets entschieden. Zum „Kampfjet, den jeder will“ apostrophiert Aaron Spray den bis zu 80 Millionen Euro teuren Flieger und zitiert Justin Bronks: „Trotz der höheren Betriebskosten hat sich jede einzelne Luftwaffe, die die F-35 direkt mit ihren europäischen und amerikanischen Konkurrenten vergleichen durfte, letztlich für die F-35 entschieden. Ihre Einsatzfähigkeit in umkämpften Lufträumen ist einfach eine Klasse für sich“, so der Analyst des britischen Thinktanks Royal United Services Institute (RUSI) aktuell im Magazin Simple Flying.
„Die Abhängigkeit von ausländischen Partnern ist für Spitzentechnologie in Bereichen wie Langstrecken-Raketenabwehrsystemen oder Flugzeugen der fünften Generation von entscheidender Bedeutung. Doch wo die Versorgung aus den USA schwierig werden könnte, ist der Bedarf an langfristigen Investitionen in Europa besonders groß.“
Die Maschine entwickelt sich sukzessive zum Standard-Kampfjet der Nato – auch weil die Maschine Nuklearwaffen tragen kann und somit den verschiedenen Nutzern die nukleare Teilhabe ermöglicht. Das ist das zweite Kaufargument neben der Interoperabilität. Portugal ist jetzt die erste Nation, die öffentlich über eine Stornierung des Auftrags nachdenkt: „Die jüngste Position der Vereinigten Staaten im Rahmen der Nato und auf internationaler geostrategischer Ebene muss uns dazu veranlassen, über die besten Optionen nachzudenken, denn die Vorhersehbarkeit unserer Verbündeten ist ein wichtiger Vorteil, den wir berücksichtigen müssen. Wir müssen darauf vertrauen, dass diese Verbündeten unter allen Umständen auf unserer Seite stehen“, sagt jetzt Nuno Melo.
Die Diskussion um den „Kill Switch“ bringt Portugal also ins Grübeln. Aufgrund der aktuellen Unzuverlässigkeit des Verbündeten rechnet Melo mit Einschränkungen bei der Nutzung, Wartung und allen damit zusammenhängenden Komponenten, die sicherstellen, dass das Flugzeug für alle Eventualitäten zur Verfügung stehe. Laut seinem Interview schließt der portugiesische Verteidigungsminister auch europäische Produkte in seine Überlegungen ein und hofft nebenbei, dass auch etwas für die portugiesische Wirtschaft davon abfiele.
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Anti-Trump: Frankreich gilt als Rädelsführer der rüstungspolitischen Rebellion gegen die US-„Deals“
Politico hatte Ende vergangenen Jahres darauf verwiesen, dass die Europäische Kommission bereits Anfang vergangenen Jahres ihre Industriestrategie und damit nach eigenem Bekunden „ein ehrgeiziges Paket neuer Maßnahmen zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit und Einsatzbereitschaft der Verteidigungsindustrie vorgeschlagen“ habe. Frankreich gilt als Rädelsführer der rüstungspolitischen Rebellion gegen die „Deals“ des US-amerikanischen Verbündeten. Aus der Strategie will die Kommission Indikatoren für den „Weg zur industriellen Reife“ festlegen, wie sie mitteilt.
Dazu fordert sie die Mitgliedstaaten auf, bis 2030 mindestens 40 Prozent ihrer Verteidigungsgüter in Zusammenarbeit zu beschaffen und den europäischen Verteidigungshandel bis 2030 auf mindestens 35 Prozent des EU-Verteidigungsmarktes auszubauen. Bis 2030 sollen die einzelnen Länder mindestens 50 Prozent und bis 2035 dann 60 Prozent des Verteidigungsbeschaffungsbudgets innerhalb der EU belassen. Damit könnte Europa aus der Not eine Tugend machen.
Die US-Rüstungsindustrie könne Europa ohnehin nicht mehr zuverlässig versorgen, behaupten Alexandr Burilkov, Juan Mejino-López und Guntram B. Wolff. Die Analysten des in Liechtenstein ansässigen Thinktanks Bruegel haben Ende vergangenen Jahres gezeigt, dass die USA überwiegende Teile der im Inland produzierten Waffen, wie Panzer- und Artilleriegranaten sowie Flugabwehrraketen und deren Komponenten, „neu kalibrieren wollen“. Um die inländischen Lagerbestände oder die Lieferungen an Verbündete in Asien zu erhöhen, würden die bisherigen Abnehmer Europa und Israel dann wahrscheinlich viel zu lange auf ihre bestellten Waffen warten müssen.
F-35-Deals: USA wünschen von Verbündeten den Kauf amerikanischer Waffen und militärischer Ausrüstung
Die Bruegel-Analysten behaupten, dass auch die US-Rüstungsindustrie nach Ende des Kalten Krieg und dem Zerfall der Sowjetunion langsam geschrumpft sei. Ihnen zufolge sei die Rüstungsindustrie der Vereinigten Staaten inzwischen „für hochintensive Konflikte mit anderen Großmächten nicht geeignet“, wie sie schreiben. Der Löwenanteil der von den USA selbst benötigten Waffen hätten sie gegen schwächere Gegner eingesetzt. Einen Rüstungsmoloch wie Russland oder China halten die Bruegel-Analysten den USA mittlerweile für überlegen. Unter Bezug auf den US-Analysten Marc F. Cancian „würden den USA im Falle eines Konflikts um Taiwan innerhalb von weniger als einer Woche wichtige Munitionsvorräte ausgehen“, so behauptet Bruegel-Autor Wolf.
Durch sein offensives diplomatisches Gebaren versucht Donald Trump möglicherweise seinen Partnern den Zugang zu US-Waffen zu erschweren, weil er vertuschen will, dass er kaum in der Lage wäre, den Bestellungen zeitnah nachzukommen. Allerdings könnte er auch taktieren und womöglich die Preise treiben. Immerhin sei durchgesickert, dass er den Nato-Ländern die Pistole auf die Brust setze, wie Alex Wickham und Ellen Milligan berichten: Demnach dränge Trump weiterhin Länder, amerikanische Waffen zu kaufen. Die Regierung von Präsident Donald Trump habe ihren Verbündeten in Großbritannien und Europa mitgeteilt, dass die USA von ihnen den Kauf amerikanischer Waffen und militärischer Ausrüstung wünschten, um das Nato-Bündnis aufrechtzuerhalten, sagten europäische Offizielle, so Bloomberg News.
Putin macht Druck: Frankreich und Deutschland buhlen um Marktanteile
Auch die unter dem demokratischen Präsidenten Joe Biden handelnde US-Gesandte Julianne Smith war bis zuletzt zwiegespalten über den europäischen Aktionismus. Sie finde faszinierend und ermutigend, dass die EU sich darauf vorbereitet, „einen größeren Teil der Verantwortung in Verteidigung und Sicherheit zu übernehmen“, wie sie sagte. Allerdings ist Europa dort auch zerstritten. Frankreich und Deutschland buhlen um Marktanteile, Schweden und die Niederlande schwören laut Politico offenbar auf eine weitere Zusammenarbeit mit den USA und Polen wird zum Stammkunden südkoreanischer Waffen.
Insofern sind weniger die Eskapaden des amtierenden US-Präsidenten eine Bedrohung der Sicherheit der EU, sondern die auch in der Rüstungspolitik der europäischen und Nato-Ländern herrschenden Verwerfungen, wie die Bruegel-Analysten in einem Bericht behaupten. Dieser hatte die Herausforderungen für Industrie und Unternehmen im Binnenmarkt dargelegt und war zusammengestellt worden vom ehemaligen Präsidenten der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi.
Ihm zufolge sei auch die Entwicklung und europaweite Verbreitung eines Kampfflugzeuges der aktuellen, also der fünften Generation, wie die F-35, eine Notwendigkeit für Europa, wie ihn die Bruegel-Analysten zitieren: „Die Abhängigkeit von ausländischen Partnern ist für Spitzentechnologie in Bereichen wie Langstrecken-Raketenabwehrsystemen oder Flugzeugen der fünften Generation von entscheidender Bedeutung. Doch wo die Versorgung aus den USA schwierig werden könnte, ist der Bedarf an langfristigen Investitionen in Europa besonders groß.“