Mit prägenden Eindrücken aus Lwiw kehren Murnaus Bürgermeister Rolf Beuting und sein Großweiler Kollege Frank Bauer zurück
„Das blaue Land hilft“: Eindrücke aus Lwiw, die nachhallen
Murnau/Großweil – Das Geräusch, das da aus dem Smartphone dringt, dröhnt in den Ohren und geht durch Mark und Bein. Nun, beim Pressegespräch, rumort es lediglich zur Veranschaulichung. Doch die Tage zuvor warnten Großweils Bürgermeister Frank Bauer (Freie Wähler) und Murnaus Rathauschef Rolf Beuting (ÖDP/Bürgerforum) die Sirenen aus der App in echten Ernstfällen – in der Ukraine, in Lemberg, wo sie auf ihrer Dienstreise unter anderem sahen, wo und wie die Spendenmittel aus der Aktion „Das Blaue Land hilft“ verwendet werden. Ein Besuch, der nachhallt.
So viele Eindrücke, Begegnungen, Bilder. Die intensiven Tage, in denen man nicht zur Ruhe gekommen sei, könne man nicht in einem paarminütigen Pressegespräch vermitteln, findet Murnaus Bürgermeister Rolf Beuting. Daher setzt er mit seinem Amtskollegen Frank Bauer aus Großweil eine Stunde an. Auch diese Zeit ist eigentlich zu kurz. Bauer und Beuting flogen Anfang August nach Polen. Mit dem Auto ging es weiter in die Ukraine, nach Lemberg, nach Lwiw. Eine „sehr lebendige, schöne, alte, prächtige Stadt“ mit vielen jungen Menschen, eine Stadt, die gerade „im Sommermodus“ sei, sagt Bauer. Innländische Touristen und eine Kneipen- und Restaurantdichte ergänzt Beuting.
„Der Schleier des Krieges“ sei aber erkennbar gewesen, betont der Murnauer Rathauschef. Immer wieder Luftalarme, sagt Bauer. Ein solcher bedeute nicht automatisch Raketenangriff. „Wir haben dreimal Luftalarm erlebt“, berichtet Beuting. Jedes Mal folgte kurz auf die Warnung eine erleichternde Entwarnung. Nun liegt Lwiw im Westen, „800, 900 Kilometer von der Front entfernt“, so Beuting. Im Osten des Landes gebe es täglich Luftalarme, meint er. Das müsse mürbe machen.
Mürbe gemachte Menschen haben die Rathauschefs in Lemberg nicht erlebt. Die Menschen, die man getroffen habe, darunter viele junge, „haben einen extrem hoch motivierten Eindruck auf uns verbreitet“, erzählt Beuting. Bauer spricht von „sehr stolzen Menschen“. Für diese gebe es keinen Plan B für Demokratie und Freiheit. „Sie trauen sich zu, diesen Krieg zu gewinnen“. Für die Menschen dort sei „russisch zu werden“, kein mögliches Szenario, glaubt Beuting. Natürlich wissen die Bürgermeister dabei, dass sie nur das wiedergeben können, was sie in den wenigen Tagen an Eindrücken gesammelt haben.
Und zu diesen Eindrücken zählen nicht nur menschliche Begegnungen. Auch Einrichtungen wurden besucht, darunter eine Schule. Dort würden in fünf Minuten 180 Kinder in einem Bunker gebracht werden können. Der Weg dorthin sei für die Kinder Routine geworden, berichtet Bauer. Auch Baustellen wurden besichtigt. In Lemberg sei man dabei, „hochmoderne Werkstätten“ aufzubauen, sagt Bauer. Etwa für die Herstellung von Prothesen. Mehrere Trainingszentren seien in kürzester Zeit errichtet worden, darunter ein Prothesen-Ausbildungszentrum. Ein Exempel: In einem denkmalgeschützten Gebäude soll ein Reha-Zentrum für Menschen mit seelischen Traumata geschaffen werden. Das Gebäude wird in kürzester Zeit saniert.
Eine „Kultur für Psychotherapie und Reha“ habe es in der Ukraine bisher nicht gegeben, sagt Bauer. Von den Menschen, die aus russischer Gefangenschaft zurückkehren, seien 90 Prozent misshandelt, missbraucht oder gefoltert worden, berichtet er. Das Reha-Zentrum sei ein Projekt, „wo wir uns noch einbringen können“, meint Beuting an die Spenden aus „Das Blaue Land hilft“ denkend. Einige Spenden daraus sind in der Vergangenheit schon nach Lemberg gelangt, neben Geld etwa Generatoren, ein Rettungswagen, zwei Krankenwagen, zwei Feuerwehrfahrzeuge und mehrere Polizeiautos.
In Lemberg habe man drei Gruppen von Menschen gesehen, sagt Beuting: Kriegsversehrte, seelisch Verletzten und Tote bei Kirchenzügen oder auf dem Gräberfeld, wo es einem kalt den Rücken runtergelaufen sei. Lwiw habe eintausend gefallene Soldaten in zwei Jahren zu beklagen, sagt Bauer. Der Lemberger Bürgermeister gehe mehrmals täglich auf Beerdigungen. Wenn der Kirchenzug durch Lemberg fahre, „dann steht die Stadt still“, sagt Beuting, „dann steht das Leben still, komplett still“. Selbst auf den verkehrsintensiven Straßen stünden dann die Autos. Jeder Gefallene erhalte ein aufwendiges Grab. Blumen, Flaggen, Bild. „Jeder Einzelne zählt“, betont der Murnauer Rathauschef.
Weitere Infos zur Aktion „Das Blaue Land hilft“ unter www.murnau.de/de/hilfe-fuer-die-ukraine.html.
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