Steigende Kosten für Autoversicherung haben Folgen: „Rentner weinen, weil sie ihr Auto verkaufen müssen“
Der Andrang in den Versicherungsbüros im Tölzer Land ist aktuell immens. Das hat vor allem einen Grund: Die Kosten für Kfz-Versicherungen sind in diesem Jahr explosionsartig gestiegen. Die Auswirkungen auf die Versicherten sind teils gravierend.
Bad Tölz-Wolfratshausen – Stephanie Eder tut es in der Seele weh. Weil die Kosten für Kfz-Versicherungen so stark gestiegen sind, kommen viele Kunden in ihr Versicherungsbüro nach Bad Heilbrunn. „Momentan bearbeite ich nichts Anderes“, sagt Eder. Gemeinsam schaue sie mit den Kunden, was sich noch machen lässt. „Wir rechnen alle Varianten durch.“ Teuer bleibt es für die meisten, trotz aller Bemühungen.
Kosten für Autoversicherung steigen stark an: Versicherungsmaklerin wundert das nicht
Viele Autofahrer haben zuletzt Post von ihrer Versicherung erhalten – meist mit schlechten Nachrichten. Bis zu 25 Prozent mehr müssen manche Versicherte bezahlen. Die Auswirkungen sind bei Versicherungsbüros im ganzen Landkreis zu spüren.
Dass die Kosten für die Kfz-Versicherungen so eklatant gestiegen sind, wundert die Maklerin nicht. Die Versicherungen seien selbst von großen Kostensteigerungen betroffen. Eder verdeutlicht das an einem Beispiel: „Eine Windschutzscheibe hat früher 600 bis 700 Euro gekostet. Heute bekommt man keine unter 2000 Euro.“ Die Preissteigerungen seien in diesem Fall auch auf die komplexere Technik zurückzuführen, die in den Scheiben verbaut ist. Dazu kämen Lieferengpässe bei vielen Ersatzteilen. Außerdem müssten sich die Versicherer immer häufiger mit Anwaltskosten beschäftigen.
„Spitzenreiter“: Autowerkstatt verlangt über 500 Euro pro Arbeitsstunde
Die Autowerkstätten langen ebenfalls kräftig zu. Ihr bisheriger „Spitzenreiter“, so Eder, sei die Werkstatt eines deutschen Premium-Herstellers gewesen, die pro Arbeitsstunde 520 Euro verlangt habe. Doch die Schuld nur bei den Werkstätten zu suchen, sei falsch, unterstreicht die Versicherungsberaterin.
Wir hatten Rentner hier, die weinen, weil sie ihr Auto verkaufen müssen.
Besonders von den steigenden Kosten betroffen sind laut Eder junge Autofahrer und Menschen ab 65 Jahren. „Wir hatten Rentner hier, die weinen, weil sie ihr Auto verkaufen müssen“, sagt die Fachfrau. Bitter wird es auch für Gewerbetreibende. Für Flottenfahrzeuge von Unternehmen werde es zunehmend schwierig, Versicherungen zu finden. Die Schadensquote dieser Autos sei deutlich höher, erklärt Eder.
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Wechsel lohnt sich nicht immer: Altverträge meist günstiger
Trotz der hohen Kosten rät Eder eher davon ab, jetzt die Versicherung zu wechseln. „Altverträge sind meistens noch günstiger“, sagt sie. Leistungen herauszunehmen, um dadurch Kosten zu sparen, sei ebenfalls nicht empfehlenswert. Das größte Potenzial sieht die Expertin bei der jährlichen Kilometerleistung und dem Fahrerkreis.
Daniela Gögler, Gesellschafter-Geschäftsführerin des Versicherungsmaklers „Klemmer International“ in Gaißach, nennt eine weitere Ursache für die gestiegenen Kosten. „Die Versicherer haben inzwischen eine Schadensquote von weit über 100 Prozent“, erklärt die Expertin. Das bedeute, dass die Aufwendungen für die Versicherungsfälle höher sind als die verdienten Beiträge. Wer Kosten sparen will, dem rät Gögler, die Selbstbeteiligung zu erhöhen.
Wegen Kostensteigerung: Für viele Versicherte gilt ein Sonderkündigungsrecht
Angesichts der Preise spielen viele Versicherte mit dem Gedanken, den Anbieter zu wechseln. Stichtag für eine Kündigung war bei einigen Versicherten der 30. November. Doch hier sollte man genau hinschauen, so die Expertin. In Fällen, in denen die Beiträge erhöht wurden, gelte ein Sonderkündigungsrecht. Dann können Versicherte mit einer Frist von einem Monat ab Zustellung der Beitragserhöhung kündigen. „Wir empfehlen, erst die Angebote zu vergleichen und dann zu kündigen, wenn man etwas Günstigeres gefunden hat“, sagt Gögler.
Zunehmende Unwetter macht Ursula Strobl von der Generalvertretung der Versicherung „Württembergische“ in Wolfratshausen für die Preissteigerungen verantwortlich. Unter anderem Hagelereignisse kämen durch den Klimawandel immer häufiger vor. Bevor Versicherte den Anbieter wechseln, sollten sie zunächst ihren bisherigen Vertrag anschauen, empfiehlt Strobl. Vor allem bei der Kilometerleistung könne man etwas machen. „Es gibt Leute, die die Arbeitsstelle gewechselt haben oder in Rente gegangen sind“, berichtet sie. Je nach dem Alter des Autos sei es auch eine Überlegung wert, von einer Voll- auf eine Teilkaskoversicherung umzusteigen.
Online-Vergleiche können eine erste Orientierung bieten
Die gestiegenen Kosten für Ersatzteile beobachtet auch Andreas Weber von der Versicherungsagentur der „LVM“ in Benediktbeuern. „Beispielsweise liegen die durchschnittlichen Kosten für einen Scheinwerfer heute rund 50 Prozent höher als noch vor fünf Jahren“, teilt der Fachmann mit. Wer jetzt einen neuen Vertrag abschließen will, dem rät Weber: „Vergleichen Sie nicht nur den Preis, sondern schauen Sie auf die Leistungen.“ Eine hohe Versicherungssumme sei im Schadensfall wichtig, so der Experte. Online-Vergleiche können dafür eine erste Orientierung bieten. Einige große Kfz-Versicherer seien jedoch nicht in Preisportalen gelistet. „Wir empfehlen deshalb, zweigleisig zu fahren und sich in einer Versicherungsagentur in Ihrer Nähe ein Angebot machen zu lassen“, sagt Weber. (vfi)