Steigende Fallzahlen bei Polizei, volle Frauenhäuser: Häusliche Gewalt als präsentes Problem im Landkreis

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Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist auch ein Problem hier im Landkreis. (Symbolbild) © DPA

Gewalt gegen Frauen ist auch im Landkreis ein präsentes Problem. Die Fallzahlen sind innerhalb der letzten Jahre gestiegen. Die Taten geschehen in vielen Haushalten – unabhängig des kulturellen oder sozialen Hintergrunds.

Bad Tölz-Wolfratshausen – Die „Orange Days“ laufen noch bis zum 10. Dezember und wollen weltweit auf Gewalt gegen Frauen und Mädchen aufmerksam machen. Dass das dringend notwendig ist, zeigt sich auch hier. Denn Gewalttaten gegen Frauen finden genau hier statt – in Deutschland, in Bayern, im Landkreis. Vor – beziehungsweise meist hinter – der Haustür.

Jede dritte Frau in Deutschland wird in ihrem Leben mindestens einmal Opfer physischer oder sexualisierter Gewalt. Auf das Jahr gerechnet wird fast jeden zweiten Tag eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner ermordet. Diese erschreckenden Tatsachen belegen Zahlen des Statistischen Bundesamts. Obendrein ist davon auszugehen, dass die Dunkelziffer deutlich höher ist.

80 Prozent der Opfer sind Frauen

Helgard van Hüllen ist Leiterin der Tölzer Außenstelle der Opferhilfe Weißer Ring. Sie kennt einige der Fälle aus der Region. „Der häusliche Zusammenhang ist dabei sehr stark“, sagt sie. Sprich, der Großteil der Opfer erfährt Gewalt zu Hause, ausgehend vom Partner, Ex-Partner oder manchmal auch durch andere Familienmitglieder. „Besonders schwierig werden die Fälle, sobald Kinder mit im Spiel sind“, weiß van Hüllen. Häusliche Gewalt sei ein Problem, welches in sämtlichen Kulturen und auch sämtlichen Schichten vorkommt. Die Annahme, dass Frauen nur in sozial schwachen und problematischen Milieus Gewalt erfahren, sei schlicht falsch. Das bestätigt auch Clara Krüger vom Verein „Frauen helfen Frauen“ in Wolfratshausen: „Entweder, jemand ist gewalttätig oder nicht“, sagt sie. „Allerdings fällt es einer Frau, die finanziell unabhängig und abgesichert ist, deutlich leichter, sich zu trennen“, betont van Hüllen mit Blick auf die soziale Schicht. Sucht jemand über das Opfertelefon beim Weißen Ring Hilfe, seien die Möglichkeiten individuell. „Wir beraten, vermitteln zu weiteren Stellen, helfen aktiv bei Behördengängen oder auch dabei, zur Polizei zu gehen“, nennt van Hüllen Beispiele.

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Im Härtefall stehe auch eine vorübergehende Unterbringung in einem Frauenhaus zur Option. Hier ist der Verein „Frauen helfen Frauen“ zuständig. Zwar gibt es auch im Landkreis ein Frauenhaus, der Standort ist aus Schutzgründen geheim, dennoch kommen hier normalerweise keine Frauen aus der Region unter. „Das wäre für den Täter zu einfach, die Frau zu finden“, erklärt Krüger. „Wenn die Frau mit Kindern flieht, müsste der Partner ja nur vor der Schule oder dem Kindergarten stehen. Daher ist es in der Regel sinnvoller, nicht im Landkreis zu bleiben.“ Im Frauenhaus kommen oft Opfer mit Migrationshintergrund unter. „Das hängt mit den fehlenden sozialen Ressourcen und privaten Kontakten zusammen.“ Die Plätze seien viel zu knapp. Im Landkreis ist die Unterkunft aktuell voll besetzt. Sechs Frauen mit Kindern sind dort untergebracht.

Polizei verzeichnet mehr Anzeigen

Auch wenn der Großteil der Opfer häuslicher Gewalt Frauen sind, unterstreicht van Hüllen, „dass es durchaus auch männliche Opfer gibt“. Man gehe hier von circa 20 Prozent der Fälle aus. Beim Weißen Ring hätten im vergangenen Jahr zwei Männer Hilfe gesucht.

Im Landratsamt gibt es den Runden Tisch „Gemeinsam gegen häusliche Gewalt“ mit Vertretern des Jugendamts, des Weiße Rings, Erziehungsberatungsstellen, Polizei, Anwältinnen, Richterinnen und der Fachstelle Täterarbeit. „Der Tenor ist, dass die Zahlen steigen“, sagt Landratsamts-Sprecherin Marlis Peischer. Dieser Trend geht auch aus den Zahlen der Polizei hervor. Auf Anfrage teilt die Pressestelle des Polizeipräsidiums Oberbayern mit, dass im Landkreis im Jahr 2023 insgesamt 470 Frauen Opfer von Straftaten geworden sind. 180 davon wurden Opfer von häuslicher Gewalt. Darunter waren 30 schwere Taten. Dazu zählen laut Auskunft der Pressestelle unter anderem Vergewaltigungen und schwere Körperverletzungen. Man verzeichne einen Anstieg im Vergleich zu den Vorjahren 2022 und 2021. Beispielsweise wurden 2021 133 Frauen Opfer häuslicher Gewalt, davon gab es 9 schwere Fälle. 2022 verzeichnet die Polizei 166 Fälle, 13 davon im schweren Ausmaß.

Schnelles Handelt ist wichtig

Die polizeilichen Zahlen beziehen sich auf die erstatteten Anzeigen. Die eigentlichen Fallzahlen dürften deutlich höher sein. „Daher ist es schwer zu sagen, ob die tatsächlichen Fallzahlen steigen, oder mehr Taten ins Hellfeld kommen.“ Krüger mahnt: „Sobald sich eine Frau meldet, ist es wichtig, so zeitnah wie möglich zu handeln.“ Die Praxis zeige, dass desto mehr Zeit verstreicht, desto eher ein Opfer wieder einen Rückzieher mache.

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