Weilheimer Julian Bachmann bei Biennale in Venedig: „Kann nur empfehlen, sie zu besuchen“
Julian Bachmann aus Weilheim unterstützte einen Filmdreh bei der Preview der Biennale in Venedig, der größten Kunstausstellung der Welt. Am Samstag (20. April) öffnet diese zum 60. Mal.
Weilheim/Venedig – Am Samstag (20. April) öffnet die 60. Biennale in Venedig, die größte Kunstausstellung der Welt, ihre Tore für das Publikum. Der Weilheimer Julian Bachmann war schon in den vergangenen Tagen bei der Preview vor Ort. Der 47-Jährige hat in München, Berlin und Neapel Philosophie studiert, danach für Marketing-Agenturen gearbeitet und soeben mit seinem Bruder Jonas, der Designer ist, in Weilheim die Kreativ- und Designagentur „Marco“ gegründet (Media Art Company). Die ersten Aufträge führten ihn gleich nach Venedig – wo er per E-Mail auch die Fragen der Heimatzeitung beantwortet hat.
Wie ist es, die Biennale erleben zu können, bevor sie überhaupt richtig öffnet?
Ich kann es jedem nur empfehlen, dieses Ereignis zu besuchen, zumal die Ausstellung bis zum 24. November läuft. So ist Zeit, die Gärten und Hallen mit zahlreichen Kunstwerken und Videos zu erkunden. Die Preview, die für Journalisten und Kreative gedacht ist, bietet die Möglichkeit, viele interessante Menschen aus dem Kunstbereich zu treffen: Künstler und Kuratoren und die, die über die Ausstellungen berichten. In dieser Zeit ist ganz Venedig mit bunten Vögeln gefüllt, die nicht nur die Kunst betrachten, sondern die auch in den Restaurants zusammenkommen und feiern. So entstehen faszinierende Gespräche, besonders weil unter dem diesjährigen Thema „Foreigners Everywhere“ („Fremde überall“) viele Künstler aus fernen und unbekannten Gegenden vertreten sind.
Was machen Sie vor Ort?
Ich nehme an der Preview der Biennale teil, um das Magazin „BerlinArtLink“ zu unterstützen, das einen Film über den niederländischen Pavillon produziert. Thema des Films ist das kolonialisierte Kongo, das bis heute mit den schwerwiegenden Folgen der Kolonialzeit konfrontiert ist. Im Pavillon sind Statuen und Figuren zu sehen, die Menschen und Dämonen darstellen und die alle aus Schokolade geformt sind. Diese Darstellung ist beeindruckend, besonders wenn man bedenkt, dass im Kongo die „Schokoladenfrucht“ unter extrem harten und schlecht bezahlten Bedingungen geerntet wird, bevor sie nach Europa exportiert wird. Die Erntearbeiter können sich oft nicht einmal ihre eigene Frucht leisten. Auf der Biennale habe ich Kontakte zu Aufforstungsprojekten im Kongo geknüpft, was relevant ist, da wir auch für eine Firma arbeiten, die ökologische Nachhaltigkeit und Klimaprojekte unterstützt. Auch für die Weilheimer Windturbinenfirma „Eversoon“ schaffe ich Kontakte und Ideen zu neuen kreativen Stadtplanungs- und Energieprojekten.
Deutscher und französischer Pavillon „besonders beeindruckend“
Konnten Sie daneben auch private Entdeckungen auf der Biennale machen? Was hat Sie richtig begeistert?
Das Thema „Foreigners Everywhere“ bedeutet, dass wir alle in bestimmten Zusammenhängen als Fremde gesehen werden können und wir uns damit auseinandersetzen sollten. Diesmal empfinde ich die meisten Kunstwerke sperriger und unzugänglicher als auf der letzten Biennale, die fantasievoller und lebensfroher war. Das Thema ist diesmal sozial und politisch aufgeladener. Jedes Land zeigt in seinem eigenen Pavillon diesmal Künstler mit Migrationshintergrund oder aus einer anderen Minderheit stammend. Dass das Fremde dann auch im ersten Eindruck manchmal „befremdlich“ wirkt, ist gewollt. Nicht die Perspektive, die wir auf Fremde haben, soll gezeigt sein, sondern die Künstler zeigen uns die Perspektive der Fremden selbst. Sich darauf einzulassen, bedarf Zeit und Willen. Besonders beeindruckend fand ich den deutschen und den französischen Pavillon, die jeweils auf ihre eigene Weise die Vielfalt und Komplexität des Themas einfangen. Einmal als archaistische Zukunftsutopie, in der das Leben auf einem Raumschiff gezeigt wird, mit dem die Menschen zu anderen Galaxien fliegen, damit die Erde heilen kann. Das schwankt zwischen Utopie und Dystopie. Im französischen Pavillon erlebe ich ein farbenfrohes Durcheinander: eingewebte Stoffe, Pflanzen, Flaschen, Figuren. Plus Gedichte an der Wand, Bildschirme mit Loop. Julien Creuzet macht Installationen, Skulpturen, Filme, Sounds. Ein Pavillon, den man fühlen muss.
Können wir davon etwas für Weilheim und das Oberland lernen?
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Auch für unsere Stadt Weilheim kann ich aus der Biennale viele Ideen mitnehmen, wie wir uns als Bürger besser kennenlernen und wertschätzen können. Auch bezogen auf die Migranten, die bei uns untergebracht sind. Es gilt, Regeln aufzustellen, klar, aber Zuhören und gemeinsame Projekte entwickeln, das betrifft alle in der Stadt. Das ist wichtig, auch und gerade wenn es um Integration geht. Grundsätzlich könnte es auch ein gutes Ziel sein, dass wir alle gemeinsam an einer bunten und kulturell vielfältigen Stadt arbeiten. Wobei ich sagen muss, das vieles in Weilheim schon gut gelingt. Geht man im Sommer durch die Innenstadt, herrscht dort schon ein „Dolce Vita“ mit kleinen individuellen Läden und Restaurants. Vielleicht sollte das auch einmal hervorgehoben werden, auch wenn Probleme wie Leerstand natürlich angegangen werden müssen.
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Welche Erkenntnisse nehmen Sie ansonsten von Venedig mit nach Hause?
Von der Biennale 2024 nehme ich viel Inspiration für unsere neue Kreativagentur Marco mit. Und auch, dass es im Design und in der Markenwelt immer um Authentizität und Emotionen gehen muss. Erst dann ist es möglich, für ein Projekt oder eine Marke zu begeistern. Da wir, mein Bruder Jonas und ich, mittlerweile viel mit KI arbeiten, gelingen uns dann die besten Ergebnisse, wenn der menschliche und kreative Gestus erhalten bleibt. Da meine Tochter Pina uns oft mit Ratschlägen und Einfällen unterstützt, bleibt unsere Arbeit aber stets unberechenbar und innovativ. Auf andere zu hören, und das „Hören“ zu lernen, ist etwas, das ich auf der diesjährigen Biennale gelernt habe; es ist für kreative Arbeit unerlässlich. Das Fremde mag zuweilen befremdlich wirken, auf dem zweiten Blick aber kann es ein riesiger Schatz für das Leben sein.
Bilder und Eindrücke seiner Reise zeigt Julian Bachmann auf Instagram (marco.marcostudio) und im Fotoblog auf studio-marco.com