Vor Österreich-Wahl: In Wien regt sich Widerstand gegen die FPÖ

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Der rechtsradikale FPÖ-Chef Herbert Kickl könnte die Nationalratswahl am Sonntag gewinnen. In der Hauptstadt formiert sich die liberale und linke Zivilgesellschaft gegen ihn.

Wien – Am Sonntag (29. September) wählt Österreich ein neues Parlament. Ein Sieg der rechtsautoritär FPÖ scheint, so die Umfragen zur Nationalratswahl, wahrscheinlich. In der Hauptstadt Wien formiert sich bereits erster Protest unter Liberalen und Linken. Dafür, dass viele von ihnen die Demokratie in Österreich in Gefahr sehen, ist es trotzdem auffällig ruhig. Am Freitag (27. September) wird FPÖ-Chef Herbert Kickl, der die „Orbánisierung“ Österreichs fordert, auf dem Wiener Stephansplatz erwartet. Sein Generalsekretär schimpft derweil über die politischen Gegner.

Wien, Österreich. 26. Jänner 2024. Lichtermeer bei der Demonstration und Großkundgebung Demokratie verteidigen gegen
Die letzten Massenproteste gegen die FPÖ gab es im Januar 2024. © IMAGO/Andreas Stroh

„Herbert Kickl hätte uns deportiert“ – Jüdische Studierende warnen vor Österreich-Wahl vor FPÖ

Bis zur Nationalratswahl am Sonntag wird ein anderes Wahrzeichen der Stadt zum Schauplatz des Protests gegen die FPÖ. Die Jüdische österreichische Hochschüler:innenschaft (JöH) fragte in einer Projektion an das Tor der Hofburg: „Hätte Herbert Kickl uns damals versteckt?“ Die Frage bezieht sich auf die Deportationen von Jüdinnen und Juden aus Österreich, die 1938 mit dem sogenannten Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland, begannen. „Herbert Kickl hätte uns deportiert“, sind sich die jüdischen Studierenden sicher. Bis Sonntag läuft die „Mahnwache gegen Volkskanzler und Kellernazis“. Begleitet wird die Demonstration von einer Social-Media-Kampagne, die auf rechtsextreme Verwicklungen der FPÖ aufmerksam macht.

Österreich-Wahl: FPÖ-Chef Herbert Kickl macht Wahlkampf mit Nazi-Begriffen

FPÖ-Chef Kickl lässt sich als „Volkskanzler“, bezeichnen, ein Begriff in Traditionslinie zu Adolf Hitler, der sich zu Beginn seines politischen Aufstiegs in der Weimarer Republik und kurz nach der Machtergreifung 1933 so bezeichnen ließ. Als „Kellernazis“ wurden in Österreich solche bezeichnet, die ihr nationalsozialistisches Gedankengut nicht offen zur Schau tragen, aber im Verborgenen – im sprichwörtlichen Keller – pflegen. Der FPÖ wird genau das seit ihrer Gründung durch Altnazis in den 1950er-Jahren vorgeworfen.

FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker, warf der JöH die Instrumentalisierung des Holocausts vor. JöH-Präsident Alon Ishay zeigte sich gegenüber der Nachrichtenagentur APA entsetzt: „Dass ausgerechnet die Partei der Kellernazis uns über die Shoah belehren möchte und uns sogar unterstellt, diese zu instrumentalisieren, ist zynisch und bizarr. Die FPÖ wurde von Nazi-Verbrechern gegründet, die unsere Vorfahren ermordet haben.“

Wiener Kulturszene warnt vor Gleichschaltung durch FPÖ nach Österreich-Wahl

Auch in der Kunst- und Kulturszene regt sich seit Beginn des Wahlkampfes vermehrt Widerstand. „Keine einzige Stimme der FPÖ!“, forderte etwa eine Gruppe um die Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek in der Tageszeitung Standard. Jelinek und ihre Co-Autorinnen begründeten dies mit der Sorge davor, dass Kickl den Kulturbetrieb „gleichschalten“ würde, wie es die autoritäre Regierung der Slowakei gerade versuche. In der liberalkonservativen Tageszeitung Presse wurden Nazi-Vergleiche in dem Text als überzogen und unpräzise kritisiert.

Wiener Tatort-Kommissarin verlangt von Österreichs Politik ein „Versprechen für die Republik“

Über scharf formulierte Texte, wie den im Standard hinaus, gibt es zahlreiche zivilgesellschaftliche Initiativen, die vom ehemaligen Bundespräsidenten Heinz Fischer (SPÖ) bis zur Schauspielerin und Wiener Tatort-Kommissarin Adele Neuhauser dutzende Menschen aus dem öffentlichen Leben unterzeichnet haben, die Parteien und Wähler zum Schutz der Demokratie aufrufen. Diese forderten von den Kandidierenden zur Nationalratswahl etwa ein „Versprechen für die Republik“ und veröffentlichten die Namen derer, die es abgaben. Darunter auffällig wenige Kandidaten der konservativen ÖVP, deren Chef und Bundeskanzler Karl Nehammer lediglich eine Koalition mit Kickl, aber nicht mit der FPÖ ausschließt.

Abseits der FPÖ müsste die ÖVP mit SPÖ und liberalen Neos koalieren, um eine Mehrheit zu erreichen. Demokratische Koalitionen gegen ÖVP und FPÖ scheinen aktuell ausgeschlossen. Gegenüber unserer Redaktion warnte der österreichische Politikwissenschaftler Vedran Džihić eindringlich davor, Kickl zur Macht zu verhelfen.

Vor Österreich-Wahl: Kickl wird in Wien erwartet – Bisher keine Proteste angekündigt

Lauter ging es der Intendant des Wiener Volkstheaters an, der einen Pop-Punk-Song mit dem Titel „EUERRR WILLE GESCHEHE (HEIM INS RRREICH!)“, produzieren ließ. Im Video singt die satirische Band „Die Hitlers“, in Anspielung auf die Kulturpolitik der FPÖ: „Das Deutsche Reich ist wieder da“. Die FPÖ schrieb sich in ihr Wahlprogramm, dass „Sprache, Geschichte und Kultur Österreichs“ deutsch seien. „Euer Wille geschehe“ plakatiert die FPÖ neben Kickls Konterfei. FPÖ-Generalsekretär Hafenecker schimpfte, das Volkstheater sei ein Hort des „Linksextremismus“ geworden.

Am Freitag wird Kickl am Stephansplatz im Herzen der Hauptstadt erwartet. Bisherige Auftritte Kickls in Wien wurden von antifaschistischem Protest auch aus linksradikalen Gruppen begleitet. Am Mittwoch gab es allerdings noch keine größeren Aufrufe zu Gegendemonstrationen. (kb)

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