FPÖ und AfD – das Bündnis hält auch nach Krahs SS-Relativierung

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Spitzenkandidat Vilimsky distanzierte sich vorsichtig von Krah. Parteichef Kickl relativierte bereits 2010 die Waffen-SS. Die FPÖ radikalisiert sich derweil weiter.

Wien – Das Bündnis zwischen der AfD und der österreichischen FPÖ hält. Daran kann auch der sich ständig ausweitende Spionageskandal und die Relativierung der Nazi-Verbrecherorganisation SS durch den AfD-Spitzendkandidaten zur EU-Wahl, Maximilian Krah, nichts ändern. Die drei FPÖ-Abgeordneten im EU-Parlament stimmten geschlossen gegen den Ausschluss der AfD aus der rechtsradikalen ID-Fraktion. Einzig FPÖ-Spitzenkandidat Harald Vilimsky distanzierte sich vorsichtig von Krahs Äußerungen. Unterdessen wurde eine beinahe wortgleiche Aussage des Parteichefs Herbert Kickl aus dem Jahr 2010 hervorgekramt. Im Wahlkampf propagieren die Freiheitlichen Verschwörungsantisemitismus.

Alice Weidel (r), AfD-Fraktionschefin, und Herbert Kickl, FPÖ-Chef, nehmen an einer gemeinsamen Pressekonferenz teil. Das Thema der PK lautet: «Gemeinsamer Kampf für Freiheit, Heimat und Demokratie - Gegen die gesellschaftszersetzende Elitenpolitik».
Alice Weidel (r), AfD-Fraktionschefin, und Herbert Kickl, FPÖ-Chef, das Bündnis der Rechtsradikalen hält weiterhin. (Archivbild) © Eva Manhart/dpa

FPÖ-Spitzenkandidat Vilimsky verurteilt Krahs Aussagen – Ansonsten kaum Kritik an der AfD

Vilimsky sagte dem Fernsehsender Puls24, Krahs Aussage, wonach nicht jeder in der SS „automatisch ein Verbrecher“ ist, sei „zu verurteilen“. Die AfD sehe er allerdings weiterhin als Partner für die FPÖ. Das Bündnis mit den Rechtsradikalen aus Deutschland ist eng. Bundesparteichefin Alice Weidel und auch der gefallene EU-Spitzenkandidat Krah wurden schon in Wien empfangen. Krah trat Anfang 2024 mit dem rechtsextremen Verleger Götz Kubitschek bei einer Veranstaltung einer Tarnorganisation der „Identitären Bewegung“ in Wien auf. Aus der FPÖ ist sonst kaum Kritik an Maximilian Krahs Aussagen zu vernehmen.

Wieso schert die FPÖ als Kleinpartei mit drei EU-Mandaten also nicht auf den Kurs der Rechtsradikalen in Frankreich und Italien ein, und versucht es mit dem bürgerlichen Anstrich? Die Grenze zur expliziten Relativierung nationalsozialistischer Verbrecherorganisationen riss der FPÖ-Chef bereits 2010 ein. Historisch war diese für die FPÖ auch niedriger als für die AfD. Hinzu kommt der Machtblock der deutschnationalen Burschenschafter in der Partei, die nicht verwunden haben, dass Deutschland und Österreich seit der Niederlage im Zweiten Weltkrieg wieder zwei Staaten sind. Zwei Burschenschafter sind auf aussichtsreichen Listenplätzen für das EU-Parlament. Rhetorisch radikalisiert sich die FPÖ derweil immer weiter.

FPÖ-Chef Kickl relativierte die Waffen-SS bereits 2010 und führt heute Umfragen an

Herbert Kickl sagte 2010, als Generalsekretär, beim Privatsender ATV, man werde sich „nicht darauf einigen können“, dass die Waffen-SS „kollektiv schuldig zu sprechen“ sei. Das sagte Kickl dem damaligen Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde Ariel Muzicant ins Gesicht. In gewisser Weise ging Kickl damals sogar noch weiter als Krah: Die Waffen-SS, der militärische Arm der Organisation, war in jedem von Nazi-Deutschland besetzten Gebiet für schwerste Kriegsverbrechen verantwortlich. Stand der Forschung ist, dass sich die Bereitschaft für diese Verbrechen auch durch die niederen Ränge zog, und diese auch aus Eigeninitiative begangen wurden. Die SS als Ganzes wurde nach dem Krieg vom Nürnberger Militärtribunal als verbrecherische Organisation eingestuft.

Das Bild zeigt Harald Vilimsky vor einem Transparent mit einem Bild des FPÖ-Chefs Herbert Kickl.
Das Bild zeigt Harald Vilimsky vor einem Transparent mit einem Bild des FPÖ-Chefs Herbert Kickl. © Rudi Gigler/Imago

Mit Kickl an der Spitze steht die FPÖ im Umfragetrend der Austria Presse Agentur zur Nationalratswahl bei etwa 29 Prozent. Bei der EU-Wahl käme die Partei aktuell auf etwa 27 Prozent. Bei beiden Abstimmungen wäre sie klar stärkste Kraft, gefolgt von Sozialdemokraten und Konservativen. Im Herbst wird der neue Nationalrat gewählt.

„Drittes Lager“: Die FPÖ, der Deutschnationalismus und der Nationalsozialismus

Historisch ist das wenig verwunderlich, lässt sich doch eine direkte personelle Traditionslinie der FPÖ bis hin zur NSDAP ziehen. Nach dem Zweiten Weltkrieg sammelten sich in Österreich Altnazis und Deutschnationale im sogenannten „Dritten Lager“ neben Sozialdemokraten und Konservativen. Daraus entstand in den 1950er-Jahren die FPÖ. Nach dem Aufstieg Jörg Haiders, eines Gründervaters des modernen Rechtspopulismus, brach ein wirtschaftsliberaler Flügel, der bis dahin auch als Feigenblatt diente, weg. Es blieb der Einfluss deutschnationaler Burschenschafter, die der Rechtsextremismusforscher Bernhard Weidinger vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes in seiner Promotion als „personellen Kernbestand“ der Partei bezeichnete, der jedoch keine Monopolstellung habe.

Zwei deutschnationale Burschenschafter auf FPÖ-EU-Liste – Liederbuch mit SS-Liedgut

Burschenschafter sind Angehörige studentischer Männerbünde auf Lebenszeit, die politisch zumeist irgendwo zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus zu verorten sind. Deutschnationale sind zumeist Österreicher, die sich selbst zur Deutschen Nation bekennen und einen völkisch und antisemitisch aufgeladenen Nationalismus pflegen.

Auf der Europaliste der FPÖ stehen hinter Vilimsky gleich zwei deutschnationale Burschenschafter: Georg Mayer auf dem dritten Listenplatz und Roman Haider auf Platz vier. Mayer ist nach eigenen Angaben Alter Herr, also Förderer, der Studentenverbindung Vandalia in Graz. Roman Haider ist Alter Herr von gleich zwei Verbindungen. Nach eigenen Angaben ist er Vize-Vorsitzender der Burschenschaft Donauhort zu Aschach bei Linz. In deren Liederbuch stehe, so berichtete es der Kurier, ein Studentenlied aus dem 19. Jahrhundert, das auch das dritte Lied im Liederbuch der SS war.

Nach AfD-Rauswurf im EU-Parlament: FPÖ ergeht sich in Verschwörungsantisemitismus

Kurz nach dem Rauswurf der AfD aus der ID-Fraktion im Europaparlament machte die FPÖ erneut klar, wo sie inhaltlich steht. In einem etwa halbstündigen Video wurde Kickl als „Volkskanzler“, ein Begriff, den bereits Adolf Hitler verwendete, beschworen. Die EU und alle, die sich in irgendeiner Form für überstaatliche politische Ansätze aussprechen, werden darin als „globalistische Krake“ bezeichnet, die Krisen „planen“ würden, um ihre „teuflischen Lehren“ durchzusetzen. All das sind antisemitisches Codes, mit denen man innerhalb der Szene anzeigt, dass man Jüdinnen und Juden hinter allem Übel in der Welt verortet. Gepaart mit Kickl, der das „Volk“, von dieser „Verschwörung“ erlösen soll, sind die Sprachbilder klar dem Verschwörungsantisemitismus zuzuordnen.

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FPÖ-Chef Kickl zeigt, wo es mit Österreich für ihn hingehen soll: Nach Rechtsaußen. © ALEX HALADA/AFP

Hält das Bündnis zwischen FPÖ und AfD? Meloni und Le Pen werden entscheidend

Kickl war Krah mit der Relativierung der SS also mehr als ein Jahrzehnt voraus. Die EU-Liste der FPÖ lässt auch keine größeren Verwerfungen mit der AfD nach der Wahl erwarten. Die FPÖ radikalisiert sich derweil weiter. Ob das Bündnis zwischen den Rechtsradikalen in Deutschland und Österreich hält, dürfte sich daran entscheiden, ob sich die FPÖ für ein Bündnis mit den italienischen Rechtsradikalen um die Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und dem französischen Rassemblement National entscheidet, sollte es ihr angeboten werden. Die französische Rechtsradikale Marine Le Pen zeigte sich in der Sonntagsausgabe des italienischen Corriere della Sera offen für ein solches Bündnis mit Meloni. (kb)

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