Schlappe für Xi Jinping in Brasilien: Lula lässt Chinas Staatschef auflaufen
Eigentlich wollte Brasilien Chinas Seidenstraßen-Initiative beitreten. Doch kurz vor Xis Staatsbesuch macht Lula einen Rückzieher. Das hat auch mit dem Wahlsieg Trumps zu tun.
Chinas Staatsmedien sind Meister darin, eine Niederlage in einen Triumph zu verwandeln. Am Dienstag flog Präsident Xi Jinping vom G20-Gipfel in Rio de Janeiro rund 900 Kilometer weiter in Brasiliens Landesinnere, zu einem Staatsbesuch bei Präsident Lula da Silva. Nach Xis Ankunft am Flughafen zeigte das chinesische Staatsfernsehen Bilder von pflichtbewusst Fähnchen schwenkenden Landsleuten, die die Straßen von Brasilia säumten. „Es ist Frühsommer in Brasilia, und der Himmel ist klar“, dichtete die Nachrichtenagentur Xinhua. „In Begleitung von 120 Reitern ist Xi Jinping in einem Auto auf dem Platz vor dem Präsidentenpalast angekommen.“ Tags darauf dann die obligatorischen Erfolgsmeldungen: Drei Dutzend neue bilaterale Abkommen seien unterzeichnet worden, unter anderem in den Bereichen Landwirtschaft, Handel, Infrastruktur, Industrie und Wissenschaft.
Was nicht erwähnt wurde: Der Hauptprogrammpunkt fiel aus. Ursprünglich war nämlich geplant, dass Xi und Lula auch ein Abkommen über den Beitritt Brasiliens zur Neuen Seidenstraße unterzeichnen, pünktlich zum 50-jährigen Jubiläum der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen beiden Ländern. In dem weltumspannenden Infrastrukturprojekt baut China Straßen, Schienenverbindungen und Häfen, offiziell mit dem Ziel, die Weltwirtschaft enger zusammenwachsen zu lassen. Kritiker bemängeln allerdings schon seit Jahren, dass die Neue Seidenstraße Länder des Globalen Südens in die finanzielle Abhängigkeit von Peking treibe und dass China mit der Initiative seinen weltweiten Einfluss ausbauen wolle. Immer wieder beklagen Mitgliedsländer zudem, dass versprochene Investitionen ausgeblieben seien; Umweltschützer kritisieren die fehlende Nachhaltigkeit mancher Projekte. Die Initiative hat an Strahlkraft verloren, zuletzt trat Italien aus der Neuen Seidenstraße aus.
Brasilien will Chinas Neuer Seidenstraße „nicht beitreten“
Das rohstoffreiche Brasilien ist für China von besonderem Interesse, schon jetzt investiert Peking viel in dem Land. Doch Brasilien hat sich nun, ausgerechnet wenige Wochen vor dem Xi-Besuch, gegen eine Mitgliedschaft im China-Club entschieden. Im Oktober war Lulas außenpolitischer Sonderberater Celso Amorim zu Gesprächen in Peking, um über den Beitritt Brasiliens zu verhandeln. Zurück kam er mit der Botschaft, sein Land wolle zwar die Beziehungen zu China ausbauen, allerdings ohne dafür einen „Knebelvertrag“ zu unterzeichnen. Sein Land werde der Neuen Seidenstraße „nicht beitreten“, sagte Amorim laut der Zeitung O Globo, das Angebot der Chinesen habe ihn „nicht überzeugt“.
Brasilien forderte unter anderem einen Transfer von Technologie sowie verlässliche Investitionszusagen; zudem solle China seinen Markt etwa für den brasilianischen Flugzeugbauer Embraer öffnen. Entscheidend sei für Brasilien, selbst darüber entscheiden zu können, welche Projekte vorangetrieben würden, sagte Amorim. Und nicht – so der Subtext seiner Botschaft – die Chinesen.

Präsident Lula dürfte auch die Sorge umtreiben, beim neu gewählten US-Präsidenten Donald Trump in Ungnade zu fallen, sollte sich sein Land ausgerechnet jetzt den Chinesen an die Brust werfen. Trump hatte während seiner ersten Amtszeit einen Handelskrieg mit Peking vom Zaun gebrochen und im zurückliegenden Wahlkampf angekündigt, mit massiven Strafzöllen auf China-Importe nachzulegen. Auch will er mehrere China-Kritiker in sein Kabinett berufen, etwa Marco Rubio als Außenminister. „Lulas Offenheit gegenüber Peking ist ein Fehler“, hatte Rubio bereits im vergangenen Jahr geschimpft.
Chinas Neue Seidenstraße: Immer weniger Investitionen in Lateinamerika
Bislang verfolgt Brasiliens Außendiplomatie das Ziel, mit möglichst allen gut zurechtzukommen, egal ob Ost oder West, reicher Industriestaat oder Mitglied des Globalen Südens. So sieht Südamerikas größte Demokratie Brasilien kein Problem darin, Mitglied im von China und Russland dominierten Autokraten-Club Brics zu sein. Mit Donald Trump im Weißen Haus wird es für Lula allerdings zunehmend schwierig werden, sich nicht für eine Seite festzulegen.
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Für Xi Jinping ist die Abkehr der Brasilianer eine persönliche Schlappe. Chinas Staats- und Parteichef hatte die Ideen für das Seidenstraßen-Projekt persönlich entwickelt und 2013 erstmals öffentlich präsentiert. Rund 150 Länder sind seitdem angeblich beigetreten, vor allem in Afrika und Südamerika hat China große Summen investiert. Andernorts wurden hingegen kaum oder gar keine Projekte realisiert.
Zum zehnjährigen Seidenstraßen-Jubliäum hatte Xi im vergangenen Jahr einen Kurswechsel angekündigt: Fortan sollen die Projekte „klein“, „smart“ und „schön“ sein statt groß und teuer, sagte Xi auf einem Jubiläumsgipfel in Peking. Laut der deutschen Außenwirtschaftsagentur Germany Trade & Invest ist seitdem tatsächlich ein „Trend zu bescheideneren Infrastrukturprojekten“ zu beobachten. So habe im ersten Halbjahr 2024 gut ein Fünftel aller Investitionen ein Volumen von weniger als 100 Millionen US-Dollar gehabt. Und während etwa in Afrika und Südostasien die Zahl aller Seidenstraßen-Projekte in den vergangenen zwei Jahren zugenommen habe, sei sie in Lateinamerika gesunken – von 56 Absichtserklärungen im ersten Halbjahr 2022 auf nur noch 28 zwei Jahre später. Ein Beitritt Brasiliens hätte möglicherweise eine Trendumkehr bedeutet. Doch die fällt vorerst aus.
Wegen Trump: Argentinies Milei geht auf Distanz zu China
Dass in Lateinamerika immer weniger Projekte verwirklicht werden, liegt unter anderem daran, dass auch Argentinien unter seinem neuen Präsidenten Javier Milei auf Abstand zur Seidenstraße gegangen ist. Der selbsternannte „Anarcho-Kapitalist“ hatte Chinas regierende Kommunistische Partei in der Vergangenheit als „Mörder“ bezeichnet und erklärt, mit Kommunisten nicht verhandeln zu wollen. Nach seiner Wahl schlug er dann zwar versöhnlichere Töne an und bezeichnete China als interessanten Handelspartner. Am Rande des G20-Gipfels traf Milei diese Woche zudem erstmals mit Xi Jinping zusammen.
Milei ist allerdings auch ein großer Verehrer Donald Trumps. Als erstes ausländisches Staatsoberhaupt nach dessen Wahlsieg durfte er vergangene Woche dem künftigen US-Präsidenten die Hand schütteln. Bei dem Treffen in Mar-a-Lago sprach Milei vom „größten politischen Comeback der Geschichte“, Trumps Wiederwahl habe die Welt „zu einem besseren Ort“ gemacht. Zum Dank für so viel Schmeicheleien überschüttete Trump seinen Gast mit dem wohl größten Lob, das er zu bieten hat: Milei sei eine „MAGA-Person“ – „Make Argentina great again“, jubelte der Republikaner. Seinen neuen alten Freund im Weißen Haus wird Milei kaum verprellen wollen. Sehr zum Unmut Chinas.