Eine Visionärin feiert Geburtstag: Ingrid Strauß wird 95
Eine Visionärin feiert Geburtstag: Ingrid Strauß aus Kreuth am Tegernsee, Ärztin, Tierfreundin und Gründerin des Straußenhofs bei Waakirchen, blickt auf 95 Lebensjahre zurück.
Kreuth - Wenn Ingrid Strauß heute ihren 95. Geburtstag feiert, so tut sie das in einem großen Kreis von Wegbegleitern. Die Ärztin aus Kreuth ist eine Visionärin, eine Macherin, eine Philanthropin, eine Verfechterin humanistischer Werte und Anhängerin gelebter Ökumene, eine Tierfreundin, eine begabte Musikerin, eine Aktivistin in Sachen Kultur. Ausgestattet mit einem tiefen Glauben, unerschütterlichem Urvertrauen, einem soliden Pragmatismus und schier unerschöpflicher Energie, hat sie viel bewegt in und für Kreuth, das Tegernseer Tal und ganz Oberbayern.
Ingrid Strauß wird 95: „Jeder neue Tag ist ein Geschenk“
„Hier ist das Paradies. Solange wir es haben, muss man was dafür tun. Denn Frieden kommt nicht von selbst“, sagte Strauß beim Fototermin in ihrem Garten und mit Blick aufs leuchtende Herbstlaub und das friedlich grasende Jungvieh unterhalb des Leonhardsteins in Kreuth. „Hier ist jeder Tag ein neues Geschenk.“
Kreuth ist ihr vor 60 Jahren zur Heimat geworden. Damals war es eine Bauchraumtuberkulose, die die junge Ärztin, fast noch Studentin der Medizin, als Patientin in die May-Klinik nach Kreuth brachte. Man entdeckte ihre Kompetenz und ihren wachen Geist, „beschäftigte“ sie zunächst zur Förderung ihres Heilungsprozesses und band sie zusehends in die Klinikabläufe und OPs ein, bis man sie als Allgemeinmedizinerin in der Klinik behielt. „Wie es sich gefügt hat, war Schicksal. Und das Verstehen anzunehmen, ist die Hauptsache im Leben“, sagt Strauß, die in ein sehr bewegtes Leben hineingeboren wurde. Übrigens in München und zwei Tage vor dem berühmten Schwarzen Freitag, der die Weltwirtschaftskrise einläutete.
Von ihr wurde von klein auf Anpassungsfähigkeit und Resilienz gefordert, insbesondere als ihr Vater und ihre Brüder eingezogen und nach 1945 noch in Kriegsgefangenschaft waren und Ingrid und ihre Mutter auf dem Schlossgut in Oedheim täglich auf Nachricht warteten. In dieser Zeit erkrankte sie an einer schweren Lungen- und Rippenfellentzündung. Sie kam in die Kinderklinik nach Freiburg. Zum einen beobachtete sie dort die anderen Kinder und was bei deren Krankheitsbild anders war, merkte sich die Namen der Krankheiten und beschloss, Ärztin werden zu wollen. „Es ist ganz wesentlich, seine Umwelt wahrzunehmen“, sagt sie rückblickend. Das habe ihr später im Berufsleben sehr geholfen.
Ingrid Strauß wird 95: Vertraut mit dem Heiligen Leonhard
Der Klinikaufenthalt hat sie zum anderen geprägt, weil sie zu Therapiezwecken täglich einen Fußball aufblasen sollte. Doch die kleine Ingrid erbat sich eine Flöte. Seither spielt sie täglich ihre Querflöte, später neben Blech-, Alt- und Bass-Flöte auch noch Gitarre. Ingrid Strauß hat sich immer für Kunst und Kultur engagiert. Sie gehört zu den Gründerinnen des Oleg-Kagan-Musikfests, dem heutigen Internationalen Musikfest Kreuth am Tegernsee, dessen Konzerte sie regelmäßig besucht. Sie hat neben ihren rund 100 wissenschaftlichen Arbeiten mehrere Bücher geschrieben, unter anderem eines über den Heiligen Leonhard und die Leonhardifahrt. Der Heilige Leonhard, der die Tiere in Ketten und alle Gefangenen befreit, sei ihr besonders vertraut. Und nicht nur, weil sie im Leonhardiweg wohne, sagt sie. Ihr ganzes Leben sei durchwirkt von der Natur und der Beziehung zu den Tieren. Sie ist eine Hundeliebhaberin, hat sogar selbst die raren weißen Puli-Hirtenhunde gezüchtet. Und sie war eine passionierte Reiterin.
Weil sie merkte, wie gut ihr die Bewegung mit dem Pferd tat, hat sie den bewegungsbehinderten MS-Patienten in der Mayklinik Therapiestunden hoch zu Ross empfohlen. Intuitiv hat sie sich so dem Thema Hippotherapie genähert und sie, wenn nicht erfunden, so doch standfest gemacht. Sie wurde zur Vorsitzenden des Kuratoriums für therapeutisches Reiten. Als solche hat sie weltweit die Pferdetherapie erforscht und 1975 den Straußenhof in Waakirchen gekauft. Bis heute wird die Hippotherapie dort erfolgreich angeboten.
Wenn man ihr dazu gratuliert, wie viel sie in Bewegung gesetzt und wie viele Menschen sie mit ihrem Engagement bewegt hat, winkt sie ab: „Der Mensch wird geformt von oben und den anderen Menschen, denen er begegnet und die er an seiner Seite hat. Der Mensch braucht den Menschen. Denn wir sind soziale Wesen.“ Und sie stellt klar: „Leben ist Bewegung. Ist man in Bewegung, begegnet einem so viel, wofür man dankbar sein kann. Dankbarkeit ist der Schlüssel.“ Sie sei sehr dankbar für alles, was ihr in 95 Jahren begegnet sei – ein ganzes langes, erfülltes und gottgefälliges Leben lang.
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Aus der Reihe Hörpfade widmet sich Isabella Krobisch der Straußenhof-Gründerin: www.klingende-landkarte.de/Miesbach/soli-deo-gloria-gott-allein-die-ehre-dr-ingrid-strauss-ein-lebensbild-zum-95-geburtstag/