Der General und die Angst vor dem Krieg
Kriege und Krisen, das ist der Titel des Korbinian-Kollegs 2024/2025. Eröffnet wurde es vom umstrittenen Militär-Experten Erich Vad. Man hat ihn „Merkels General“ genannt, aber auch „Putin-Versteher“. Seine Botschaft: Nur eine kluge Politik kann Deutschland noch vor dem Krieg auf eigenem Boden retten.
Weissach – In Talkshows hat der frühere Brigade-General Erich Vad (67) mit seinen Positionen schon öfter die Empörung auf sich gezogen. Früher einmal war er militärischer Berater von Angela Merkel, vor Kurzem hat er ein Buch mit dem Titel „Abschreckend oder erschreckend? Europa ohne Sicherheit“ veröffentlicht. Vad ist ein Kriegswarner, der nichts von feministischer Außenpolitik hält. Nichts davon, die Welt in gute Demokratien und schlechte Autokratien zu unterteilen, nichts von Gesinnungsethik, umso mehr von Verantwortung. Seine Botschaft: Wer Frieden will, muss mit dem Feind reden. Putin zum Monster zu machen, helfe nicht weiter. Es ist ihm bewusst, dass das nach Alice Weidel und Sahra Wagenknecht klingt. „Aber hier stehe ich und kann nicht anders“, sagt Vad beim philosophischen Kolleg von Hotelier Korbinian Kohler im Saal von dessen Luxus-Hotel Bachmair Weissach. Ihn treibe die Angst an, morgens im Krieg auf deutschem Boden aufzuwachen. Er danke für den Mut der Veranstalter, ihn einzuladen.
Kolleg hat ein großes Publikum gefunden
Der Saal ist gut gefüllt, 200 Zuhörer haben sich zum Start des achten Semesters von Kohlers Kolleg versammelt. Es hat sich herumgesprochen, dass die kostenlose Vortragsreihe im Bachmair Weissach mit Referenten aufwartet, die zu den großen Fragen der Zeit wirklich etwas zu sagen haben. „Ich werde öfter gefragt, warum ich das eigentlich mache“, verrät Kohler bei der Begrüßung der Gäste. Die einfache Antwort: „Weil wir es können.“ Über die Kosten des Kollegs dürfe er auf Weisung seiner Frau nicht reden, lächelt Kohler, aber ein hoher sechsstelliger Betrag pro Jahr sei es schon.
Der Aufwand hat eine Plattform geschaffen, die ein breites Publikum anzieht, aber auch mit illustren Gästen aufwartet. Diesmal ist unter anderem Fotografin Herlinde Koelbl dabei, die über 30 Jahre hinweg Merkel porträtiert und ihre Veränderung auf dem Weg zur Macht festgehalten hat. Auch Giesecke & Devrient-Chef Ralf Wintergerst, IHK-Präsident Klaus Josef Lutz und Moderatorin Uschi Dämmrich von Luttitz sind beim Semesterstart dabei.
Philosophie-Professor Wilhelm Vossenkuhl gestaltet Programm
Die Auswahl des Themas und der Redner liegt in den Händen des Philosophie-Professors Wilhelm Vossenkuhl, einem engen Freund Kohlers. „Willi, das ist Deine Fankurve“, sagt Kohler mit einer weiten Handbewegung in den Raum. Vossenkuhl freut sich über den Applaus – und weiß, dass er den Fans diesmal schwer Verdauliches präsentiert.
Ex-General spricht vom Nuklearkrieg
Der Ex-General macht Angst. Er spricht von der Gefahr eines europäischen Nuklearkriegs. Deutschland werde mittendrin sein, als größtes Aufmarschgebiet: „Wir haben ein großes Eskalationsrisiko.“ Es überrasche ihn, dass Politiker, die mehrheitlich den Kriegsdienst verweigert hätten, über Waffenlieferungen sprächen statt über Wege aus dem Krieg. Über Taurus, mit dem „man den Kreml zusammenschießen kann“. Ihn erschrecke die Leichtigkeit, mit der rote Linien überschritten würden, meint Vad. Für Russland sei die Krim mit den einzigen eisfreien Häfen nicht verhandelbar, China könne bei Taiwan nicht anders. „Das müssen wir beachten, sonst sind wir im nächsten Krieg.“ Militärisch lasse sich der Konflikt nicht lösen. Wer immer erkläre, man müsse den Russen nur mal richtig einheizen, verkenne die Lage komplett: „Russland ist die stärkste Nuklearmacht der Welt.“
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Die Welt, sagt Vad, ordne sich gerade neu. „Und wir dürfen das nicht zu deutsch betrachten.“ Die deutsche Politik, findet er, sei gesinnungsethisch aufgeladen. Zu viel westliches Wertesystem, zu wenig Realismus. Doch so funktioniere die internationale Politik nicht, man müsse mit unterschiedlichen Interpretationen des Völkerrechts umgehen: „In der Weltpolitik läuft es nicht wie auf dem Kirchentag.“
Kontroverse Debatte
Die Werteordnung fahren lassen und mit Diktatoren freundlich verhandeln? Im Saal lösen die Empfehlungen des Redners eine intensive Debatte aus. Ob man einen Fremden, der ins Haus eindringe und die Frau, den Mann, das Kind in seine Gewalt bringe, gewähren lassen und noch das Nachbarhaus anbieten solle, fragt eine Zuhörerin irritiert. Es dürfe doch nicht sein, dass sich in der Welt immer die Stärkeren durchsetzen, merkt ein anderer an. Dass rechtswidrige Angriffskriege den Aggressor ans Ziel bringen. „Ich bin deprimiert“, gesteht Kohler, der deutlich macht, dass er vieles anders sieht. Ihn erschrecke die Auskunft, dass Deutschland nur für drei Tage Munition habe.
„Das westliche Lebensmodell ist herausgefordert“
„Es ist kompliziert“, räumt der Ex-General ein. Es brauche eine kluge Politik. Lösungen zu finden, sei „verdammt schwer“, einfache Rezepte gebe es nicht. Aber es gelte, anderen Ländern und ihren Werteordnungen Respekt zu erweisen, „auch wenn uns das schwerfällt“. Das westliche Lebensmodell sei herausgefordert – und aus seiner Sicht dürfe Deutschland den eigenen moralischen Anspruch nicht absolut setzen und ihm alles unterordnen: „Sonst führen wir Kreuzzüge.“