Schwabener Mittelschule: Auf jedem Quadratmeter ist Geschichte zu spüren

  1. Startseite
  2. Lokales
  3. Ebersberg
  4. Markt Schwaben

Kommentare

Franz Bader blickt in einen Klassenraum im Langbau. Strenggenommen handelt es sich hier um einen Raum einer vierten Grundschulklasse. © Johannes Dziemballa

Die einen sagen: Es ist nicht schade drum, dass die Gebäude der alten Mittelschule dem Erdboden gleichgemacht werden. Andere verspüren dagegen Wehmut.

Markt Schwaben - In der großen, fast schon ehrwürdigen Turnhalle der Grafen-von-Sempt-Mittelschule am Gerstlacherweg wird schon seit Wochen kein Sport mehr betrieben. Teile der Hallenfläche sind an diesem Tag zugestellt mit bereits gut gefüllten Umzugskartons. Daneben liegen Einräder, sind Gymnastikmatratzen aufgestapelt. Stehen die im Schulsport nicht immer beliebten Böcke oder zusammengeklappte Tischtennisplatten umeinander. Ein handgeschriebenes Blatt Papier an einem dünnen Absperrband deutet darauf hin, dass hier noch sehr gut verwendbares und vom TÜV daher eigens geprüftes Sportgerät auf den baldigen Abtransport wartet. Zur Weiterbenutzung in der neuen Sporthalle, die man mit etwas Glück durch die großen Fensterscheiben der leider mal wieder erheblich von außen verunstalteten Turnhalle erhaschen kann.

Franz Bader lässt andächtig den Blick schweifen. Hier, in der größten der drei vorhandenen Sportsäle, hat er unzähligen Buben und Mädchen beigebracht, sich beim Turnen oder all den anderen Hallensportarten halbwegs anständig aus der Affäre zu ziehen. Der heute 79-Jährige war von 1970 bis 2009 Lehrer. Zunächst in Niederbayern, dann von 1974 bis zum Dienstschluss an der Grafen-von-Sempt-Mittelschule, wie die einstige Hauptschule heute offiziell heißt. 

(Übrigens: Alles aus der Region gibt‘s jetzt auch in unserem regelmäßigen Ebersberg-Newsletter.)

Deutsch, Mathe und Englisch waren seine Fächer. Als passionierter Leichtathlet lag es nahe, auch Sport zu unterrichten. Und selbst das eine oder andere naturkundliche Fach blieb kein Tabu. Gut 1500 Schülern hat Bader versucht, das Wissen zu vermitteln, das erforderlich ist, um in der Wirtschaft einen Ausbildungsjob zu finden. In den allermeisten Fällen sei das auch gut gelungen, sagt er. Und man merkt, dass bei dieser Feststellung ein wenig Stolz mitschwingt. 

Ebenso stolz scheint er zu sein, wenn er davon berichtet, dass ihm noch heute viele in Markt Schwaben auf der Straße oder im Supermarkt begegnen, die einst seine Schülerinnen bzw. Schüler waren. Manche, fügt er an, duzten ihn inzwischen wie selbstverständlich. Aber das sei in Ordnung. Bader eilte einst der Ruf voraus, der strengeren Pädagogengilde anzugehören. Nachtragend waren und sind wohl die wenigsten.

Franz Bader besucht alte Wirkungsstätte

Es ist schon über ein Jahrzehnt her, dass er sich in den Räumlichkeiten seiner Exschule umschaut. Die EZ hatte ihn gebeten, doch dabei zu sein bei einem Rundgang, kurz bevor wirklich alle Räume leergeräumt sind, der letzte Lehrer und der letzte Schüler die Lokalität verlassen hat und die Umzugshelfer ihre Arbeit vollenden. Was bald folgen wird, ist der baldige Abriss. Die Nachfolgeschule nebenan ist bis auf Kleinigkeiten fertig. Schulstart: Mitte September, mit Beginn des neuen Schuljahres.

„Jeder Quadratmeter ist Geschichte“, sagt Bader. Erst vor ein paar Tagen traf er sich noch mit Exkollegen beim Stammtisch. Wehmut sei dort auch zu spüren gewesen, beschreibt der ehemalige Gemeinderat die Atmosphäre dort. „Ich kenne keinen, der sagt; Gott sei Dank wird das alles hier abgerissen“, betont er. Er macht keinen Hehl daraus, zu denen zu gehören, die eine Generalsanierung einem Neubau vorgezogen hätten. Deshalb sei auch in ihm gerade besagte Wehmut zu spüren. Aber er spricht auch von der Erkenntnis, dass große Schulen wie das neue Zentrum mit Grund- und Mittelschule für weit über 1000 Kinder nicht das Nonplusultra seien. Bader hält es da mehr mit dem einstigen Kultusminister Alois Hundhammer, der aus Forstinning stammte und dem nachgesagt wurde, ebenfalls kein Freund von Schulen gewesen zu sein mit mehr als 200 Schülern. Auch Franz Bader ist nach wie vor Verfechter kleinerer Schuleinheiten: Wegen der besseren Kameradschaft und der Sozialkontakte, fügt er an.

Ein Ausbruch von Kleinheit war auch die Schwabener Hauptschule nicht (immer). Als Bader 1975 noch ein Jungspund war im Kollegium, wurden ihm gleich mal zwei Klassen zugeteilt mit 72 Schülern. Das blieb nicht so. Der Schwabener hat auch Zeiten erlebt, in denen die Schülerzahlen rapide in den Keller gingen und man sich sogar Sorgen um den generellen Fortbestand der Mittelschule in der Marktgemeinde machen musste.

Ein Grund dafür: Im Laufe der Jahre wuchsen im direkten Umfeld mit der Realschule und dem Gymnasium moderne Einrichtungen heran, während in der Mittelschule baulich immer mehr der Zahn der Zeit nagte. Die Attraktivität litt alleine schon aufgrund der Äußerlichkeiten erheblich. Anmerkung: Mögliche falsche schulpolitische Weichenstellungen zu Ungunsten der bayerischen Mittelschulen seien an dieser Stelle bewusst mal ausgeklammert.

Schon alleine beim Betreten des Hauses kommt Besuchern ein Schwall von unterschiedlichen Gerüchen entgegen. Was Bürgermeisterin Walentina Dahms, zeitweise Begleiterin bei unserem Rundgang auf Initiative der EZ, als etwas „Süßliches“ bezeichnet, riecht für Sabrina Biertz aus der Kommunikationsabteilung des Rathauses eher nach Reinigungsmittel bzw. Chemie. Doch hinter einer der vielen, nachträglich einmal eingebauten Brandschutztüren verändert sich die Geruchslage im Nu komplett.

Ein Mix aus vielen Gerüchen

Ganz intensiv wird‘s im Sporthallenbereich, wo sich Körperschweiß geradezu zu vermissen scheint mit dem, was da so aus den Sanitärbereichen weht. Gemeinschaftswaschbecken versprühen den Charme der 60er Jahre. In den wenigen Duschen, die dem Lehrpersonal vorbehalten gewesen schienen, sprießt hier und da Schimmel. Ein Problem, das sich durch den gesamten sogenannten Langbau zieht und schon von außen unschwer zu erkennen ist. 

Mittelschule Markt Schwaben: Losungen an den Wänden
ms-mittelschule-rundgang-dz-18.jpg © Johannes Dziemballa

Das alles scheint eine logische Folge von so manchen baulichen, längst nicht mehr zu kaschierenden Defiziten zu sein. Schon die anfangs noch bevorzugten Holzfenster hätten Probleme bereitet, so Bader. Der Chronist erinnert sich, dass ihm einst ein Fachlehrer im Physik- und Chemieraum den ständigen Durchzug trotz geschlossener Fenster und Türen anhand einer brennenden Kerze auf der Fensterbank anschaulich machte. Gute 30 Jahre ist das her. Später eingebaute Metallfenster brachten keinen Fortschritt. „Die schwitzten regelrecht“, sagt Bader. Ein Fan der Architektur insbesondere des Langbaus sei er nie gewesen, fügt er an. Alles rechtwinklig, alles glatt, viel Glas; fast schon Bauhausstil. Allerdings sei dabei die Bausubstanz nie wirklich super gewesen, meint Bader, der Urschwabener.

Alte Unterlagen für das Museum?

Schulleiter Rainer Elfinger ist nur kurz dabei. Terminstress. In seinem ebenfalls schon mit Kartons übersäten Büro kramt er alte Dokumente hervor: Baupläne vom Volksschulbau im Original, alte Fotos früherer Schulgebäude in der Marktgemeinde. Nachschriften von Inschriften. Alles will er der Gemeinde bzw. dem Heimatmuseum übergeben. Gut möglich, dass man sich dort über die Funde freuen wird. Gleiches könnte mit den liebevoll gebauten Modellen passieren, die alte Gebäude der Gemeinde wie das Zanklhaus von 1718, das alte Schulhaus in der Erdinger Straße von 1844 oder das frühere Anwesen Stacheter in der Ebersberger Straße aus dem Jahr 1803 zeigen. Angefertigt wurden sie im Werkunterricht unter der Leitung von Albert Ehrnstraßer, einem inzwischen verstorbenen, langjährigen Lehrer aus Forstinning. 

Umzugswagen vor der neuen Schwabener Schule
Erste Umzugsunternehmer fuhren schon am Freitag vor, um Sachen von Schule A nach B zu transportieren. © J.Dziemballa

Gut eine Stunde dauert unser Rundgang. Am Ende treffen wir zufällig Susanne Zaus von der Mittagsbetreuung mit Sportgeräten in der Hand. Sie gehört eher zu der Fraktion, die sich schon jetzt uneingeschränkt auf die neue berufliche Heimat nebenan und den dort geschaffenen neuen Möglichkeiten insbesondere im sportlichen Bereich freut. Im lockeren Plaudern outet sie sich als Verfechterin von deutlich mehr Schulsport. Als engagierte LG-Sempt-Mitwirkende weiß die aus Essen stammende Betreuerin ganz gewiss um die Bewegungsdefizite vieler junger Schüler. Unsere Exkursion kurz vor der endgültigen Schulschließung endet mit einem fachlichen Austausch zwischen ihr und der ehemaligen Sportskanone Franz Bader über die Vor- und Nachteile differenzierten Sportunterrichts. Vielleicht wird der ja im neuen Schuljahr dank neu entstandener Kapazitäten wieder möglich und nicht, wie so oft schon geschehen, gestrichen.    

Auch interessant

Kommentare