Angst vor Übernahme durch Putins Russland: Video von Kilometer langem Protest in Georgien
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In Georgien gehen zehntausende Menschen auf die Straßen von Tiflis, um gegen den Einfluss von Wladimir Putins russischem Regime in ihrem Land zu demonstrieren. Wie weit geht Moskau diesmal?
Tiflis – Das kleine Georgien im Südkaukasus hat ein neues Staatsoberhaupt: Der ehemalige Fußball-Profi Micheil Kawelaschwili wurde an diesem Sonntag (29. Dezember 2024) als Präsident vereidigt. Dem 53-Jährigen wird eine große Nähe zum Moskau-Regime Wladimir Putins aus Russland nachgesagt.
Große Nähe zu Putin und Moskau: Georgien hat einen neuen Präsidenten
Georgiens neuer Präsident wurde nun trotz massiver Proteste ins Amt eingeführt. Zehntausende Demonstranten gingen zum Beispiel in Tiflis auf die Straßen, um über die Brücken des Flusses Kura Kilometer lange Menschenketten zu bilden. Sie schwenkte dabei reihenweise Flaggen der Europäischen Union (EU). Die proeuropäischen Proteste, die sich gegen Putin richten, dauern jetzt schon seit Wochen an.
Kawelaschwili, der in den 1990er Jahren und Anfang des Jahrtausends unter anderem für Manchester City in England und den FC Zürich sowie den FC Basel in der Schweiz Fußball spielte, befürchten, dass er das Land noch mehr unter russischen Einfluss bringen wird. Nachdem bereits die aus westlicher Perspektive ebenfalls umstrittene Regierungspartei „Georgischer Traum“ als kremlfreundlich gilt.
The chain of unity!
— Lucas Ablotia (@AblotiaLucas) December 28, 2024
This protest in Georgia/Tbilisi is unstoppable the Russian regime will collapse! pic.twitter.com/LPwOobUS96
Schleichende Übernahme durch Wladimir Putins Russland? Proteste in Georgien
„Wir müssen uns vereinen, für unser Heimatland, das Prinzip des gegenseitigen Respekts, für die Zukunft, die wir gemeinsam aufbauen sollen“, erklärte Kawelaschwili vor dem Parlament in Tiflis. Wie das „heute journal“ des ZDF berichtete, sind nun alle wichtigen Regierungsämter durch die prorussische Regierungspartei „Georgischer Traum“ oder ihr nahestehende Politiker besetzt. Das gilt unter anderem für den 46-jährigen Premierminister Irakli Kobachidse, der der Regierungschef in Tiflis ist, dem mit rund 1,1 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern politischen und wirtschaftlichen Zentrum des Landes.
Am Sonntag wurde es in der Hauptstadt hektisch: Die bisherige Präsidentin Salome Surabischwili erkannte die Wahl Kawelaschwilis nicht an. Sie sieht sich weiter als legitime Amtsinhaberin und erklärte, ihre Amtsgeschäfte proeuropäisch fortführen zu wollen. Wie sie das machen will, ohne Titel, ließ die frühere Außenministerin offen. Sie will die Integration ihres Landes in die EU fortsetzen. Der Konflikt zwischen der proeuropäischen Opposition, die eine schleichende Übernahme des Landes durch Putins Moskau-Apparat befürchtet, und dem kremlnahen „Georgischen Traum“ beherrscht seit Monaten das politische Geschehen in Georgien.
Georgien | |
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Einwohnerinnen und Einwohner: | 3,7 Millionen |
Hauptstadt: | Tiflis |
Fläche: | 69.700 km² |
Staats- und Regierungsform: | parlamentarische Republik |
Grenzen mit: | Russland, Aserbaidschan, Armenien, Türkei |
Proteste gegen Wladimir Putins Moskau-Regime: Georgier gehen in Tiflis auf die Straße
Der Ukraine-Krieg dient als mahnendes Beispiel. Anfang Dezember war es zu heftigen Krawallen auf den Straßen von Tiflis gekommen. Das georgische Verfassungsgericht hatte einen Antrag auf Annullierung des Ergebnisses der Parlamentswahl zurückgewiesen. Der Russland-freundliche „Georgische Traum“ hatte laut offiziellem Ergebnis mit einer deutlichen Mehrheit von rund 54 Prozent gewonnen. Der der Partei vorstehende, im Westen polarisierende Milliardär Bidsina Iwanischwili soll enge Verbindungen in die russische Hauptstadt knüpfen. Die Demonstranten demonstrierten explizit gegen den russischen Autokraten Putin.
Das Misstrauen gegenüber dem Kreml ist historisch bedingt: Im Kaukasuskrieg 2008 war die russische Armee völkerrechtswidrig mit hunderten Panzern in Georgien eingerückt. Seither sind die abtrünnigen georgischen Provinzen Südossetien und Abchasien als international nicht anerkannte Republiken durch die russischen Streitkräfte besetzt. Und damit rund 20 Prozent des georgischen Staatsgebietes. Bis 1991 gehörte Georgien zur durch Moskau omnipräsent dominierten Sowjetunion, ehe das Land durch deren Zusammenbruch unabhängig wurde. Der ehemalige diktatorisch regierende sowjetische Ministerpräsident Josef Stalin wurde 1878 auf dem Gebiet des heutigen Georgiens geboren. (pm)
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