Solidarität, Unterstützung, füreinander einstehen: Alles Werte, deren Fehlen in der heutigen Gesellschaft oft kritisiert wird. Doch es kann auch anders gehen.
Maisach - Das zeigt die Geschichte von Helga Leistl und Josef Huber. Sie haben einander immer geholfen – ohne Wenn und Aber, ein ganzes Leben lang.
Wann sie sich das erste Mal gesehen haben, das wissen Helga Leistl (87) und Josef Huber (80) nicht mehr so genau. Wahrscheinlich als Kinder. „Wir sind weitläufig miteinander verwandt“, sagt Helga Leistl. Sie sitzt in ihrem Zimmer im Seniorenheim Gernlinden, hinter ihr ein Regal mit Büchern, Fotos und anderen Dingen aus ihrem langen Leben. „Ihr Vater und mein Großvater waren Cousins“, erklärt Josef Huber.
Sie half ihm als Student
Dass Helga Leistl in Gernlinden eine neue Heimat gefunden hat, verdankt sie vor allem Josef Huber und dessen Ehefrau Klara (76). Die beiden haben sich um sie gekümmert, als sie krank wurde und es ihr sehr schlecht ging. Für den 80-Jährigen war das eine Selbstverständlichkeit, wie er sagt. Nicht nur, weil Helga Leistl ihn während seiner Studentenzeit unterstützt hat. Sondern auch, weil er vor über 40 Jahren ihrer Mutter auf dem Totenbett ein Versprechen gegeben hat. „Kümmere dich um meine Helga, hat sie gesagt. Und das habe ich gemacht.“
Doch zurück zum Anfang der Geschichte, der Kindheit der beiden. Helga Leistl lebte mit ihren Eltern und ihrem 16 Jahre älteren Bruder in München. Josef Huber wuchs auf dem Hof seines Onkels in Niederbayern (heutiger Kreis Landshut) auf. Der Vater galt seit dem Krieg als vermisst. „Die Leistls sind Anfang der 50er-Jahre öfter zu uns geradelt, um Essen zu holen“, erzählt Josef Huber. Es war eine lose Verbindung.
Enger wurde sie erst, als Josef Huber zu studieren anfing, Landwirtschaft in Weihenstephan. „Um das zu finanzieren, musste ich immer in den Wintersemesterferien arbeiten“, erzählt er. Helga Leistl hat ihm den Job vermittelt, denn sie war in der Firma als Buchhalterin beschäftigt.
Dem Dackel Stasi das Leben gerettet
Aber nicht nur auf diese Weise hat sie Josef Huber unter die Arme gegriffen. „Ich habe während der Zeit auch bei den Leistls gewohnt und wurde versorgt“, berichtet der 80-Jährige. Die Leistls, das waren Helga, ihre Mutter und der Dackel Stasi. „Dem habe ich sogar mal das Leben gerettet“, erzählt Josef Huber. Der Hund drohte an einem Knochen zu ersticken – „und ich habe ihn den wieder aus dem Hals gezogen.“
Fragt man Helga Leistl, warum sie und ihre Mutter damals dem jungen Studenten Kost und Logis gewährt haben, antwortet sie schlicht: „Wir haben ja genug Platz gehabt.“
Vier Jahre lang, von 1966 bis 1970, ging das so, dann hatte Josef Huber sein Studium beendet. Den Kontakt haben er und Helga Leistl seitdem nicht verloren. Im Gegenteil: Sie wurde Teil seiner Familie – und die Taufpatin seiner Zwillingstöchter. „Sonntags ist sie oft zu uns gekommen“, erzählt Klara Huber. Immer mit dabei im Gepäck: einen Fisch, den sie im Geschäft am Isartor gekauft habe. „Den haben wir dann gemeinsam gegessen.“ Und auch mit den Kindern habe sie viel unternommen.
Helga Leistl selbst hat keine Kinder. Mit ihrem Mann Frank hat sie sich 1989 ein Haus in Wartenberg (Kreis Erding) gekauft. Sein Tod vor gut drei Jahren hat sie sehr mitgenommen. Es ging ihr zusehends schlechter. „Irgendwann ging es nicht mehr“, sagt Josef Huber. Es sei klar gewesen, dass sie nicht mehr alleine leben konnte.
Mindestens einmal pro Woche zu Besuch
Er fackelte nicht lange und besorgte ihr ein Zimmer im Gernlindner Seniorenheim, die Hubers leben in Esting. „Hier können wir uns besser um sie kümmern“, so der 80-Jährige. Mindestens einmal in der Woche seien er oder/und seine Frau da. Und auch die Patenkinder kämen vorbei. Eines sei dabei immer besonders wichtig, sagt er und lacht: „Wir müssen immer frische Blumen mitbringen.“ Für ihn eine Selbstverständlichkeit – genauso wie die Unterstützung, die sich die beiden gegenseitig geschenkt haben.