Azubis im Überfluss: Warum Bestatter der neue Traumjob der Gen Z ist

Ein paar Bali-Vlogs, süße Katzenvideos – und plötzlich ein Tutorial für den perfekten Sarg. Willkommen im Instagram-Feed der Gen Z. Was für viele andere niemals als Job in Frage kommen würde, entwickelt sich gerade zum echten Karriere-Hype unter jungen Leuten: die tägliche Arbeit mit dem Tod. 

Während Handwerksbetriebe und Pflegeeinrichtungen händeringend nach Azubis suchen, boomt ausgerechnet die Bestatter-Branche.

Noch 2013 entschieden sich deutschlandweit nur 390 Menschen für die Ausbildung zur Bestattungsfachkraft. Zehn Jahre später sind es mehr als doppelt so viele – und der Bundesverband Deutscher Bestatter rechnet 2025 sogar mit fast 1000 Auszubildenden. 

Gen Z und Bestatter: Fanny lernt Sargkunde und studiert Krematorien

Besonders junge Frauen interessieren sich offenbar für den Beruf. Seit 2013 ist der Anteil der weiblichen Azubis von 45 auf satte 57 Prozent gestiegen. Was ist da los?

„Vielleicht hat man Frauen den Job früher mental nicht zugetraut“, sagt Ulrike Grandjean, Besitzerin eines Bestattungsunternehmens in Trier in einer „ZDF“-Reportage. Ihre Tochter Fanny gehört zu denen, die das Klischee vom Bestatter als Männerberuf aufbrechen wollen. Die 21-Jährige macht gerade ihre Ausbildung zur Bestatterin, studiert Sargkunde und lernt über Krematorien, und liebt, was sie tut:

 „Ich hatte vorher wenig mit handwerklichen Tätigkeiten zu tun“, sagt sie im „ZDF“. "Wenn ich die Löcher aber richtig gebohrt habe, dann gehe ich stolz nach Hause." 

Ein Praktikum beim Bestatter besiegelte ihre Entscheidung. „Ich habe auch mit dem Gedanken gespielt, Psychologie oder Medizin zu studieren“, erzählt sie. Doch der Bestatterberuf vereine für sie alles: Empathie, Organisation, Kreativität und ein bisschen forensisches Fingerspitzengefühl.

„Man macht so viel mehr, als nur die Verstorbenen zu begraben“

Auch Lilly Vass will Bestatterin werden. Die 20-Jährige ist Schülerin an der Theo-Remmertz-Akademie im unterfränkischen Münnerstadt, der einzigen Bestatterschule Deutschlands. Der Unterricht reicht von Gräber-Ausheben bis zur Seebestattung, vom Umgang mit Angehörigen bis zur Dekoration der Trauerhalle. „Man macht so viel mehr, als einfach nur die Verstorbenen abzuholen und zu begraben“, erklärt Lilly in einem Gespräch mit der „Süddeutschen Zeitung“. „Wir begleiten Menschen bei einem würdevollen Abschied.“

Dass ausgerechnet der Tod junge Menschen anzieht, überrascht selbst Branchenkenner. Die Nachfrage nach einem Ausbildungslatz ist an der Akademie so groß, dass selbst Hotels in der Münnerstädter Altstadt regelmäßig Zimmer für Azubis freihalten müssen – intern gibt es längst zu wenige Schlafplätze. 

Vor allem junge Frauen fühlen sich vom Bestatter-Job angesprochen

Aber warum entscheiden sich so viele junge Menschen plötzlich für einen Beruf, der jahrzehntelang als düster und altmodisch galt? Dozentin Imke Lippert sieht einen klaren Wandel in der Gesellschaft: „Die Wünsche der Menschen verändern sich“, sagt sie im Gespräch mit der „Süddeutschen Zeitung“. „Die Religion spielt eine viel geringere Rolle. Der Bestatter wird zur Bezugsperson.“ 

Und damit zum empathischen Begleiter in einer für die Angehörigen sehr schweren Zeit. Besonders Frauen fühlen sich von dieser neuen Dimension des Berufs angesprochen, beobachtet auch der Bundesverband.

Die Gen Z ist jetzt #deathpositive

Die Arbeit ist außerdem längst nicht mehr so körperlich wie früher. Dank technischer Hilfsmittel müssen heute keine 90-Kilo-Särge mehr von Hand geschultert werden. Dazu kommt laut Lippert der kreative Anteil: Deko, Musik, Make-up, Blumenschmuck – alles, was dabei hilft, den Abschied persönlich zu gestalten.

Und dann wäre da noch ein nicht ganz unwesentlicher Faktor: Social Media.

Bestattungs-Influencer wie der 20-jährige Luis Bauer erklären auf TikTok, was mit den Toten in der Leichenhalle passiert, wenn der Strom ausfällt oder wie eine Seebestattung funktioniert – und erreichen damit ein Millionenpublikum. 1,3 Millionen Follower verfolgen den Trauer-Content.

Was früher als gruselig galt, ist heute #deathpositive. Eine Bewegung, die vor allem von der Amerikanerin Caitlin Doughty geprägt wurde. Auf YouTube und Instagram beantwortet die Bestatterin unter dem Titel „Ask a Mortician“ („Frag einen Betatter“) Fragen wie: Wie lange dauert die Totenstarre? (Spoiler: bis zu drei Tage.) 

Nähe statt Distanz, Trost statt Trauermiene – das passt zur Haltung der Gen Z, die im Arbeitsleben laut einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung nach weniger Hierarchie und mehr Sinn sucht. Und genau den finden viele im Bestattungswesen. „Es ist ein innerer Frieden, den ich empfinde, wenn ich jemandem einen würdevollen Abschied ermögliche“, sagt Fanny Grandjean. „Ich möchte allen die Gelegenheit geben, sich angemessen zu verabschieden.“