Serie: „So geht es Deutschland wirklich“ - Beim Sarg-Verkauf merkt Bestatter Felix, wie sehr den Menschen gerade das Geld fehlt

Doch das sei eben nur die eine Seite, schiebt er nach. Wirtschaftlich sehe es anders aus . „Es gibt viele Probleme im Land. Man spürt an jeder Ecke, wie sehr die Ampel-Regierung die Menschen gebeutelt hat und wie verunsichert die Bevölkerung ist“, so Felix Neuner. „Ich denke, dass die noch amtierende Regierung den Menschen sehr geschadet hat.“

Der Bamberger spricht von Vertrauen, das verloren gegangen sei, und von einer miserablen Rolle, die die Berliner Politik lange Zeit gespielt habe. „Die Regierung hat vorgelebt, wie man sich zerfetzt und wie man ohne Respekt miteinander umgeht.“ Das Miteinander sei verloren gegangen, meint er. In der Politik wie in der Gesellschaft.

Gestandene Staatsmänner wie Helmut Kohl von der CDU oder Hans-Dietrich Genscher von der FDP würden sich, wenn sie das heutige politische Personal betrachten müssten, „im Grab umdrehen“, sagt der Bestatter. Und der muss es ja wissen.

Konto der Familie ist „schon oft Mitte des Monats leer“

Zum Verfall der politischen Sitten käme der beängstigende soziale Abstieg großer Bevölkerungsgruppen, so der Unternehmer. Betriebe machten dicht, Zehntausende Jobs fielen weg, ein Aufschwung sei nicht in Sicht. Die enorm gestiegenen Lebenshaltungskosten machten fast allen das Leben zusätzlich schwer. „Auch mir“, merkt Neuner an.

„Wenn ich beim Discounter einkaufen gehe und 80 Euro bezahle, ist der Korb halb so voll wie vor ein paar Jahren. Essengehen mit der Familie, mal ein Bierchen trinken mit Freunden – selbst mit einem guten und geregelten Einkommen geht das nicht so leicht wie früher“, sagt er. Das Konto fürs tägliche Leben der Familie sei jetzt „schon oft Mitte des Monats leer“.

Wie im Privaten, so im Geschäftlichen. „Als junger Unternehmer spüre ich die Krise natürlich auch. Das geht nicht an mir und meinen Kollegen vorbei.“ Wie Millionen klein- und mittelständische Unternehmer leidet auch Neuner unter der hohen Steuer- und Abgabenlast, wahnwitzigen Vorschriften, staatlicher Regelungswut und überbordender Bürokratie.

Auf dem Friedhof prüfen Mitarbeiter die ordnungsgemäße Einsargung – und kassieren 70 Euro

Als „hirnrissigstes Beispiel für den Bürokratiewahnsinn “ nennt Neuner die in Bayern gültige „Vorfahrtpflicht“ bei Überführungen. Vereinfacht gesagt, geht es darum:

Wenn Neuners Mitarbeiter im Bamberger Stadtgebiet einen Leichnam abholen, der auf Wunsch der Angehörigen außerhalb von Bamberg bestattet werden soll, dann dürfen sie ihn nicht einfach dorthin bringen. Sie müssen zuvor auf den städtischen Friedhof vorfahren. Dort prüfen Mitarbeiter die ordnungsgemäße Einsargung – und kassieren eine Gebühr von 70 Euro.

Diese Regelung ist ein Ärgernis für die gesamte Bestattungsbranche, aber im Vergleich zu den großen Problemen nur ein Klacks.

Dass die mittlerweile gescheiterte Koalition aus SPD, Grünen und FDP es nicht geschafft hat, die Rahmenbedingungen für Unternehmer zu verbessern, sei „ein Armutszeugnis“, stellt Neuner fest. Über den wirtschaftlichen Abschwung und die Zurückhaltung der Menschen bei Kaufentscheidungen dürfe sich niemand wundern.

„Die Leute sagen: Wir haben eine Wirtschaftskrise, wir müssen sparen und halten unser Geld zusammen. Davon bleibt auch der Bereich Bestattungen und Trauerfeiern nicht verschont.“

Angehörige von Verstorbenen würden öfter als früher fragen, was das einzelne Produkt oder die einzelne Dienstleistung koste – und sich dann in den allermeisten Fällen für die billigste Variante entscheiden.

Trend zum Billigsarg: Indikator für härtere Zeiten

„Unser aktueller Verkaufsschlager ist der Einäscherungssarg aus Kiefer. Der kostet 550 Euro inklusive Mehrwertsteuer und ist unser günstigstes Modell“, berichtet Neuner. Früher hätten die Hinterbliebenen öfter einen Sarg gekauft, der etwa dreimal so teuer ist: einen massiven Eichensarg mit Vollmetallgriffen.

Doch aus finanziellen Gründen geht der Trend schon seit geraumer Zeit hin zur Einäscherung. „Auch wegen der Folgekosten für den Friedhof entscheiden sich immer mehr Leute gegen ein Urnengrab oder ein Erdgrab“, berichtet Neuner. „Sie wählen günstigere Bestattungsformen wie die Einäscherung.“

Bei ihm machten Feuerbestattungen bereits 70 Prozent des gesamten Geschäfts aus, erklärt der Bamberger Unternehmer. Auch das ein Indikator für die härter gewordenen Zeiten.

Trotz aller finanzieller Zwänge und Abstriche, die Hinterbliebene mitunter machen müssen – Felix Neuner versucht immer, seinen Kunden eine schöne individuelle Trauerfeier zu ermöglichen, die den Wünschen der Angehörigen und des Verstorbenen gerecht wird. „Aber es ist schwieriger geworden, das umzusetzen.“

Felix Neuner analysiert: „Der Anteil an sozial Schwachen hat zugenommen. Das spürt man deutlich.“

Letztens stand in seinem Büro eine ältere Dame, die ihre Freundin beerdigen musste, mit der sie viele Jahre im Heim zusammengelebt hatte. „Die hätte gern eine richtig schöne Zeremonie gehabt, konnte es aber nicht. Weil sie schlicht und ergreifend kein Geld hatte. Sie litt unter Altersarmut.“ Neuner erfüllte der Rentnerin ihren Wunsch.

„Ich habe ihr gesagt: Ich kann das nicht immer unter dem eigentlichen Preis oder sogar unentgeltlich machen, aber hier mache ich eine Ausnahme. Sie war unheimlich dankbar.“

„Habe gesellschaftliche und soziale Verantwortung“

Neuner ist kein kühler Unternehmer, der seinen Kunden bloß Särge und Trauerschmuck verkauft und davon möglichst das Teuerste. Er ist ein feinfühliger, empathischer Mensch. Neuner hat mehr im Blick als nackte Zahlen und Bilanzen.

„Unsere Umsätze sind in den vergangenen Jahren nicht eingebrochen, aber insgesamt ist es sehr viel schwieriger geworden“, sagt Neuner, der 2024 mit seinem Team annähernd 300 Bestattungen durchführte. Er verweist auf massiv gestiegene Preise etwa für Holz, aus denen Särge, Urnen oder Grabkreuze gefertigt werden.

„Da sprechen wir über bis zu 30 Prozent Preisaufschlag.“ Hinzu käme, dass Energie und Strom bedeutend teurer wurden.