Große regionale Unterschiede im BIP - Nicht überall schwächelt die Wirtschaft - diese Regionen wachsen
Die deutsche Wirtschaft steckt in der Rezession. 2024 schrumpfte das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,2 Prozent. Ein Blick auf die einzelnen Bundesländer zeigt jedoch, dass diese Entwicklung sehr unterschiedlich verteilt ist. Es gibt nämlich wieder ein Nord-Süd-Gefälle– nur andersherum als früher: Plötzlich wächst der Norden, während der Süden kämpft.
Vor allem die wirtschaftsstarken Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern, die zusammen fast 54 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP) erwirtschaften, zogen den Schnitt nach unten. In Bayern ging die Wirtschaftsleistung sogar um ein ganzes Prozent zurück.
Vor allem nördliche Bundesländer sind gewachsen
Dagegen trumpfte Hamburg mit einem Wirtschaftswachstum von 1,7 Prozent auf, auch Mecklenburg-Vorpommern (+1,3 Prozent) und Schleswig-Holstein (+ 1,2 Prozent) zeigen eine Eins vor dem Komma.
Leider spiegelt sich dieser Effekt nur unterproportional im deutschen BIP wider: Hamburgs Beitrag liegt insgesamt nur bei 3,8 Prozent des Gesamt-BIP, der von Schleswig-Holstein macht sogar nur 2,9 Prozent aus.
Saarland leidet
Die Gründe für das schwache Abschneiden der Süd-Bundesländer und NRWs liegen vor allem in der industriellen Transformation der Auto- und Stahlindustrie. Die trifft auch das Saarland hart, dessen Wirtschaftsleistung sogar um 1,9 Prozent schrumpfte –der schwächste Wert unter allen Bundesländern. An der Saar hängt jeder neunte Arbeitsplatz am Fahrzeugbau, die Automobilindustrie trägt nach Angaben der „Welt“ 17 Milliarden Euro Umsatz zur Wertschöpfung bei und damit mehr als ein Drittel des saarländischen BIP.
Autoindustrie zieht Bayern und Baden-Württemberg runter
Auch der relativ starke Rückgang in Baden-Württemberg erklärt sich durch die Automobilindustrie und ihre Zulieferer. Dort konnten selbst die Rekord-Umsätze von SAP in Walldorf einen BIP-Rückgang um 0,4 Prozent nicht verhindern. Bayern hatte diesen Effekt nicht und verlor daher – ebenfalls vor allem aufgrund der Autoindustrie - sogar ein Prozent an Wirtschaftsleistung.
Rheinland-Pfalz kämpft gleich mit zwei Sondereffekten: Bei BASF in Ludwigshafen laufen die Geschäfte nicht mehr rund, der Chemieriese stellte sogar einzelne Produktionslinien aufgrund der hohen Gaspreise ein. Zudem brach der Umsatz beim Corona-Impfstoff-Pionier Biontech aus Mainz ein: von 19 Milliarden Euro im Jahr 2021 auf nur noch 2,75 Milliarden in 2024. Allerdings hatte der Biontech-Effekt das BIP von Rheinland-Pfalz 2021 auch um 11,2 Prozent in die Höhe katapultiert. Dass sich das nun korrigiert, erklärt auch, warum die Wirtschaft in Rheinland-Pfalz auf dem Papier nun schon seit drei Jahren schrumpft.
Wachstums-Spitzenreiter Hamburg
Etwas überraschend konnte Niedersachsen, trotz der VW-Krise, ein Wachstum ausweisen. Da das Bundesland außerdem 8,9 Prozent zum deutschen BIP beiträgt, war dieser Effekt durchaus spürbar. Überhaupt stehen die Nordlichter im Ranking 2024 durchweg besser da als der Süden. Wachstums-Spitzenreiter war Hamburg. Wichtigster Wirtschaftstreiber der Hansestadt ist natürlich der Hafen samt der Logistik-Unternehmen, die daran hängen; allen voran Hapag-Lloyd. Aber auch ein Dax-Konzern wie Beiersdorf und die Dienstleistungsbranche brachten Hamburgs Wirtschaft voran.
Dienstleistungen und vor allem der Tourismus sind nach Einschätzung von Caren Breszki, Chefvolkswirt der ING, auch der Grund, warum Länder wie Mecklenburg-Vorpommern 2024 mit ihren Wachstumsraten an der Spitze rangieren. Hinzu kommt, vor allem in Schleswig-Holstein aber auch in Niedersachsen, die Stromgewinnung aus erneuerbaren Energien durch Windparks an Land und auf hoher See. Auch die LNG-Terminals an der deutschen Nord- und Ostseeküste tragen zum BIP-Wachstum bei, da sie weitere Wirtschaftsansiedlungen ausgelöst haben.
Ebenfalls gewachsen sind Berlin – auch hier ist es der Dienstleistungssektor – und Hessen, das sein BIP-Wachstum vor allem den wieder erfolgreichen Finanzdienstleistern in der Bankenmetropole Frankfurt zu verdanken hat.
Hängt der Norden mit Strom im Überfluss bald den Süden ab?
Experten sagen gerade dem Norden Deutschlands noch aus anderen Gründen eine goldene Zukunft voraus: Ministerpräsidenten wie Schleswig-Holsteins Daniel Günther haben jahrelang darauf hingearbeitet, dass die Stromnetzentgelte im Norden geringer ausfallen als im Rest der Republik, weil die Windenergie praktisch direkt nebenan erzeugt wird und kaum Kosten für den Netztransport entstehen.
Mit Beginn des Jahres 2025 wurden die Netzentgelte im Norden der Republik gesenkt. Niedrigere Strompreise können die nördlichen Bundesländer in den kommenden Jahren sehr attraktiv für Investoren machen. Die Tatsache, dass ein Land wie Schleswig-Holstein mittlerweile an immer mehr Tagen im Jahr einen Stromüberschuss aufweist, war auch ein Argument für die – schließlich gescheiterte – Ansiedlung der Batteriefabrik von Nordvolt bei Heide.
Als Nächstes wollen die Küstenländer nun KI-Rechenzentren anwerben, die sehr viel Strom benötigen. Denn sie haben auch vernommen, dass sich Investoren wie Google und Microsoft öffentlich verpflichtet haben, in ihren Rechenzentren vor allem auf emissionsfreie Energie zu setzen. Dazu zählen sie allerdings auch Atomenergie – wodurch Bayern und Baden-Württemberg, nach einem Ausstieg vom Atomausstieg, wieder ins Spiel kommen könnten.