Interview mit Claudia Wellendorff: „Nur Gold ist Geld, alles andere ist Kredit“

FOCUS online: Wellendorff ist seit 1893 in Familienbesitz – was ist das Geheimnis dieser Beständigkeit?

Claudia Wellendorf: Unsere Beständigkeit beruht auf dem unerschütterlichen Glauben an die Wahren Werte: Das Credo unseres Gründers Ernst Alexander Wellendorff im Jahr 1893 lautete: „Nimm nur das Beste - Gold, Diamanten, die besten Goldschmiede, die besten Werkzeuge - und du erschaffst den besten Schmuck für die feinsten Liebhaber der Welt.“ 

Heute würden wir vielleicht sagen „Mach einfach keine Kompromisse.“

Dieser Leitsatz prägt uns bis heute und ist seit vier Generationen die Grundlage unseres Handelns.

Welche Traditionen aus der Gründungszeit haben bis heute Bestand?

Wellendorf: In der Familie leben wir seit Generationen nach zwei Prinzipien: Die Familie ist die Spielwiese des Lebens und Familiensinn geht vor Eigensinn. Wenn wir uns daran halten, sind wir unschlagbar.

Wie hat sich das Unternehmen über Generationen verändert?

Wellendorff: Jede Generation hat Wellendorff mit neuen Impulsen geprägt. 1893 gründete Ernst Alexander Wellendorff die Manufaktur mit der Vision, perfekten Schmuck zu schaffen – seine Kreationen verzauberten bald nicht nur das wohlhabende Bürgertum, sondern auch europäische Königshäuser.

Nach den Wirren des Zweiten Weltkriegs baute Dr. Alexander Wellendorff das Unternehmen mit schweren Siegelringen aus 18-karätigem Gold wieder auf. 

1960 übernahm Hanspeter Wellendorff die Geschäftsführung, führte das Brillant-W als Markenzeichen ein und etablierte Wellendorff als Marke für „Wahre Werte“. 1977 entstand auf Wunsch seiner Frau Eva die legendäre Wellendorff-Kordel – heute ein Klassiker.

Mit Christoph und Georg Wellendorff kam 1993 die Farbe in die Kollektion - durch die spezielle Wellendorff-Emaillierung auf drehbaren Ringen. Technologische Innovationen wie Federndes Gold folgten. 

Seit 2008 erweitert Wellendorff sein Boutiquen-Netzwerk und ist heute international bei ausgewählten Juwelieren in Nordamerika, Europa und Asien vertreten.

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Collier Varieté aus der Kordelgeneration Wellendorff

Sind Familienunternehmen generell entspannter und nicht durch Aktionäre getrieben, um kurzfristigen Erfolg zu haben? 

Wellendorff: Als unabhängiges Familienunternehmen entscheiden wir frei und langfristig. Statt auf schnelle Erfolge setzen wir auf Qualität, Handwerk und Beständigkeit. Diese Freiheit ermöglicht es uns, unseren Werten kompromisslos treu zu bleiben. Wellendorff ist für uns keine Kapitalanlage, sondern eine Lebensaufgabe. Wir folgen keinen schnellen Trends, sondern schaffen bleibende Werte für echte Schmuckkenner.

Wie geht Wellendorff mit der Herausforderung um, Luxus und Nachhaltigkeit zu vereinen?

Wellendorff: Nachhaltigkeit bedeutet für uns, Verantwortung in vielerlei Hinsicht zu übernehmen: von der Auswahl der Materialien über den Qualitätsgedanken in der Fertigung, den lebenslangen Service, den Umgang miteinander bis hin zur Ausbildung der nächsten Generation. Ein Prinzip, das in unserem Familienunternehmen seit nunmehr 132 Jahren fest verankert ist.

Gibt es Prominente oder besondere Kunden, die Ihre Marke schätzen? Von Bill Gates habe ich gelesen, von der japanischen Kaiserin gibt es Bilder im Internet mit Wellendorff-Schmuck.

Wellendorff: Aus Respekt vor der Privatsphäre unserer Kunden nennen wir keine Namen. Aber es ehrt uns, dass Schmuckliebhaber aus aller Welt - von der Tech-Branche im Silicon Valley bis zum ältesten Adelshaus der Welt, dem japanischen Kaiserhaus - unsere Kreationen schätzen. Diese Wertschätzung ist für uns das schönste Kompliment - und erfüllt uns mit tiefer Dankbarkeit.

Wie wichtig ist der asiatische Markt für Sie? Wo sehen Sie die größten Wachstumspotenziale?

Wellendorff: Als Familienunternehmen achten wir auf eine gesunde Risikostreuung. Unsere Schmuckstücke sind in Mitteleuropa, Nordamerika, China, Japan und ab Sommer auch in Seoul erhältlich. Gerade in Japan verzeichnen wir derzeit ein starkes Wachstum.

Gibt es neue Märkte oder Technologien, die für Sie besonders spannend sind?

Wellendorff: Mit Interesse beobachten wir neue Märkte und Technologien, doch unser Fokus bleibt auf dem, was uns ausmacht: herausragende Handwerkskunst und höchste Qualität. 

Innovation bedeutet, traditionelle Goldschmiedekunst mit neuen Fertigungstechniken zu veredeln – sei es durch unsere seidenweiche Wellendorff-Kordel, die samtweiche Drehung unserer Ringe oder die Entwicklung von federndem 18-karätigem Gold. So verbinden wir Fortschritt mit echter Manufakturkunst. 

Im Mittelpunkt unseres Schaffens steht immer die Kundin. In unserer Entwicklungsabteilung stellen wir uns täglich die Frage: Wie können wir ihre Bedürfnisse in innovativen Schmuck umsetzen? Wie lässt sich Schmuck noch einfacher und intuitiver an- und ablegen, ohne Kompromisse bei der Sicherheit einzugehen? Und wie können wir ein Schmuckstück so gestalten, dass es sich mit einem Handgriff verwandeln lässt - perfekt für den Alltag und für besondere Anlässe?

Wie behauptet sich Wellendorff in einem Luxusmarkt, der von großen Konzernen wie LVMH oder Richemont dominiert wird?

Wellendorff: Als Familienunternehmen führen wir auch unsere Firma familiär und persönlich. Im Mittelpunkt unseres Handelns stehen aber immer unsere Schmuckliebhaber. Ich glaube, dass der Konsument sehr schnell spürt, ob etwas authentisch und aus tiefster Überzeugung gelebt wird und von innen kommt, oder ob etwas Teil einer Marketingstrategie ist.

Unsere Mission ist es, Menschen zu inspirieren, Liebe, Dankbarkeit und Erfolg für ein Leben lang festzuhalten. Die Grundvoraussetzung für diese lebenslange Freude am Schmuck ist Perfektion. Und hier kommen wir zu einem weiteren wichtigen Punkt: Unsere internationalen Juwelierpartner sagen uns, dass wir mit unseren raffinierten Entwicklungen ein Niveau in der Goldschmiedekunst erreicht haben, das weltweit seinesgleichen sucht – technisch wie handwerklich. Es sind also die schmucktechnischen Innovationen, die unseren Spitzenplatz in der Goldschmiedetechnik immer wieder bestätigen und uns von anderen Schmuckherstellern abheben.

Wie hat sich das Kaufverhalten in den letzten Jahren verändert? Geben Kunden heute anders Geld für Schmuck aus als früher?

Wellendorff: Die Ansprüche der Frauen an Schmuck haben sich im Laufe der Zeit verändert. Viele suchen heute nicht nur ästhetisch ansprechende Schmuckstücke, sondern solche, die eine tiefere Bedeutung haben und ihnen Kraft und Freude schenken. Sie legen großen Wert auf Individualität, Qualität und Wandelbarkeit – Schmuck soll nicht nur schön aussehen, sondern sich flexibel in den Alltag integrieren lassen, sie im Familienleben, im Berufsalltag und bei besonderen Anlässen begleiten und zum Strahlen bringen.

Gleichzeitig beobachten wir, dass in unsicheren Zeiten das Bedürfnis nach Beständigkeit wächst. Viele Menschen setzen verstärkt auf reale Werte - auf etwas Greifbares, das Bestand hat. Wie mein Schwiegervater zu sagen pflegte: "Nur Gold ist Geld, alles andere ist Kredit." Gold hat einen bleibenden Wert, weil es im Gegensatz zu Geld nicht unbegrenzt vermehrt werden kann. Das schwindende Vertrauen in Politik und Institutionen lässt viele Menschen fragen: Was passiert mit meinem Geld? Als Familienunternehmen steht Wellendorff seit vier Generationen für Stabilität, Vertrauen und Sicherheit – Werte, die sich in der steigenden Nachfrage nach unseren Schmuckstücken widerspiegeln.

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Claudia Wellendorff Wellendorff

Welche Rolle spielen Influencer und Social Media für eine Marke mit so viel Tradition?

Wellendorff: Social Media ergänzt unsere klassischen Kommunikationskanäle und ermöglicht es uns, unsere Werte und unsere Handwerkskunst auf zeitgemäße Weise zu vermitteln. Dabei setzen wir bewusst nicht auf Influencer oder kurzlebige Trends, sondern bieten authentische Einblicke in unsere Manufaktur und die Welt von Wellendorff – für alle, die echte Schmuckkunst schätzen. Unsere „Influencer“ sind vielmehr unsere Kunden, die die Marke schätzen und ihre Begeisterung an ihre Kinder, Enkel und Freunde weitertragen.

Wellendorff produziert ausschließlich in Deutschland. Wie herausfordernd ist das wirtschaftlich im Vergleich zu günstigeren Produktionsstandorten?

Wellendorff: Aus tiefster Überzeugung glauben wir, dass die Qualität und Einzigartigkeit von Wellendorff-Schmuck unmittelbar von der gesamten Wertschöpfungskette hier bei uns in Pforzheim abhängt. Mein Mann Georg garantiert mit seinen Spezialisten in der Manufaktur täglich diese Exzellenz und Einzigartigkeit, die an einem anderen Ort unter einem anderen Management nicht möglich wäre.

Ist Wellendorff als unabhängiges Familienunternehmen langfristig gesichert oder wäre eine Übernahme durch einen Luxuskonzern denkbar?

Wellendorff: Wir sind und bleiben ein eigenständiges Familienunternehmen. Unsere Werte, unsere Handwerkskunst und unser kompromissloser Qualitätsanspruch lassen sich nicht in Konzernstrukturen pressen. Wellendorff ist für uns kein Geschäftsmodell, sondern eine Lebensaufgabe – und genau das macht unsere Marke so einzigartig. Zudem ist gerade die fünfte Generation an den Start gegangen, was unsere langfristige Ausrichtung noch einmal unterstreicht.

Sehen Sie Wellendorff eher als „versteckten Luxus“, der von Insidern geschätzt wird, oder soll die Marke in Zukunft stärker in die breite Öffentlichkeit getragen werden?

Wellendorff: Wellendorff ist für uns ‚Luxus mit Seele‘ - ein Schmuckstück, das die Werte Handwerkskunst, Qualität und Zeitlosigkeit verkörpert. Wir freuen uns, von echten Liebhabern und Kennern geschätzt zu werden, die die besondere Bedeutung hinter jedem unserer Schmuckstücke verstehen. Wir sind offen für ein breiteres Publikum, solange wir unsere Werte und die Exklusivität unserer Marke bewahren können. Unser limitierender Faktor ist unsere Manufaktur: Um unseren hohen Qualitätsansprüchen gerecht zu werden, stellen wir nur eine exklusive Anzahl von Schmuckstücken her. Diese Exklusivität macht jedes unserer Schmuckstücke zu etwas besonders Begehrenswertem – für Menschen, die das Besondere zu schätzen wissen.