Und dann frotzelt Trump in Richtung Netanjahu: "Es ist Frieden, Bibi!"

Wie getimed kam die erlösende Nachricht fünf Minuten vor seiner Ankunft in der Knesset: Die letzten 13 israelischen Geiseln, entführt vor zwei Jahren, wurden soeben von den Hamas-Terroristen freigelassen. Das erfuhr US-Präsident Donald Trump auf dem Weg zum israelischen Parlament. 

Dort gab es eine kumpelhaft anmutende Begrüßung durch den israelischen Premier. „Wir kennen uns“, witzelte Trump beim Handschlag. Benjamin Netanjahu bemühte sich einerseits um aufgeräumte Freundlichkeit. Andererseits versuchte er als Hausherr, den Gast einen Schritt in seine Richtung machen zu lassen, anstatt ihm zu sehr entgegenzukommen.

Trump als "Gigant der Geschichte"

Anschließend war Trump der Chef im Ring. Mit fast zwei Stunden Verspätung saß er neben dem Parlamentspräsidenten Amir Ohana an der Rednerbank in der Knesset. 

Ohana feierte ihn mit superlativem Lob: Trump sei ein „Gigant der Geschichte“, „Sie werden in das Pantheon der Geschichte eingehen“, „wir sind ein Volk, das sich erinnert“, „die Welt braucht mehr Trumps.“ Und er empfiehlt Trump nachdrücklich für den Friedensnobelpreis im nächsten Jahr. 

„Niemand hätte den Preis mehr verdient als Sie, niemand!“ Ohana lobte, eine Tonlage verhaltener, auch seinen Premier Netanjahu, der „massiven Druck auf Hamas“ ausgeübt habe, und die Soldaten der israelischen Streitkräfte IDF, „die wie Löwen gekämpft haben“.

Trump winkte Yair Lapid ans Rednerpult

Netanjahu setzte als nächster Redner die Hymne fort, dankte „meinem Freund Donald“ für die Verlagerung der Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem in dessen erster Amtszeit und dafür, dass er Israels Verbindung zu Judäa und Samaria anerkannt habe, die jüdische Bezeichnung für das Westjordanland. 

(Ja, das hat Trump im November 2019 formuliert – aber er hat im September dieses Jahres in seiner Rede vor der UN-Generalsversammlung auch ausdrücklich erklärt, er werde Israel nicht erlauben, die Westbanks zu annektieren.)

Dann stand Trump endlich am Mikrofon. Generös winkte er nach entsprechenden Zwischenrufen den Oppositionsführer Yair Lapid ans Rednerpult und ließ ihm den Vortritt. „Herr Präsident, Sie haben die Leben unserer Geiseln gerettet“, sagte Lapid, und die Leben Tausender Soldaten, die möglicherweise gefallen wären, wenn der Krieg weitergegangen wäre. 

Dann stand endlich Trump am Rednerpult

Lapid nutzte die Möglichkeit zur Ansprache ausführlich. Trotzdem wies Trump Netanjahu später in seiner Rede darauf hin, dass der Oppositionsführer ja ein netter Mensch sei.

Denn dann stand endlich der US-Präsident am Rednerpult: „Das ist nicht nur das Ende eines Krieges, sondern das Ende eines Zeitalters des Terrors und des Todes – und der Anfang eines Zeitalters von Glaube, Hoffnung und Gott“, sagte er. 

Trump zahlte das Lob zurück, pries Netanjahu an als „einen Mann von unglaublichem Mut“, mit dem „nicht so leicht“ umzugehen sei, aber deswegen habe er sein Ziel ja auch erreicht – „vielen Dank, Bibi“.

Trump begann seinen Auftritt mehr als drei Stunden nach dem eigentlichen Zeitplan – inzwischen hätte er im ägyptischen Sharm el-Sheikh einfliegen sollen, wo ein internationaler Gipfel zur Zukunft von Gaza angesetzt ist. Auch Bundeskanzler Friedrich Merz ist längst vor Ort. 

Aber die Mächtigen mussten noch weiter warten, weil der Mächtigste knapp 600 Kilometer entfernt zu einer improvisiert wirkenden Rede anhob. Die Ansprache war weder von Bedeutung getragen noch für die Geschichtsbücher formuliert, sondern eher für die unterhaltsamen Kurzschnipsel im amerikanischen Frühstücksfernsehen, das gerade anlief. Anekdoten statt „big picture“. 

Trump: „Ich kannte die Waffe nicht einmal, aber natürlich haben wir sie geliefert“

Kurz darauf wurde die Sitzung unterbrochen. Zwei Abgeordnete, die dazwischengerufen und in offenkundigem Protest gegen die eigene Regierungspolitik Schilder mit der Aufschrift „Genozid“ hochgehalten hatten, wurden von Ordnern aus dem Saal gedrängt. Es sollen ein Vertreter der Linken und ein arabischer Abgeordneter gewesen sein. „Das war sehr effizient“, sagte Trump. 

Er hob die Leistung seiner Unterhändler hervor, von Steve Wittkoff über Jared Kushner und seinem Außenminister Marco Rubio, von dem er glaube, dass er „der großartigste Außenminister in der Geschichte der USA“ sein werde, bis zum „Kriegsminister“ Pete Hegseth. 

Dabei mäanderte er in beliebige Richtungen, erzählte, wie Witkoff einmal komplette fünf Stunden mit Russlands Präsident Wladimir Putin verhandelt habe oder wie Netanjahu ihn angerufen und um ein amerikanisches Waffensystem gebeten habe: „Ich kannte die Waffe nicht einmal, aber natürlich haben wir sie geliefert.“

Trump feierte sich selbst nicht zu knapp 

Trump würdigte auch sich selbst nicht zu knapp. Er feierte einmal mehr und nur bedingt in Übereinstimmung mit den Fakten seine außenpolitische Bilanz der ersten acht Monate im Amt: „Gestern habe ich gesagt, ich habe sieben Kriege beendet, heute kann ich sagen, ich habe acht Kriege beendet, weil die Geiseln zurück sind.“ 

Trump, in den USA berühmt geworden als TV-Entertainer in der Sendung „The Apprentice“, war guter Laune, er frotzelte in Richtung Netanjahu, der könne jetzt auch mal ein bisschen netter sein, „es ist Frieden, Bibi!“ Das war ernst gemeint: An anderer Stelle rief er Netanjahu dazu auf, einen Neuanfang in der Region zuzulassen.

Es folgten die in seinen Reden unvermeidlichen Watschen gegen seinen Vorgänger Joe Biden, „den schlechtesten Präsidenten in der Geschichte der USA, und Obama war auch nicht viel besser“. In beiden Regierungen hätte „absoluter Hass gegen Israel“ bestanden. Obama habe das Atomabkommen mit dem Iran beschlossen, „und ich habe das übrigens beendet und bin sehr stolz darauf“.

Trump sagte, es werde "sehr viel Geld fließen müssen"

Auch in solchen Momenten ist Trump nur einen Gag entfernt von Grundsätzlichem. Die gesamte Region habe eine gute Zukunft, sagte er, der Iran sei bereit zu einem „Deal“. Die arabischen Vertragspartner der Abraham-Accords aus seiner ersten Amtszeit rief er zur Hilfe beim Wiederaufbau von Gaza auf. 

Es werde „sehr viel Geld fließen müssen“, sagt er in Richtung der Golf-Staaten, aber diese Länder seien so reich, „für die ist es nicht so viel“. Und zwischendurch fragte Trump mit gönnerhaftem Hohn in den Augenwinkeln, ob denn die Gipfelteilnehmer wohl noch in Sharm El-Sheikh auf ihn warteten oder wohl schon abgeflogen seien, „in ihren Boeings“. 

Wieder eine ernstere Passage: „Die Bevölkerung vom Gaza muss sich darauf konzentrieren, den wirtschaftlichen Wiederaufbau anzugehen“, anstatt wieder zum Kampf gegen Israel zurückzukehren. 

"Wer gewinnt, der ist beliebt"

„Der Staat Israel wird auf ewig leben und es wird ihm gut gehen – und darum wird Israel immer ein entscheidender Verbündeter der USA sein“, sagte der Präsident, bevor es wieder hemdsärmelig wurde: „Wer gewinnt, der ist beliebt. Die Sieger sind beliebt.“ 

Trump lobte Israel, das nie so anerkannt worden sei wie heute, und er erinnerte an Abraham als den Stammvater der drei monotheistischen Religionen mit ihren Heiligtümern in der Region. 

Stehende Ovationen verabschiedeten den amerikanischen Präsidenten, der einen Durchbruch im Gaza-Krieg erzwungen hat – allerdings werden erst die nächsten Tage und Wochen zeigen, ob er recht behalten wird mit seiner Botschaft an Israel und die USA: „Wir haben gemeinsam Frieden geschaffen.“ 

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Von unserem Autor Ansgar Graw erschien unlängst das Buch: „Die Ära Trump. Chancen und Risiken für Amerika und die Welt