„Für die Automobilindustrie ist es fünf nach Zwölf“ – Branchenkrise nun wird Chefsache

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Die EU will die europäische Autoindustrie retten. Ein Aktionsplan soll Abhilfe schaffen. Aus der Industrie kommen warnende Stimmen.

Brüssel – Seit Monaten ist immer wieder von Insolvenzen oder Stellenabbau bei Autozulieferern zu hören. Erst kürzlich traf es einen wichtigen Zulieferer von Audi, BMW und VW. Sogar das Branchen-Schwergewicht Volkswagen hatte ein Beben erlebt. Dieses war Ende 2024 in die Krise gerutscht, es war zu Mitarbeiterdemonstrationen gekommen. Umfangreiche Sparmaßnahmen sollen das Unternehmen retten.

„System muss fair sein“ – EU geht mit Autoindustrie in Dialog, um die Krise abzuwenden

Europas Autoindustrie steckt in der Krise. Am Donnerstag (30. Januar) hatte die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen das Thema zur Chefsache gemacht und Autobauer sowie Zulieferer in Brüssel empfangen. Die Gespräche am Donnerstag bildeten einen Auftakt zum Dialog mit Vertretern aus der Industrie, mit Arbeitnehmern und Umweltorganisationen. Dahinter steht vor allem ein Ziel: Die EU-Kommission will einen Aktionsplan erstellen, mit dessen Hilfe die Krise abgewendet werden soll. Auf den nun stattfindenden Gesprächen soll dieser Plan am Ende fußen.

Ursula von der Leyen in Brüssel.
Ursula von der Leyen in Brüssel. Die EU will die europäische Autoindustrie retten. Ein Aktionsplan soll Abhilfe schaffen. Aus der Industrie kommen warnende Stimmen. © IMAGO / ABACAPRESS

Unter anderem hatte von der Leyen bereits eine „Flexibilität“ bei drohenden Strafzahlungen wegen verfehlter CO₂-Grenzwerte angedeutet. „Die europäische Automobilindustrie befindet sich an einem entscheidenden Punkt“, zitierte die Nachrichtenagentur AFP von der Leyen am Donnerstag. „Wir sind uns der Herausforderungen bewusst, vor denen sie steht“. Für Anfang März erwartet die Kommission erste Ergebnisse dieses Dialogs.

Unter anderem geht es dabei um die sogenannten Flottengrenzwerte der EU, die zum Jahresbeginn gesunken sind. Grundsätzlich legen diese fest, wie viel Kohlendioxid alle von einem Autobauer hergestellten Neuwagen im Schnitt maximal ausstoßen dürfen. Mehrere Autobauer, etwa Volkswagen und Renault, sollen derzeit nicht auf Kurs für die verringerten Grenzwerte sein – ihnen drohen darum hohe Bußgelder. Andere Autobauer, darunter BMW und der Stellantis-Konzern, wollen allerdings auch keine Aufweichung der Regeln, da sie ausreichend vorbereitet seien. „Das System muss fair sein, denn einige haben bereits investiert und sind beim Einhalten der Ziele erfolgreich“, sagte von der Leyen dazu. Die EU brauche aber auch „das nötige Maß an Flexibilität und Pragmatismus“.

In den Gesprächen mit Autobauern und Zulieferern geht es auch um einen möglichen Handelsstreit mit dem neuen US-Präsidenten Donald Trump, den die Hersteller vermeiden wollen. 

„Für die Autoindustrie ist es fünf nach Zwölf“ – Hersteller sind wegen Trump besorgt

Gleichzeitig wird sich die Debatte in der Autoindustrie auf absehbare Zeit auch um den neuen US-Präsidenten Donald Trump drehen. Der mögliche Handelsstreit zwischen der EU und den USA hat sich zum Damoklesschwert entwickelt; noch ist es nicht gefallen, aber die Bedrohung ist den Herstellern und den politischen Akteuren bewusst. Vor allem Deutschland würden etwaige Strafzölle schwer treffen: Eine Berechnung der Bundesbank hatte offengelegt, dass das Bruttoinlandsprodukt um ein Prozent schrumpfen würde, sollte Trump Strafzölle in einer pauschalen Höhe von 20 Prozent auf EU-Exporte nach Amerika erheben würde.

Laut der WirtschaftsWoche würden der deutschen Autoindustrie damit Gewinneinbußen von mehreren Milliarden Euro drohen. Aktuell bleibt sie davon noch verschont. In einer wahren Flut von Dekreten, die der neue US-Präsident gleich nach seiner Vereidigung losgelassen hatte, waren noch keine Zölle auf europäische Waren enthalten gewesen.

Trotzdem sind Politik und Wirtschaft besorgt. „So sinnvoll es ist, dass sich alle Interessensträger jetzt regelmäßig an einen Tisch setzen und austauschen, muss aber auch allen Beteiligten klar sein, dass für langwierige Dialoge schlichtweg keine Zeit mehr ist“, sagte der niedersächsische SPD-Politiker Bernd Lange, Vorsitzender des Handelsausschusses im Europäischen Parlament, in der WirtschaftsWoche. „Für die Autoindustrie ist es bereits fünf nach Zwölf, weshalb jetzt zeitnah konkrete Initiativen folgen müssen.“ Der Aktionsplan dürfe keine Monate auf sich warten lassen.

„Dringender Handlungsbedarf“ für die Autoindustrie – Auch hinsichtlich Elektromobilität

Aus der Wirtschaft kommen seit Monaten verschiedene Warnungen zum Status Quo der Autoindustrie. „Europa ist bei der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und der Standortattraktivität zunehmend abgehängt. Brüssel hat es bisher nicht geschafft, die richtigen Maßnahmen zu ergreifen, um den Standort international wieder an die Spitze zu bringen und Wachstum, Klimaschutz, Wohlstand und Arbeitsplätze auch künftig zu verbinden“, kritisierte Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie e.V. (VDA), am 29. Januar.

Zur Zusammenkunft im Rahmen des Aktionsplans aus Brüssel sprach sich der VDA für Flexibilisierungen bei der EU-Flottenregulierung aus – ging darin also mit von der Leyen konform. Für die Industrie sei es „entscheidend, dass Strafzahlungen abgewendet werden“, um die Investitionsmöglichkeiten von Unternehmen nicht einzuschränken.

„Mit Blick auf die CO₂-Flottenregulierung wird aktuell allerdings immer deutlicher, dass angesichts vielfältiger globaler und handelspolitischer Herausforderungen, den nach wie vor unzureichenden Rahmenbedingungen und der aktuell schleppenden Nachfrage nach E-Autos dringender Handlungsbedarf herrscht“, gab Müller an. Das betreffe sowohl die Autoindustrie als auch die Politik und weitere Stakeholder. (Laernie mit Material von AFP)

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