Krise in der Autobranche: Habeck, VW und Co. wollen die deutsche Autoindustrie retten

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Von Umweltbonus bis Abwrackprämie: Wie Habeck, VW und Co. beim Autogipfel die Branche retten wollen

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Heute Nachmittag lädt Wirtschaftsminister Robert Habeck zum Autogipfel. Neue Subventionen werden gefordert - auch von einer Abwrackprämie ist die Rede.

Berlin/München - Die Autoindustrie ist seit mehreren Jahrzehnten Deutschlands Schlüsselbranche. Aktuell befindet sich dieser Sektor jedoch auf dem absteigenden Ast: Zu groß scheinen die wirtschaftlichen Herausforderungen, als dass Volkswagen, Mercedes-Benz und mit Abstrichen auch BMW unbeschadet aus der jetzigen Krise herauskommen. Geht es nach den Großkonzernen im Automobilbereich, sind weitere staatliche Eingriffe nötig, um den schwindenden Absatz anzukurbeln und das Überleben auf dem harten Weltmarkt zu sichern.

Autogipfel in der Krise: Habeck versammelt Autobauer zum Treffen

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) veranstaltet am Montag (23. September) einen digitalen „Autogipfel“ mit den Spitzen der Autohersteller sowie Vertretern der Zulieferindustrie und des Verbandes der Automobilhersteller (VDA).

Gemeinsam soll nach Auswegen gesucht werden und vor dem wichtigen Termin kamen von mehreren Seiten Forderungen, um die eingebrochene Nachfrage - vor allem nach Elektroautos der deutschen Hersteller - wieder anzukurbeln. Ob bei dem virtuellen Treffen tatsächlich konkrete Maßnahmen auf den Weg gebracht werden, ist indes offen, schildert die Deutsche Presse-Agentur (dpa).

Ein Teilnehmer sticht beim Autogipfel von Habeck heraus

Interessant ist die Teilnehmerliste, aus welcher der Name eines Teilnehmers hervorsticht: Eingeladen ist neben Vertretern des Branchenverbands VDA, der Gewerkschaft IG Metall, den drei Autokonzernen Volkswagen, BMW und Mercedes Benz auch Tesla Deutschland. Der US-Hersteller vollzog auch in Deutschland einen Aufstieg zu einem der dominierenden Hersteller und gilt als Paradestück für erfolgreiche E-Auto-Entwicklung. Komplettiert wird das Teilnehmerfeld nach Angaben der dpa von den Zulieferergrößen Bosch, Continental und ZF.

Warum befindet sich die deutsche Autoindustrie in der Krise?

Krise ist relativ: Deutsche Hersteller kämpfen mit gesunkenen Absatzzahlen und hohen Kosten für den Umstieg auf Elektromobilität. Mercedes musste wegen eines stotternden Laufs in China sowie weiteren Problemen seine Gewinnprognose 2024 kappen. Premiumrivale BMW hatte ebenfalls seine Absatz- und Gewinnerwartungen für das laufende Jahr gesenkt. Allerdings gelten die Münchner jener deutscher Premiumhersteller, der die Antriebswende hin zu Elektroautos derzeit am besten meistert.

Habeck besucht VW-Werk in Emden
Will die Autokonjunktur wieder ankurbeln: Wirtschaftsminister Habeck (Archivbild) © Sina Schuldt/dpa

Die Alarmglocken schrillen derweil bei Deutschlands Autogigant: Die seit Jahrzehnten geltende Beschäftigungssicherung mit den Gewerkschaften wurde von Volkswagen aufgekündigt und Werksschließungen sowie betriebsbedingte Entlassungen sollen geplant sein. Die Rendite besonders der Kernmarke VW Pkw macht den Wolfsburger Managern zu schaffen, weil die internationale Konkurrenz diesbezüglich mehr Erfolg hat. Auch Konzerntöchter wie Porsche und Audi sind ins Schlingern gekommen.

Zwangsläufig hat die Krise auch die Zuliefererbranche erfasst. Auch dort werden massenhaft Stellen abgebaut und auch die Zahl der Insolvenzen bei den Autozulieferern ist auffällig hoch.

VW und Co. in der Krise: Hausgemachte Probleme und externe Faktoren

Die Gründe für den schleichenden Niedergang der deutschen Autoindustrie sind vielfältig: Neue Wettbewerber wie Tesla dräng(t)en auf den Markt, mittlerweile sind auch Hersteller aus China ein ernstzunehmender Konkurrent - insbesondere auf Märkten, die für Volkswagen und Co. äußerst lukrativ sind. Dazu gehört auch die Volksrepublik selbst, wo heimische Anbieter ausländischen Marken den Rang ablaufen.

Auch die Umstellung hinsichtlich Energie infolge des Ukraine-Kriegs spielt eine wesentliche Rolle: Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft schrumpft die Produktion in Deutschland seit Jahren - und liegt ein Viertel unter dem Wert von 2018. Insbesondere gerate der Standort Deutschland durch hohe Energiekosten unter Druck.

Zerbrochenes VW-Logo: Die deutsche Autoindustrie hat ihre glorreichen Zeiten hinter sich - Einbußen sind die Folge
Zerbrochenes VW-Logo: Die deutsche Autoindustrie hat ihre glorreichen Zeiten hinter sich - Einbußen sind die Folge. © Frank Sorge/Imago

SPD-Wirtschaftspolitiker sprechen derweil von einer nicht ausreichenden Modellpalette, die untauglich für den Massenmarkt ist. Das zielt insbesondere auf Volkswagen ab und das fehlende Angebot an bezahlbaren VW-Neuwagen. Mercedes-Benz und BMW sind ohnehin längst in den Premium- und Luxusbereich abgedriftet. Auch die mangelnde Ladeinfrastruktur ist ein ausschlaggebender Faktor.

Digitaler Autogipfel mit Habeck: Neue Kaufprämie für Elektroautos?

Vorab kursieren mehrere Lösungsansätze, wie die hiesige Autoindustrie wieder an Fahrt aufnimmt. Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) fällt mit der Forderung auf: „Wir müssen jetzt aus dem großen Topf möglicher Maßnahmen mit der großen Kelle schöpfen“. Kaufanreize für Privatkäufer und subventioniertes Leasing seien die geeigneten Ansätze.

Aus der Industrie und Teilen der Politik kommen Rufe nach weiterer staatlicher Förderung - denn der überraschende Stopp der E-Auto-Prämie Ende 2023 hat die Neuzulassungen in Deutschland stagnieren lassen.

Volkswagen setzt sich laut Spiegel für eine Neuauflage der Elektroauto-Prämie ein und plädiert dafür, dass der Staat zukünftig 4000 Euro beim Kauf eines batterieelektrischen Modells (BEV) beisteuert - und der Hersteller selbst zusätzlich einen Rabatt von 2000 Euro gewährt.

Autoindustrie in der Krise: Auch eine Abwrackprämie wird gefordert

Ein weiterer Vorschlag aus Wolfsburg soll offenbar die heimische Autoproduktion retten: Reuters berichtet über einen Vorstoß von VW, dass bei der Vergabe von Subventionen der CO₂-Fußabdruck eines Fahrzeugs berücksichtigt wird. In Frankreich erhalten Käufer von Elektroautos nur dann eine staatliche Förderung von 5000 bis 7000 Euro, wenn die Herstellung des Fahrzeugs weniger als 14,75 Tonnen CO₂ verursacht.

Hierbei handelt es sich um eine Einschränkung, die besonders in China gefertigte Modelle treffen könnte. Weitere geeignete Mittel könnte eine neue Abwrackprämie sein, die aus Kreisen der SPD hervorgebracht wird. „Das ist ein Vorschlag, den wir jetzt in die Debatte mit einbringen“, erklärte Kühnert in der ARD.

Darüber hinaus wird über ein weiteres Modell nach französischem Vorbild nachgedacht: Menschen mit niedrigen bis mittleren Einkommen könnten einen staatlichen Zuschuss für das Leasing eines mittelpreisigen Elektroautos erhalten.

Abwrackprämie für Kauf eines E-Autos? Dann werden „Werte zerstört“

Der Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Achim Wambach, sieht eine mögliche Abwrackprämie für den Kauf eines Elektroautos skeptisch: Laut dem ZEW-Chef könne dies zwar die Umstellung erleichtern. „Eine Abwrackprämie ist allerdings – abhängig von ihrer Ausgestaltung - problematisch. Wenn funktionsfähige Fahrzeuge stillgelegt werden, werden Werte zerstört“, wird Wambach von Reuters zitiert.

Einen direkten ökologischen Beitrag durch eine Abwrackprämie sieht Wambach nicht, der auch im Wissenschaftlichen Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums sitzt. Priorität sollte seiner Ansicht nach der Ausbau der Ladesäulen haben und hier der Wettbewerb gefördert, sagte ZEW-Chef Wambach: „Die derzeit zu beobachtenden regionalen Monopole bei Ladesäulen führen zu hohen Ladepreisen, was Elektrofahrzeuge unattraktiv macht.“

Auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, hält den Griff in den Topf der Steuergelder für einen Irrweg. „Diese helfen nur einzelnen Unternehmen und nicht der gesamten Wirtschaft“. Die Hauptverantwortung für die schwierige Lage in der Automobilbranche liege bei den Unternehmen selbst, nicht bei der Politik, sagte Fratzscher der Funke Mediengruppe.

Greenpeace fordert Kaufprämie für günstige E-Autos

Der Umweltverband Greenpeace ist für eine neue Elektroauto-Prämie: Die solle sich aber auf sparsame Stromer bis maximal 30.000 Euro beziehen und mit einer Neuzulassungssteuer für schwere Verbrenner gegenfinanziert werden.

Mercedes-Chef Ola Källenius fordert vor dem Auto-Gipfel im Wirtschaftsministerium in der Klimapolitik ein Entgegenkommen der Politik. „Die Schätzungen der EU-Kommission waren zu optimistisch, wie sich jetzt zeigt“, sagt der Deutsch-Schwede laut Reuters. „Wir können die Kundenwünsche nicht ignorieren.“

Der CEO des Stuttgarter Autoriesen fordert eine Erleichterung bei den ab 2025 greifenden Klimavorgaben der EU für die Neuwagenflotten: Weil die meisten europäischen Hersteller zu wenig E-Modelle verkaufen, drohen milliardenschwere Strafzahlungen. (PF mit Material von dpa und Reuters)

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