Merz-Regierung ringt um Beschluss: So soll die neue Wehrpflicht aussehen

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Die Koalition ringt um einen Beschluss: Alle 18-jährigen Männer müssen ab 2026 einen Fragebogen ausfüllen. Die Wehrpflicht ist ein Notfallplan.

Berlin – Die Wehrdienst-Reform kommt: Nach wochenlangem Ringen in der schwarz-roten Koalition will das Bundeskabinett am Mittwoch (den 27. August 2025) die Reform von Verteidigungsminister Boris Pistorius (65, SPD) beschließen. Der Koalitionsstreit um den Gesetzentwurf, der der Zeitung Bild und dem Magazin Zeit vorliegt, ist beigelegt. Die Reform bedeutet eine Kehrtwende in der deutschen Sicherheitspolitik. Deutschland führt die systematische Erfassung seiner wehrfähigen Bevölkerung wieder ein – eine direkte Reaktion auf die verschärfte Bedrohungslage durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine.

Bundeswehr
Wie lassen sich die Uniformjacken an den Mann oder die Frau bringen: Die Bundeswehr braucht 80.000 zusätzliche Soldaten. (Archivfoto) © Oliver Berg/dpa

Streit in der schwarz-roten Koalition über die Wehrdienst-Wende

Der Weg zum Kabinettsbeschluss war von erheblichen Spannungen geprägt. Der Gesetzentwurf wurde Anfang der Woche durch einen Leitungsvorbehalt des CDU-geführten Auswärtigen Amts aufgehalten. Pistorius zeigte sich verärgert über das Vorgehen: Er habe „kein Verständnis dafür, dass man aus dem Parlament heraus einen Gesetzentwurf der Regierung schon vorher versucht aufzuhalten über ein Ministerium“.

Der Streit zwischen den Koalitionspartnern entzündet sich an der Frage, wie verbindlich die Rückkehr zur Wehrpflicht geregelt werden soll. Thomas Röwekamp (58, CDU), Vorsitzender des Verteidigungsausschusses, bezweifelt den Erfolg des Freiwilligen-Modells: „Es fehlen mehr als 80.000 Berufs- und Zeitsoldaten sowie 140.000 Reservisten – das schaffen wir nicht allein durch Freiwilligkeit“. SPD-Chef Lars Klingbeil (47) hält dagegen: „Ich bin wirklich überzeugt, dass es jetzt zunächst erst mal der richtige Weg ist, auf Freiwilligkeit zu setzen“.

18-Jährige erhalten Post: Das sieht die Wehrdienst-Reform vor

Ab Januar 2026 erhalten alle 18-jährigen Männer eines Jahrgangs Post von der Bundeswehr. Sie sind verpflichtet, einen Online-Fragebogen auszufüllen, der Angaben zu Interessen, Fitness, Bildungsabschlüssen und der Bereitschaft zum Wehrdienst abfragt. Wer Interesse zeigt und geeignet erscheint, wird zunächst zur freiwilligen Musterung eingeladen. Wer sich der Befragung entzieht, muss mit einem Bußgeld rechnen.

Ab Januar 2028 wird die zunächst freiwillige Musterung für alle 18-jährigen Männer verpflichtend. Etwa 200.000 junge Männer pro Jahr sollen künftig eine sechsstündige Untersuchung durchlaufen, um ihre Tauglichkeit für den Wehrdienst festzustellen. Die Regierung setzt auf deutlich verbesserte Bedingungen. Wehrdienstleistende sollen künftig rund 2700 Euro brutto erhalten – deutlich mehr als die bisherigen 1840 Euro. Zusätzlich sind Unterkunft, Verpflegung und Bahnfahrten kostenfrei. Wer sich für mindestens zwölf Monate verpflichtet, erhält bis zu 3500 Euro Zuschuss für den Führerschein. Pistorius zeigt sich optimistisch: „Mit einem attraktiven Sold, mit einem attraktiven Wehrdienst wird es uns – davon bin ich sehr überzeugt – gelingen, junge Männer und Frauen für die Bundeswehr zu gewinnen“. Der Minister kündigte an, „bis zum Ende des Jahrzehnts über 100.000 zusätzlich Wehrdienstleistende ausgebildet“ zu haben.

Opposition kündigt Widerstand gegen die Wehrdienst-Reform an

Die Grünen stellen sich gegen die Reform. Fraktionschefin Katharina Dröge kritisierte: „Am Ende ist aus dem Gesetz aber ein vermurkster Kompromiss geworden“. Sie sieht in der Wehrpflicht-Option eine „Misstrauenserklärung gegenüber der jungen Generation, die ich so nicht unterschreiben würde“. Die Grünen würden dem Entwurf im Bundestag voraussichtlich nicht zustimmen. Auch Experten äußern Zweifel. André Wüstner vom Bundeswehrverband warnt: „Wenn es freiwillig geht: gut. Ganz ehrlich, ich glaube nicht daran. Deswegen Pflicht vorbereiten“.

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass bei unzureichenden Freiwilligenzahlen oder einer verschärften Sicherheitslage Zwangsverpflichtungen beschlossen werden können – allerdings nur mit Zustimmung des Bundestags. Die Wehrpflicht wurde 2011 nicht abgeschafft, sondern lediglich ausgesetzt. Pistorius äußerte die Erwartung, dass sein Gesetzentwurf im Bundestag noch verändert werde. Das sei für ihn „in Ordnung“, sagte er. Er gehe davon aus, dass sein Modell letztlich verabschiedet werde – auch mit den Stimmen der Unionsfraktion. Die Reform verursacht erhebliche Kosten: Im kommenden Jahr sind 495 Millionen Euro eingeplant, bis 2029 steigen die jährlichen Ausgaben auf 849 Millionen Euro. Die Bundeswehr soll von derzeit 183.000 auf 260.000 Soldaten anwachsen, ergänzt um 200.000 Reservisten. (cgsc mit dpa und afp)

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