Merz muss nicht nur Trump-Treffen meistern - sondern auch ein heikles Interview
Wenn Friedrich Merz auf US-Präsident Donald Trump trifft, ist das nicht nur ein Staatsbesuch. Es ist Balanceakt, von dem womöglich die Zukunft der transatlantischen Zusammenarbeit und die Sicherheit Europas abhängen.
Entsprechend wird der Kanzler gut vorbereitet zu seiner Reise nach Washington aufbrechen wollen. Was sollte er im Gepäck haben, um das Treffen mit Trump zu einem Erfolg zu machen?
Unter anderem geht es darum, den US-Präsidenten auf zwischenmenschlicher Ebene richtig anzupacken. Die Ausgangslage ist keine schlechte. Die beiden Politiker nennen sich seit Kurzem Friedrich und Donald, eine gewisse Nähe gibt es also schon einmal. Trump erweist Merz zudem die Ehre, im offiziellen Gästehaus des Präsidenten nächtigen zu dürfen. Das war Olaf Scholz bei seinen USA-Besuchen nicht vergönnt.
Merz könnte sich dafür womöglich mit einer kleinen Aufmerksamkeit revanchieren. Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa erlebte im Oval Office zwar keine schöne Zeit, weil Trump ihm einen "Genozid an Weißen" vorwarf.
Merz' Trump-Besuch in den USA ist wie ein Tanz
Doch die Stimmung war plötzlich gut, als der Südafrikaner dem US-Präsidenten ein Golf-Buch überreichte und einen mitgereisten Profi-Golfer vorstellte. "Als versierter Golfspieler kann das auch für Merz ein erster Anknüpfungspunkt sein", glaubt auch CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter im Gespräch mit "t-online".
Für den Kanzler wird es aber auch darum gehen, flexibel zu bleiben. Der Hamburger Verhandlungsexperte Niels van Quaquebeke vergleicht das bei "Bild" mit einem Tanz: Man müsse den Rhythmus des anderen spüren und auf Tempowechsel reagieren.
Allerdings: "Trump hat auf jeden Fall einen gewöhnungsbedürftigen Tanzstil. Er glaubt, jeder wolle nur mit ihm tanzen und er habe somit die freie Auswahl", erklärt Quaquebeke.
Trumps Tempo und Tanzstil hängt womöglich auch damit zusammen, ob er sich gerade in die Enge gedrängt fühlt. Tatsächlich befindet er sich innenpolitisch in einer heiklen Lage, wie Politikwissenschaftler und USA-Experte Thomas Jäger im Gespräch mit FOCUS online erklärt.
"Trump steht vielfach unter Druck, neuerdings auch noch durch Elon Musk. Denn mit dessen Kooperationsangebot an Abgeordnete geht Trumps zentrales Machtmittel verloren, nämlich dass er über deren Wiederwahl-Chancen bestimmen konnte."
Merz sollte Trump schmeicheln – aber nicht zu viel
Auf solche Punkte hat Merz aber ohnehin keinen Einfluss. Jäger rät dem Kanzler zu einer ähnlichen Gesprächsstrategie, wie sie andere Europäer schon in Treffen mit Trump angewandt haben: "Er sollte mit einer gewissen Distanz den Präsidenten loben und darüber ein Verhältnis aufbauen, das so belastbar ist, dass es später auch Kontroversen aushält."
Auch Verhandlungsexperte Quaquebeke hält Schmeicheleien für eine gute Idee. Allerdings solle Merz nicht zu viel anbieten. Denn Trump sei wie ein Schulhofschläger, der auf dem Pausenhof die Milchschnitte von anderen Kindern will.
"Der hat einfach gelernt, dass er bekommt, was er will, wenn er mir die Faust vor die Nase hält. Und dann kann man sich überlegen: Wie kann ich das Verhalten abstellen? Denn jeder weiß, was man nicht mit Bullys machen sollte: denen immer wieder die Milchschnitte geben", erklärt Quaquebeke in der "Bild".
Der einflussreiche republikanische Senator Lindsey Graham gibt Merz in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" ebenfalls einen Rat: "Erstens sollte er Präsident Trump dafür danken, dass er die Sanktionen gegen Syrien aufgehoben hat, um der neuen Regierung eine Chance zu geben." Zudem solle der Kanzler Trump versichern, dass er ebenfalls schnell eine diplomatische Beendigung des Ukraine-Krieges wolle.
Nach Mittagessen drohen Merz mehrere Gefahren im Oval Office
Merz wird direkt die Gelegenheit bekommen, einen Grundstein für die Beziehung zu Trump zu legen. Denn zunächst werden sich die beiden in kleiner Runde zum Mittagessen treffen, dort kann es auch Raum für Persönliches geben.
Erst danach geht es ins Oval Office: Der Ort, an dem es früher nur kurze Fototermine mit Staatsgästen gab, wo unter Trump aber schon einige Gäste wie Südafrikas Präsident Ramaphosa oder der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bloßgestellt wurden.
Ob Merz das Zeug dazu hat, in einer solchen Situation zu bestehen, muss sich erst noch zeigen: "Er wird das erste Mal in einer solchen Situation sein. Die Treffen des Kanzlers mit anderen Staats- und Regierungschefs sind überhaupt nicht mit einem Trump-Besuch gleichzusetzen", erklärt USA-Experte Jäger. Er warnt auch davor, dass neben Trump noch weitere Gefahren im Oval Office lauern.
Eine könnte JD Vance darstellen, wenn er am Termin teilnimmt. Schon beim Besuch Selenskyjs war es vor allem der Vizepräsident, der den Termin eskalieren ließ. Mögliche Konfliktherde gibt es: Vance hatte im Februar auf der Münchner Sicherheitskonferenz die angeblich angegriffene Meinungsfreiheit in Europa angeprangert.
Das könnte er im Gespräch mit Merz wieder tun. Der Kanzler hätte dann wenig Spielraum, glaubt Jäger. Merz könne das lediglich dementieren und hoffen, schnell aus der Situation zu kommen. Eine weitere Gefahr lauert in Form von MAGA-Bloggern, die Merz zum Beispiel kritische Fragen zu seinem Umgang mit der AfD stellen könnten.
Ein politisches Gastgeschenk wird Trump kaum beeindrucken
Eigentlich aber soll es bei dem Treffen von Merz und Trump um drei große Themen gehen. Erstens um die Verteidigungsausgaben der Europäer, die der US-Präsident schon in seiner ersten Amtszeit als zu niedrig empfunden hat.
Merz und sein Außenminister Johann Wadephul haben zwar angedeutet, mit einem Fünf-Prozent-Ziel einverstanden zu sein. Politikwissenschaftler Jäger glaubt aber nicht daran, dass der US-Präsident das als großzügiges Gastgeschenk empfinden wird. "Für Trump ist das Thema schon abgefrühstückt mit Merz‘ Einlenken."
Auch beim zweiten zentralen Thema – der Zollpolitik – hat Merz wenig anzubieten, glaubt Jäger. "Die Handelspolitik ist Domäne der Europäischen Union. Merz kann zwar deren Angebot wiederholen, die Zölle wechselseitig auf null abzusenken. Aber feste Zusagen kann er in der Rolle als Kanzler nicht machen."
Zudem muss Merz offenbar einen Rückzieher machen. Eigentlich hatte er angekündigt, "in bestimmten Sektoren Schritt für Schritt die gegenseitige Anerkennung von technologischen Standards zu erreichen". Doch wie "Politico" berichtet, hat das Kanzleramt mittlerweile eingesehen, dass das Thema hochkomplex ist und nichts für schnelle Deals.
Beim dritten und womöglich wichtigsten Gesprächsthema aber könnten Trump und Merz womöglich vorankommen: der Ukraine-Politik. "Wenn Trump bei dem Treffen seine Unterstützung für harte Sanktionen Russland erklärt, könnte er sich damit als Führungsfigur präsentieren", erklärt Jäger. "Und Merz hätte dann einen konkreten Erfolg erzielt, den er zurück nach Europa mitnehmen kann."
Nach dem Gespräch mit Trump muss Merz weiter auf der Hut bleiben
Nachdem die drei Themen besprochen und die Politiker-Gespräche beendet sind, muss Merz weiterhin auf der Hut bleiben. Denn dann wird der Kanzler zwei Fernsehinterviews geben. Das eine bei CNN ist unproblematisch, dort erreicht er vor allem liberale US-Bürger.
Das Interview von Fox News hingegen ist heikel, glaubt Experte Jäger: "Eigentlich ist das die direkte Fortsetzung des Gesprächs mit Trump. Denn der Präsident wird sich nach dem Besuch vor den Fernseher setzen und seinen Lieblingssender einschalten – dort läuft dann Merz. Der Kanzler sollte deshalb eng bei dem bleiben, was im Oval Office besprochen wurde."