Stadt will Zahl der Autos verringern: „Nicht alle Menschen müssen mehr einen Parkplatz haben“
Mithilfe einer Mobilitätssatzung will die Stadt Dachau die Verkehrswende vorantreiben. Laut der neuen Satzung bekommt nicht mehr jede neue Wohnung einen Parkplatz.
Dachau – In Deutschland sind im Jahr 2023 signifikant mehr Neuwagen zugelassen worden. Wie das Kraftfahrt-Bundesamt vor wenigen Tagen mitteilte, stiegen die Pkw-Neuzulassungen im Gesamtjahr um 7,3 Prozent auf 2,84 Millionen. Der Anteil der SUVs lag dabei bei 30 Prozent.
Im Dachauer Rathaus ist man daher der Meinung, dass man diesen Trend stoppen muss. Ihr Mittel der Wahl: eine neue Mobilitätssatzung, die festlegt, wie viele Parkplätze im Neubau entstehen müssen. Der Clou, im Vergleich zur 19 Jahre alten Stellplatzsatzung: Die neue Satzung soll eine Vielzahl von Möglichkeiten bieten, wie Bauherren die vorgeschriebene Stellplatzanzahl reduzieren können.
Am Ende, so der Vorschlag von Oberbürgermeister Florian Hartmann und Bauamtsleiter Moritz Reinhold, könnte das Parkplatz-Einsparpotenzial im Bereich Wohnen bei 50 Prozent und im Bereich Gewerbe bei 25 Prozent liegen; für Ein-Zimmer-Wohnungen bis zu einer Größe von 35 Quadratmetern müssten künftig gar keine Stellplätze mehr nachgewiesen werden.
Stadt Dachau wagt Parkplatz-Wende mithilfe einer neuen Mobilitätssatzung
„Nicht alle Menschen müssen mehr einen Parkplatz haben“, fasste Reinhold die Einschätzung der Stadtverwaltung zusammen. Auf der anderen Seite seien die künftigen Bauherren bestimmt dankbar, wenn sie sich die Kosten für den Bau von Parkplätzen sparen könnten.
Was bis hier her vielleicht radikal, aber so weit ganz simpel klingt, wird beim Blick auf die Details aber ungleich komplizierter. Denn: Um sich den Bau von Stellplätzen sparen zu können, müssen Bauherren eine Reihe von sogenannten Lagegunstfaktoren und „aktive Maßnahmen“ nachweisen.
Lagegunstfaktoren und aktive Maßnahmen, um sich Bau von Stellplätzen zu sparen
Als „Lagegunst“ gilt etwa ein maximal 600 Meter entfernter Bahnhof, eine maximal 300 Meter entfernte Expressbuslinie oder ein maximal 300 Meter entfernter Supermarkt. Wichtig: Berechnet wird die Entfernung anhand des Laufwegs und nicht anhand des Luftwegs. Wäre nämlich der Bahnhof theoretisch sehr nah, praktisch aber hinter einer Lärmschutzwand gelegen, ergibt sich folglich eine längere Wegstrecke. Ebenfalls wichtig: Für die Lagegunst gilt der Zeitpunkt der Baugenehmigung. Werden also kurz nach dem Bau die angerechneten Bushaltestellen oder Supermärkte geschlossen, dann, so Reinhold, „hat der Bauwerber Glück gehabt“.
Meine news
Als „aktive Maßnahmen“, mithilfe derer sich ein Bauherr Parkplätze sparen kann, führt die Stadt ein Carsharing- und ein E-Lastenrad-Sharing-Angebot ein. Auch ein Fahrradservice im Haus oder – im Fall von Betrieben – ein Werksbus, Duschen sowie ein ÖPNV-Monatsticket sollen dem Investor helfen, sich Parkplätze zu sparen. Ganze fünf Parkplätze etwa entfallen, wenn sich mehrere Parteien ein Carsharing-Auto teilen. Gerade im Fall von Gewerbebauten soll damit „kein Mitarbeitender mehr die Ausrede haben, nicht mit dem Fahrrad zur Arbeit zu kommen“, so Reinhold.
Skepsis und Kritik
Einige der Stadträte taten sich jedoch schwer mit dem Vorschlag. Gertrud Schmidt-Podolsky (CSU) etwa bat mit Blick auf die jüngsten Kfz-Zulassungszahlen darum, „Augenmaß zu behalten“. Dass Bauherren glücklich darüber seien, wesentlich weniger Parkplätze bauen zu müssen, ist nach ihrer Meinung wenig verwunderlich. Man dürfe aber nicht vergessen: Die Wohnungen würden dadurch „nicht um einen Cent billiger“!
Thomas Kreß (Grüne) kritisierte den Vorschlag zu den 35-Quadratmeter-Wohnungen. Es gebe viele Singles, die arbeiteten und ein Auto bräuchten. Peter Strauch (CSU) fragte denn auch ketzerisch: „Wenn jetzt am MD-Gelände nur noch Ein-Zimmer-Wohnungen gebaut werden, dann wird es keinen einzigen Parkplatz dazu geben?“
Kai Kühnel vom Bündnis für Dachau fand, die neue Satzung bedeute für Planer „einen Haufen Arbeit“, und befürchtete, am Ende würden alle „wahnsinnig“.
Ausschuss spricht sich mehrheitlich für neue Mobilitätssatzung aus
So einigte man sich auf folgenden Beschluss, den der Stadtrat noch absegnen muss und der laut OB Hartmann auch noch den Bürgern vorgestellt wird: Der Passus, dass Wohnungen bis 35 Quadratmeter keinen Stellplatz brauchen, wird gestrichen. Nun gilt für alle Wohneinheiten bis 120 Quadratmeter, dass ein Parkplatz nachgewiesen werden muss. Wohnbauprojekte können jedoch maximal 35 Prozent dieser Stellplätze reduzieren. Lagegunstfaktoren können dabei aber nur unter der Bedingung gelten gemacht werden, wenn mindestens eine „aktive Maßnahme“ nachgewiesen und eine dieser „aktiven Maßnahmen“ das Car- oder E-Lastenradsharing ist.
Gewerbebetriebe, wobei Supermärkte oder Praxen davon ausgenommen sind, dürfen ihre Stellplätze um bis zu 25 Prozent reduzieren. Aber auch hier gilt: Lagegunst nur in Kombination mit „aktiven Maßnahmen“!
Unstrittig war am Ende immerhin, dass die Parkplätze künftig größer werden sollen – nur Kai Kühnel sprach von einer „Boliden-Regelung“ und dass man den SUV-Trend stoppen müsste. Bauamtsleiter Reinhold aber bat in diesem Punkt um Realismus: „Wir können von Dachau aus nicht die Autoindustrie ändern!“
Warum Dachau-Reporterin Stefanie Zipfer die Mobilitätssatzung für ungeeignet hält, lesen Sie in ihrem Kommentar „Bitte wenden“.